„Lasst uns gegen Lindners Kürzungen und Lauterbachs Krankenhausschließungen organisieren“
Charlotte und Leonie, Hebammen aus München, Gewerkschafterinnen und Mitglieder der Revolutionären Internationalistischen Organisation, sprachen beim Revolutionären 1. Mai in München über die TVÖD-Streiks, den Kampf für ein Gesundheitswesen im Interesse der Menschen statt der Profite, und über eine antibürokratische und revolutionäre Alternative zur Politik der Gewerkschaftsführungen und der reformistischen Parteien.
Hi, ich bin Charlotte, ich bin Hebamme im Kreißsaal in Neuperlach und bin bei ver.di organisiert. Ich schreibe außerdem für Klasse Gegen Klasse und bin bei RIO.
Am 1. Mai, dem historischen Tag unserer Klasse, denke ich an all die Arbeiter:innen, die über die Jahrhunderte für ihre Rechte gekämpft haben. Rechte, die in ständiger Gefahr sind, angegriffen und zurückgenommen zu werden.
Besonders deutlich spüren wir das im Gesundheitssystem. Durch die jahrzehntelangen Einsparungen ist der Personalmangel verheerend, das wissen wir alle.
Was macht das mit uns Beschäftigten? Kolleg:innen verlassen die Kliniken reihenweise. Wo ich hinblicke, gibt es Überschreitungen unserer hart erkämpften Rechte, 40 Stunden die Woche maximal zu arbeiten und nicht krank zur Arbeit gehen zu müssen.
Im Gegenteil: Die Arbeit im kapitalistischen Gesundheitssystem macht viele von uns erst krank.
Und dann, nach drei Jahren Pandemie, in der die Zustände so viel diskutiert wurden, erleben wir im öffentlichen Dienst eine Tarifrunde, bei der ein Reallohnverlust herauszukommen droht.
Für die Aufrüstung und die Konzerne stehen dagegen Milliarden zur Verfügung. Finanzminister Lindner hat riesige Sozialkürzungen angekündigt. Die Bundeswehr ist von diesen Plänen ganz ausdrücklich ausgenommen.
Am 4. Mai beginnt in meiner Gewerkschaft ver.di die Mitgliederbefragung über das Tarifergebnis. Die ver.di-Führung hat einem Schlichtungsergebnis zugestimmt, obwohl viele, viele Kolleg:innen im ganzen Land bereit waren, für einen echten Inflationsausgleich zu kämpfen. 500.000 Kolleg:innen waren im Streik! Wir Gewerkschaftsmitglieder müssen bei der Befragung deutlich zeigen, dass wir uns mit der Schlichtung nicht zufriedengeben. Stimmen wir mit Nein!
Die Mitgliederbefragung ist allerdings für die Bundestarifkommission nicht bindend. Deshalb brauchen wir Druck durch die Gewerkschaftsstrukturen und Versammlungen, um eine öffentliche Kampagne für Erzwingungsstreiks vorzubereiten.
Doch wir kämpfen nicht nur während der Tarifrunden und es geht auch nicht nur um Löhne. Wie wir gemeinsam über die Sektoren hinweg gegen die Pläne der Regierung kämpfen können, haben unsere Kolleg:innen in Frankreich in den letzten Monaten vorgemacht. Obwohl die Führungen der Gewerkschaften nur auf isolierte Aktionstage gesetzt haben, haben sich viele Millionen der Rentenreform von Präsident Macron entgegengestellt und mit ihren Streiks das Land lahmgelegt. Auch in Deutschland wollen wir streiken wie in Frankreich!
Die Arbeiter:innenklasse will selbst entscheiden, wie sie arbeitet und lebt!
Was es bedeutet, sich für seine eigenen Arbeitsbedingungen einzusetzen: Diese Erfahrung habe ich in den letzten Monaten gemeinsam mit meinen Kolleginnen selbst gemacht – aber auch welche Repression es dabei geben kann.
Die Geburtshilfe, in der ich arbeite, sollte 2024 mit einem anderen Kreißsaal zusammengelegt werden, sodass eine Rieseneinrichtung entsteht.
Das nennt man Zentralisierung und die ist im Gesundheitssystem keine Seltenheit, um Personal zu sparen und weniger Abteilungen zu haben, die rote Zahlen schreiben.
Unsere Abteilung hat jedoch nicht mal Personalmangel. Im Gegenteil sind wir gut besetzt und identifizieren uns stark mit unserer Arbeit. Obwohl im Münchner Osten und im Umland die Bevölkerung zunimmt, sollen dort die geburtshilflichen Kapazitäten nicht ausgebaut werden. Sondern soll sogar einen Anlaufpunkt weniger geben, was auch die Wahlfreiheit des Geburtsortes stark einschränkt und die Wege für viele weiter macht.
Meine Kolleginnen und ich haben eine Petition gestartet, die über 23.000 Unterschriften sammeln konnte. Außerdem sind wir viel in die Öffentlichkeit gegangen und konnten so Druck auf den Stadtrat ausüben. Die SPD und die Grünen haben uns daraufhin das Versprechen gegeben, sich für den Erhalt bis mindestens 2028 einzusetzen.
Versprechen wohlgemerkt, denn einen Beschluss haben wir noch nicht.
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Ich bin die Leonie, ich bin auch Hebamme in Neuperlach.
Ohne unser Engagement und ohne die Unterstützung durch die vielen solidarischen Kolleg:innen und Studierenden im Solidaritätskomitee wäre unser Kreißsaal nächstes Jahr ganz sicher zusammengelegt worden.
Unsere Petition für den dauerhaften Erhalt unseres Kreißsaals übergeben wir symbolisch an diesem Freitag, am Welt-Hebammen-Tag. Kommt um 10 Uhr zum Odeonsplatz und zeigt eure Solidarität mit uns Kolleginnen im Kampf für eine bedürfnisorientierte Gesundheitsversorgung!
Der Klinikleitung gefällt dieses Engagement überhaupt nicht. Ich habe ein Interview in der Jungen Welt gegeben, wo ich die Unterstützung der Gewerkschaftsführungen für unsere Sache gefordert habe. Und dafür habe ich eine Abmahnung von der Klinik erhalten – einfach nur dafür, dass ich mich öffentlich geäußert habe. Das ist auch bundesweit in den letzten Jahren vielen gewerkschaftlich aktiven Kolleg:innen passiert.
Wir fordern die Rücknahme meiner Abmahnung! Sie soll auch andere Kolleg:innen davon abhalten, sich für ihre eigenen Interessen einzusetzen. Umso mehr kämpfen wir für eine starke gewerkschaftliche Organisierung, für große selbstbewusste Betriebsgruppen bei uns in der Klinik!
Wir fordern außerdem, dass die ver.di-Führung in München sich öffentlich für den Erhalt unserer Abteilung einsetzt, sowie gegen die Abmahnung mit uns kämpft. Unser Kampf für den Erhalt unserer Geburtshilfe sollte ein kleiner Ausgangspunkt dafür sein, wie wir uns gegen Lindners Kürzungen und Lauterbachs Krankenhausschließungen organisieren können.
Die bürokratischen Führungen der Gewerkschaften und der reformistischen Parteien wollen diesen Kampf nicht führen. Im Gegenteil bremsen sie die Streikwelle der letzten Monate bei jeder Gelegenheit. Und auch die Linkspartei bietet keine alternative Strategie an, wie ihre Regierungsbeteiligungen immer wieder gezeigt haben. Deshalb ist es notwendig, an der Basis der Gewerkschaften eine antibürokratische Opposition aufzubauen, um die Führung über unsere Gewerkschaften zurückzuerlangen.
Doch eine solche Kraft fällt nicht vom Himmel. Damit sie entsteht, müssen wir uns unabhängig von den reformistischen politischen und gewerkschaftlichen Bürokratien organisieren, für eine revolutionäre Strategie.
Im Kampf für ein Gesundheitssystem ohne Profite lässt sich erahnen, wie eine ganze Gesellschaft aussehen könnte, die nach sozialen und ökologischen Kriterien demokratisch von uns Arbeiter:innen geplant wird. Um eine solche – sozialistische – Gesellschaft aufzubauen, müssen wir heute damit beginnen, den Grundstein für eine revolutionäre Partei mit dem Schwerpunkt in der Arbeiter:innenklasse zu legen. Das ist auch die Tradition des 1. Mai, des internationalen Kampftags der Arbeiter:innenklasse. Hoch die internationale Solidarität!
5. Mai: Petitionsübergabe für den Erhalt des Kreißsaals
5. Mai, 10 Uhr am Odeonsplatz, München
Veranstaltung am Institut für Soziologie München: Wie gegen die Care-Krise kämpfen?
Donnerstag, 4. Mai um 18 Uhr am Institut für Soziologie der LMU, Konradstr. 6 im Aufenthaltsraum.
Veranstaltung am Institut für Soziologie München: Wie gegen die Care-Krise kämpfen?
Filmvorführung am 4. Mai: „Die kleinen unsichtbaren Hände“ mit KGK Workers München
Donnerstag, den 4. Mai 2023 ab 19 Uhr im Münchner Westend (Adresse auf Anfrage)
Filmvorführung am 4. Mai: „Die kleinen unsichtbaren Hände“ mit KGK Workers München