Lascherbetriebe in Hamburg: Arbeitskampf am Hafen geht weiter!
Im Sommer streikten tausende Beschäftigte der Nordseehäfen für bessere Arbeitsbedingungen. Trotz eines Teilerfolgs gibt es weiterhin Probleme. Zuletzt haben sich die Lascher:innen zu Wort gemeldet, die für die Sicherung von Containern zuständig sind, aber deren Firmen ihre Kosten immer schlechter decken können. Ein Interview mit Christian Warnke über die Situation seiner Berufsgruppe.
Christian Warnke arbeitet im Hamburger Hafen für einen Dienstleister der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Als Lascher ist es seine Aufgabe, die Ladung von Containern zu sichern. Dazu zählt, die Container per Kran zu verbinden, aber auch auf Deck der Schiffe die Container mit Stangen, den sogenannten Schrauben, zu sichern, sodass sie nicht kippen können.
KGK: Hallo Christian. Zu Beginn: Kannst du grob erklären, wie deine Arbeit im Hafen organisiert wird?
Es gibt vier Lasch- und Stauerbetriebe in Hamburg: Paul Grimm, Transpack, die HLG und Karl Tiedemann. Bei ihnen sind circa 500 Lascher:innen beschäftigt. Diese stehen unter der Leitung der HHLA. Das heißt, dass der Hamburger Hafen und Logistik AG bestimmt, wie die Lasche-Betriebe zu wirtschaften sind und wie die Werkverträge mit den Arbeitern geregelt sind.
Die Lascher werden auch nicht mit einem Gehalt oder einem Stundenlohn vergütet. Es wird stattdessen mit Einheitspreisen pro gesicherter Schiffscontainer entlohnt.
Die Corona-Pandemie hatte enorme Auswirkungen auf den weltweiten Warentransport. Wie machte sich das im Hafen bemerkbar?
An unserem Terminal hatte es enorme Umsatzeinbrüche zur Folge. Extrem viele Container sind einfach nicht angekommen. Für die Lieferketten und den Warenaustausch mit Asien hatte das sofort Auswirkung, besonders im Hamburger Hafen. 2020 brachte der Chef sogar Kündigungen ins Spiel.
Die Gewerkschaft ver.di nennt eure Verträge “im Kern unfair”. Was ist das Problem an den Verträgen?
Ver.di bezeichnet die Bezahlmethode als unfair, weil höherer Durchsatz den Terminalbetreibern zugutekommt, während sie bei geringerem Durchsatz die Verluste auf die Dienstleister abladen. Je mehr Containerbewegung die Dienstleister pro Brücke haben – und dementsprechend mehr Arbeitsaufwand und mehr Personal brauchen – umso weniger bekommen sie am Ende pro Container dafür.
Auf der anderen Seite gibt es durch die Folgen der Pandemie oder durch Umbaumaßnahmen an den Terminals mangelnde Umschlagszahlen. Die Kräne oder Brücken schaffen dann weniger Container, das fängt niemand auf. Nur wenn das geforderte Pensum an Containern erreicht wird, wird auch voll gezahlt. Ansonsten gibt es Abzüge.
Dann gibt es eine Klausel, die schimpft sich “höhere Gewalt”. Da kann alles Mögliche darunter fallen, wie Unwetter. Unsere Arbeitgeber nehmen dann kein Geld ein und wir müssen es dann ausbaden, mit teilweisem Lohnverzicht. Das war in der Vergangenheit häufig so. Die Chefs haben gesagt, ihnen würde es so schlecht gehen und wir müssten jetzt auf Geld verzichten. Dieses System herrscht seit mehreren Jahrzehnten. Wir haben uns gewerkschaftlich organisiert und gesagt: “Es reicht!”
Was ist der Anlass, aus dem ihr gerade jetzt gegen eure Verträge vorgeht?
Die Verantwortlichen der HHLA geben diese Verträge und Bedingungen vor und entweder nehmen unsere Geschäftsführer das so an oder eben nicht. Bis jetzt haben sie immer noch ihre Rosinen picken können, indem sie uns, den Beschäftigten, dann irgendwann in die Tasche gegriffen haben und wir das Spiel natürlich auch mitgemacht haben. Logischerweise werden da Drohkulissen aufgebaut, orientiert an der prekären Lage der Arbeiter:innen.
Mal zur Veranschaulichung: Ich arbeite seit 2004 im Hafen und es gab nicht ein Jahr, wo man nicht doch in irgendeiner Form in der Existenz bedroht war. Das ist ein permanenter Zustand und so geht es vielen, vielen anderen Kollegen auch wie mir. Die Geschäftsführer wissen darum und beschweren sich auch permanent. Wiederum ignorieren sie das Angebot seitens der HHLA, sich an einen Tisch zu setzen und um eine Lösung zu verhandeln. Letztendlich egal wer mehr Schuld trägt, die HHLA oder die Leitenden der Dienstleistungsfirmen: Am Ende müssen wir mit weniger Geld für ihre Fehler auskommen.
Hat euch der Streik im Sommer inspiriert? Wenn ja, inwiefern?
Ja. Es hat sich schon mal vor Corona eine Gruppe aus allen Arbeitssektoren gebildet, um wehrhaft dagegen vorzugehen. Durch die Pandemie wurde aber die gewerkschaftliche Arbeit, wie Kundgebungen, Streiks und weitere extrem eingeschränkt, da es durch das Kontakt- und Ausgangsverbot nicht geduldet bzw. erlaubt wurde.
Dies wurde mit der letzten Lohnrunde des Hafens wieder entflammt. Vor allem ist bei der Auseinandersetzung der Lohnrunde offenbart worden, dass sich nicht nur die Arbeitgeber:innen gegen die Streikenden gestellt haben, sondern dass auch die Gewerkschaft ver.di und der Stadtsenat zu wenig getan haben.
Gerade bei der Vorgehensweise der Gewerkschaften merkt man, dass es eine Top-Down-Struktur gibt, die sich schon bemerkbar gemacht hat. Eliten in den höheren Gremien haben alles vordiktiert. Auch durch eigene Erfahrungen mit der Komplexität der Gewerkschaftsbürokratie waren viele Räte dazu geneigt, die Vorschläge der obersten Funktionär:innen nicht zu hinterfragen.
Ja, ich glaube, es ist leider nicht so verwunderlich, warum es keine so gelebte Tradition von aktiver Gewerkschaftsarbeit gibt und es wenigen nahe liegt.
Im Zuge der Lohnrunde wurde seitens der Gewerkschaft und der Beschäftigten eine starke Machtposition dargestellt, auch wenn der Abgang ziemlich enttäuschend war.
Gerade in jetzigen Zeiten ist es für mich immer mehr deutlich, dass basisdemokratische Elemente nicht nur wichtig sind, sondern tatsächlich gewollt sind. Von der Basis. Von einfachen Leuten und Mitgliedern ist das gewollt und gefordert. Sie wollen an den Prozessen selbst teilnehmen und mitsprechen können.
Letzte Frage: Wie organisiert ihr euch und wie ist eure Perspektive auf die kommenden Kämpfe?
Wir haben jetzt eine Kampagne gestartet in Form einer Unterschriftensammlung. Darin weisen wir auf diese Schieflage der Dienstleistungsverträge hin und fordern als ersten größeren Schritt ein Spitzengespräch mit den Verantwortlichen der HHLA selbst. Und ebenso mit dem Senat. Denn die HHLA ist zu fast 70 % in städtischer Hand. Dadurch hat das nochmal eine ganz andere Brisanz. Insbesondere, wenn man sich anschaut, wie Hamburg seit Jahren von sogenannten Sozialdemokraten regiert wird.
Primär ist es für mich und meine Kolleg:innen wichtig, genug Geld zu verdienen, um über die Runden zu kommen. Interessant ist, dass sich aus der ganzen Situation heraus schon eine starke Eigendynamik entwickelt hat. Dabei entstehen schon viele gute Ideen, die wir umsetzen werden, falls der Senat weiterhin unsere Forderung ignoriert.
Fazit:
Im Verlauf des Interviews wird die prekäre Situation der Lascher:innen an den Hamburger Häfen immer deutlicher, ebenso die Dringlichkeit von gewerkschaftlicher Organisierung. Lasst uns gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen für die Lascher:innen, aber auch für alle Arbeiter:innen in prekären Sektoren kämpfen. Kommt mit uns auf Proteste der Hafenarbeiter:innen oder unterstützt die Lascher:innen und uns gerne finanziell, damit auch wir als Klasse gegen Klasse den Arbeitskampf am Hamburger Hafen direkt vor Ort verstärken können.