Lehrer:innenstreik: Jetzt muss die GEW Berlin alle Beschäftigten aufrufen

28.09.2022, Lesezeit 5 Min.
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Mehr als drei Tausend Streikende sind nach Angaben der GEW Berlin zur Stunde in Berlin auf der Straße. Bild: Maxi Schulz

An Berlins Schulen wird heute für kleinere Klassen gestreikt. Diese dringende Forderung betrifft alle Beschäftigten dort. Eine betroffene Schulsozialarbeiterin erklärt, warum es umso wichtiger wäre, dass auch alle gemeinsam zum Streik aufgerufen werden.

Der Lehrer:innenstreik in Berlin geht endlich weiter. Nach einer fast dreimonatigen Sommerpause hat die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Kolleg:innen an allen Schulen der Stadt dazu aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Bereits im April und im Juni dieses Jahres hatte die Gewerkschaft zu Warnstreiks für kleinere Klassen aufgerufen.

Denn „Ziel ist der Abschluss eines Tarifvertrages zum Gesundheitsschutz, in dem das Verhältnis von Schüler*innen zu Lehrkräften und damit die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen verbindlich geregelt wird“, so der Streikaufruf.

Insbesondere regierende Politiker:innen würden dem immer wieder aufs Neue entgegensetzen, dass es in Zeiten des Personalmangels gar nicht möglich sei, Entlastung festzuschreiben. Und ja, der aus der Pflege bekannte Fachkräftemangel ist auch in Schulen verheerend und wird nur noch verheerender, wenn der Beruf weiterhin mit Dauerstress und Burnouts assoziiert wird. Denn erschwerend kommt hinzu, dass die Beschäftigten aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1950er und 1960er Jahre seit 2013 bis inklusive 2031 in Rente gehen, aber ihre Stellen nicht neu besetzt werden (können).

Bundesweit gibt es mindestens 11.500 unbesetzte, noch ausgeschriebene Stellen – mindestens, weil noch nicht alle Bundesländer die entsprechenden Zahlen veröffentlicht haben. Würde man Ganztags- und Inklusionsvorgaben einhalten, wären es nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands sogar bis zu 40.000. Zum Vergleich: In Frankreich sind es 4.000. Unser Nachbarland hat mit zwar auch ein bisschen weniger Einwohner:innen (67,4 Millionen), doch stehen die Zahlen in keinem Verhältnis zueinander.

Aus dem Teufelskreis: fehlendes Personal – kein Spielraum für Entlastungen – fehlende Attraktivität des Berufs – noch mehr fehlendes Personal“, wie ihn die GEW Berlin beschreibt, gibt es nur Entkommen, wenn im Hier und Jetzt die Voraussetzung für grundlegende Veränderung in der Zukunft geschaffen wird. Ein Tarifvertrag wäre zweifelsohne ein Schritt in die richtige Richtung: Schließlich kann seine Einhaltung eingeklagt werden.

Das wird bitter nötig sein. Vor Kurzem ist bekannt geworden, dass in Berlin mehr als 20.000 Schulplätze fehlen – 20.600 um genau zu sein. 11.000 davon an Grundschulen. Als Ende August die Schule wieder begann, hatte jedoch jedes Kind einen. Ausgenommen sind 1.000 ukrainische Kinder, für die weiterhin nach einer Lösung gesucht wird. Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) zeigte sich wieder einmal stolz: Durch schulorganisatorische Maßnahmen sei das Unmögliche möglich geworden. Im Klartext heißt das, dass die schon überfüllten Klassen vergrößert worden sind.

Um dem Kampf für Entlastung noch mehr Stärke zu verleihen, sollte die GEW Berlin ihn jedoch ausweiten. Im Bildungssektor arbeiten viele Beschäftigte outgesourct und befristet beziehungsweise projektgebunden. So gibt es neben Lehrkräften an Schulen in Berlin auch Securities, Hausmeister:innen, Reinigungskräfte, Rechenpat:innen, Schüler:innen- und Respektcoach:innen, Fellows, Erzieher:innen, Nachhilfelehrer:innen, Referendar:innen und viele mehr. Die meisten von ihnen sind von freien Trägern, also anderen externen, profitorientierten Unternehmen oder NGOs angestellt und verdienen schlecht. Das Gehalt von Sozialpädagog:innen ist beispielsweise gerade mal ein Drittel so hoch wie das von dem der angestellten Lehrer:innen. Das der Fellows fällt sogar noch geringer aus. In der Folge sehen viele Kolleg:innen sich der unbezahlbar hohen Mieten wegen gezwungen, weit aus der Stadt herauszuziehen.

Viele von ihnen würden, wie die Lehrkräfte auch, unmittelbar von kleineren Klassen profitieren. Referendar:innen und Fellows unterrichten ohnehin bereits selbst. Auch einige Sozialpädagog:innen sind beispielsweise zur Demokratiebildung regelmäßig in den Klassen, Coach:innen sowieso. Doch argumentiert die Bildungsgewerkschaft, sie könne uns alle nicht zum Streik aufrufen, weil wir nicht unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags der Länder (TV-L) fielen.

Tatsächlich sind wir oftmals nur angelehnt an den TV-L beschäftigt. Wenn die Tariflöhne steigen, liegt es im Ermessen unserer Träger, ob sich auch unsere Bezahlung verbessert. Heißt das aber, dass es unmöglich ist, uns zum Streik aufzurufen?

Um wirklich für kleinere Klassen eintreten zu können, braucht es die volle Kraft aller Beschäftigten. Die Spaltung schadet uns. Wir müssen also mit der GEW auch einen Kampf für einen gemeinsamen Tarifvertrag führen. Unsere Eingliederung in den TV-L muss ein Ende des Outsourcings bedeuten. Das werden uns die Träger nicht freiwillig zugestehen. Doch gerade die letzten Warnstreikrunden haben gezeigt, wie groß der Wille an Berlins Schulen ist, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Unsere Gewerkschaft muss das ernst nehmen – und dafür sorgen, dass wir bei den kommenden Streiktagen in Zukunft alle gemeinsam kämpfen können.

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