Lasst uns ein Komitee für Palästina an der Uni Münster aufbauen!
Als Waffen der Kritik wollen wir ein Hochschulkomitee in Münster gründen, um die Solidarität mit Palästina an die Universitäten zu bringen. Dazu laden wir alle Studierenden, Dozierenden und weiteren Palästina-solidarischen Personen ein. (english version below)
Das Rektorat der Universität Münster schrieb in seinem Statement vom 12. Oktober:
Das Rektorat und der Beauftragte der Universität Münster gegen Antisemitismus verurteilen die terroristischen Angriffe auf Israel und das jüdische Volk auf das Schärfste. Verbrechen an unschuldigen Menschen sind durch nichts zu rechtfertigen. Unsere Gedanken sind bei allen Opfern und Betroffenen der menschenrechtswidrigen Taten.
Das gleiche Mitgefühl für die leidende palästinensische Bevölkerung in Gaza kann die Universität offenbar nicht aufbringen. Auch eine gleiche Verurteilung der “menschenrechtswidrigen Taten” der israelischen Armee geht dem Rektorat seit über sieben Wochen nicht über die Lippen. Stattdessen schränkte es lieber erstmal die Diskussionsfreiheit an der Universität ein, indem sie ein vierwöchiges Moratorium verhängte, was alle Veranstaltungen mit Bezug zum Krieg in Israel/Palästina aus seinen Räumen verbannte. Dass zudem ein Mitarbeiter des AstA, der nach einem Familienbesuch in Gaza nun inmitten des Krieges gefangen war, interessierte das Rektorat ebenfalls wenig. Kolleg:innen vom AStA verfassten zwar eine Petition, die sich jedoch hauptsächlich um das Schicksal derjenigen Menschen sorgte, die über eine ausländische Staatsbürgerschaft verfügen. Man forderte die Bundesregierung auf, „ihre militärische Hilfe [an Israel] daran zu knüpfen“, dass „die Ausreise dieser Menschen“ ermöglicht wird. Damit wurde das Leid der Mehrheit der Palästinenser:innen, die über keine ausländische Staatsbürgerschaft verfügen und denen keine Möglichkeit geboten wird, auszureisen, legitimiert und die deutsche Unterstützung für das Massaker in Gaza nicht grundsätzlich verurteilt.
Seit dem sind 15.000 Palästinenser:innen bei den Angriffen der IDF auf Gaza getötet worden. Über 36.000 wurden verwundet und über 1.7 Millionen Menschen mussten aus dem Norden Gazas in den Süden fliehen. Doch auch dort sind sie vor Bombenangriffen nicht sicher. In Gaza herrscht die akute Gefahr einer Hungersnot. Strom, Treibstoff und Wasser sind extrem knapp. Die wenigen Hilfsgüterlieferungen können Gaza nicht am Leben erhalten. Israel hält alle Grenzen Gazas hermetisch abgeriegelt, den Menschen bleibt also kein Fluchtweg. Derweil eskaliert die Siedler:innengewalt im Westjordanland. Dort wurden bisher 238 Menschen getötet und 3128 verletzt, bewaffnete Rechtsradikale vertreiben unter den duldenden Augen der israelischen Besatzungsarmee Bäuer:innen von ihrem Land und aus ihren Häusern und stecken dabei ihre Felder und Olivenhaine an.
All dies ist ein extrem ungleicher Krieg, eine hochtechnologisierte Atommacht, mit der Unterstützung aller NATO-Staaten, kämpft gegen eine seit 75 Jahren entrechtete, unterdrückte und staatenlose Bevölkerung. Die Taten der Hamas können diesen blutigen Vergeltungskrieg in Gaza niemals rechtfertigen. Ebenfalls nicht zu rechtfertigen ist die Unsichtbarmachung palästinensischer Opfer durch das Rektorat unserer Universität und ihre selektive Solidarität. Hatte man nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sehr deutliche Worte in Solidarität mit der leidenden ukrainischen Bevölkerung gefunden, so ist jetzt nichts als eisiges Schweigen zu vernehmen, welches in der aktuellen Situation gleichbedeutend ist, mit einer stillen Billigung massivster Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen durch die israelische Armee.
Nicht nur die Universität macht sich damit zum Mittäter: die deutsche Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP findet seit über 7 Wochen Krieg keine Worte (geschweige denn Taten) des Mitgefühls für die Palästinenser:innen, im Gegenteil, sie steht weiterhin an der Seite der rechten und in Teilen rechtsradikalen Regierung Israels und versorgt ihren verbrecherischen Vergeltungskrieg mit der verzehntfachten Menge an Waffenlieferungen. Auf die Spitze trieb es Kanzler Scholz, der Mitte November einen dauerhaften Waffenstillstand öffentlich ablehnte, weil dieser “der Hamas nur Zeit geben würde, sich zu erholen.” Begleitet wird diese verbrecherische Kriegstreiberei der Regierung durch eine nicht minder verbrecherische rassistische Hetzkampagne gegen Palästinenser:innen und Muslim:innen hierzulande sowie durch zahlreiche Demonstrationsverbote und Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
In Münster blicken wir zurück auf Wochen der schärfsten Eingriffe in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Palästinasolidarische Demonstrationen wurden verboten, eingeschränkt und von der Polizei bewaffnet attackiert. Es gab Verhaftungen, rechtswidrige Strafanzeigen, rechtswidrige Parolenverbote und Fälle von Polizeigewalt. Selbst als ein Gericht eine zuvor durch die Polizei verbotene Demonstration am 18. November wieder erlaubt hatte, wurde die Demonstration 45 Minuten vor Beginn erneut verboten. Auch die Stadt Münster positioniert sich einseitig in Solidarität mit Israel und schweigt über das Leid der Palästinenser:innen.
Es ist Zeit, dass wir neben unseren Mobilisierungen auf der Straße auch an den Orten, an denen wir sind, an den Unis, Solidarität mit Palästina organisieren. Wenn Straßendemonstrationen dazu dienen, den öffentlichen Raum zu politisieren, unsere Stärke und unseren gesellschaftlichen Rückhalt zu testen, so dient die Organisation in den Unis und in den Betrieben langfristigem selbstorganisierten Widerstand. Die Universitäten sind deshalb so wichtig, weil sie zentrale Orte bürgerlicher Ideologieproduktion sind: hier werden die „Expert:innen“ ausgebildet, die in Talkshows sprechen, die in den Zeitungen Interviews geben und die Politiker:innen beraten. An den Unis entstehen Antisemitismus- und Extremismusdefinitionen, hauptsächlich gelehrt werden die Definitionen, die am besten zum politischen System passen. Aber die Unis bergen auch das Potential, Orte des Widerstands zu werden, wenn sich Studierende und Beschäftigte zusammenschließen, ihr Recht auf demokratische Teilhabe einfordern und die Macht der herrschenden professoralen Kaste herausfordern. Wir sind dabei nicht allein: In Neapel haben Studierende kurzzeitig einen Teil ihrer Uni besetzt, um ein Ende der Kooperation ihrer Uni mit Israelischen Universitäten zu fordern, die eingewoben sind in Israels militärisch-industriellen Komplex. In England, dem Spanischen Staat und den USA und an vielen anderen Orten gab es große Unistreiks gegen den Krieg und die Besatzung. In Deutschland regt sich ebenfalls Widerstand an den Unis. Eine Demonstration von über 200 Studierenden an der Freien Universität Berlin erregte landesweit Aufmerksamkeit. Mittlerweile bildete sich dort auch ein Komitee. Auch an der LMU München haben sich Studierende in einem Komitee zusammengeschlossen.
Wir müssen ihrem Beispiel folgen und uns als Studierende und Beschäftigte der Universität Münster vereinigen und gemeinsam für ein sofortiges Ende des Krieges, gegen die rassistische Hetze und für ein freies Palästina kämpfen!
Gründungstreffen des Palästina-Komitees an der Uni Münster
Wann? Dienstag, 12. Dezember 2023, 19 Uhr
Wo? Ort auf Anfrage
per E-Mail an info@klassegegenklasse.org oder via Instagram an @waffenderkritik!
English Version
The Rectorate of the University of Münster wrote in its statement of October 12:
The Rectorate and the Representative of the University of Münster against Anti-Semitism condemn the terrorist attacks on Israel and the Jewish people in the strongest possible terms. Crimes against innocent people cannot be justified by anything. Our thoughts are with all the victims and those affected by these acts violating human rights.
The university obviously cannot muster the same sympathy for the suffering Palestinian population in Gaza. The same condemnation of the „acts violating human rights“ of the Israeli army has not passed the Rectorate’s lips for over seven weeks. Instead, it preferred to restrict freedom of discussion at the university by imposing a four-week moratorium, which banned all events relating to the war in Israel/Palestine from its premises. The fact that there was an AstA employee, who was caught in the middle of the war after a family visit to Gaza, was also of little interest to the rectorate. Colleagues from the AStA did write a petition, but it only showed solidarity with the people in Gaza who have another citizenship. The suffering of the Palestinians played no role whatsoever in the petition.
Since then, 15,000 Palestinians have been killed in IDF attacks on Gaza. Over 36,000 have been wounded and over 1.7 million people have been forced to flee from northern Gaza to the south. But even there they are not safe from bomb attacks. There is an acute danger of famine in Gaza. Electricity, fuel and water are in extremely short supply. The few aid supplies cannot keep Gaza alive. Israel is keeping all of Gaza’s borders hermetically sealed, leaving people with no escape route. Meanwhile, settler violence in the West Bank is escalating. So far, 238 people have been killed and 3128 injured there, while armed right-wing extremists are driving farmers off their land and out of their homes under the connivance of the Israeli occupying army, torching their fields and olive groves in the process.
All this is an extremely unequal war, a high-tech nuclear power, with the support of all NATO countries, fighting against a population that has been disenfranchised, oppressed and stateless for 75 years. The actions of Hamas can never justify this bloody war of retaliation in Gaza. The invisibilization of Palestinian victims by the rectorate of our university and its selective solidarity cannot be justified either. After the Russian invasion of Ukraine, the Rectorate found very clear words of solidarity with the suffering Ukrainian population, but now there is nothing but icy silence, which in the current situation is tantamount to tacit approval of war crimes and human rights violations by the Israeli army on a massive scale.
It is not only the university that is making itself complicit: the German government of SPD, Greens and FDP has not found any words (let alone deeds) of compassion for the Palestinians for more than 7 weeks of war, on the contrary, it continues to stand by the right-wing and in parts right-wing extremist government of Israel and supplies its criminal war of retaliation with ten times the amount of arms deliveries. Chancellor Scholz took it to the extreme when he publicly rejected a permanent ceasefire in mid-November because it would „only give Hamas time to recover.“ This criminal warmongering by the government is accompanied by a no less criminal racist smear campaign against Palestinians and Muslims in this country, as well as numerous bans on demonstrations and restrictions on freedom of expression.
In Münster, we look back on weeks of the harshest state interventions in freedom of assembly and freedom of expression. Palestine solidarity demonstrations were banned, restricted and attacked by armed police. There were arrests, unlawful criminal charges, unlawful slogan bans and cases of police violence. Even when a court allowed a demonstration on November 18 that had previously been banned by the police, the demonstration was banned again 45 minutes before it was due to start. The city of Münster is also taking a one-sided stance in solidarity with Israel and remaining silent about the suffering of the Palestinians.
It is time that, in addition to our mobilizations on the streets, we also organize solidarity with Palestine in the places where we are, at the universities. If street demonstrations serve to politicize the public space, to test our strength and our social support, organizing in the universities and in the workplaces serves long-term self-organized resistance. Universities are so important because they are central places of bourgeois ideology production: this is where the „experts“ who speak on talk shows, give interviews in newspapers and advise politicians are trained. Definitions of anti-Semitism and extremism are created at universities, and it is mainly the definitions that best suit the political system that are taught. But universities also have the potential to become places of resistance if students and employees join forces, demand their right to democratic participation and challenge the power of the ruling professorial caste. We are not alone: in Naples, students have occupied part of their university to demand an end to their university’s cooperation with Israeli universities, which are interwoven into Israel’s military-industrial complex. In England, the Spanish state and the USA and in many other places there have been major university strikes against the war and the occupation. In Germany, resistance is also stirring at universities. A demonstration by over 200 students at the Free University of Berlin attracted national attention. A committee has now also been formed there. Students at LMU Munich have also formed a committee.
We must unite as students and employees of the University of Münster and fight together for an immediate end to the war, against the rising wave of racism and for a free Palestine!
Founding meeting of the Palestine Committee in Münster
When? Tuesday, December 12, 2023, 7 pm
Where? Place on request
by e-mail to info@klassegegenklasse.org or via Instagram to @waffenderkritik!