Landtagswahlen: Schlagen wir Höcke und die braune Pest zurück!

24.08.2024, Lesezeit 20 Min.
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Protest gegen Nazis beim CSD in Leipzig. Foto: Baki / KGK

Leitartikel: Nazis marschieren wieder durch die Straßen, die AfD könnte stärkste Kraft bei den Landtagswahlen werden. Um sie zu stoppen, brauchen wir Mobilisierungen statt Vertrauen in das kleinere Übel.

Hunderte schwarz gekleidete Nazis bedrohen die CSD-Parade in Bautzen, einige von ihnen zünden eine Regenbogenflagge an. Ein ähnliches Schauspiel wiederholt sich die darauffolgende Woche in Leipzig. Unter den Nazis sind viele Jugendliche, teils erst zwölf Jahre alt. Erinnerungen an die „Baseballschlägerjahre“ werden wach – als in den 1990ern Faschos auf offener Straße Linke und Migrant:innen tyrannisierten. Manche von ihnen gründeten später den NSU.

Die Nazi-Gewalt hat heute noch nicht das gleiche Ausmaß erreicht. Es gibt auch nicht täglich Brandanschläge auf Geflüchtetenheime wie 2015. Doch eine solche Entwicklung ist wieder möglich, besonders angesichts der weit verbreiteten Zustimmung für die extreme Rechte. 30 Prozent für die AfD in Sachsen und Thüringen: Das ist das Ergebnis der neuesten Forsa-Umfragen vor den am 1. September stattfindenden Landtagswahlen. Damit ist die AfD in Thüringen mit fast zehn Prozentpunkten Vorsprung die stärkste Partei, in Sachsen liegt sie knapp hinter der CDU, die auf 33 Prozent kommt. In Brandenburg, wo am 22. September gewählt wird, reicht es für die AfD bisher „nur“ für 24 Prozent, aufgrund der Schwäche der anderen Parteien bedeutet das dort aber trotzdem Platz 1. Es wäre ein politisches Erdbeben mit Vorankündigung, das der AfD für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr weiter Auftrieb geben und ihre lokale Verankerung nicht nur im Osten weiter stärken würde. 

Die extreme Rechte ist beflügelt, nicht nur aufgrund der Stärke der AfD selbst, sondern auch deshalb, weil ihre Agenda inzwischen von Regierung und bürgerlicher Opposition gleichermaßen immer mehr übernommen wird. Besonders stark drückt sich das in der rassistischen Politik gegen Migrant:innen und Geflüchtete aus, aber auch in der Hetze gegen Bürgergeld-Empfänger:innen, in der Polizeirepression gegen Linke und gegen die Palästinabewegung, in den Angriffen auf das Streikrecht oder in antifeministischen „Genderverboten“ wie in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Die Stärke der AfD ist also nur die Spitze des Eisbergs eines sich ausbreitenden Rechtsrucks, der im Kontext der militärischen „Zeitenwende“ seit Beginn des Ukrainekriegs steht.

Trotzdem werden die Landtagswahlen eine Art Referendum über die Politik der Ampelregierung sein. In Thüringen werden FDP und Grüne voraussichtlich nicht mehr im Landtag vertreten sein, auch die SPD kommt dort aktuell nur auf 7 Prozent. In Sachsen könnten SPD und Grüne, anders als die FDP, gerade so die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Das kommt nicht von ungefähr: Im ganzen Land gibt es eine verallgemeinerte Unzufriedenheit mit der Bundesregierung. Der ARD-DeutschlandTrend für August 2024 zeigt, dass nur noch 20 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Ampelregierung zufrieden sind – niedriger waren die Zahlen noch nie. Mit anderen Worten: Die Regierung befindet sich in einer massiven Legitimationskrise. Die Gründe sind vielfältig: Einerseits werfen AfD-Anhänger:innen der Ampel vor, nicht hart genug gegen Migrant:innen vorzugehen, trotz Asylrechtsverschärfungen, der Einführung von Bezahlkarten und rassistischer Abschiebepropaganda. Zugleich aber spielen auch hohe Mieten, Preissteigerungen sowie die Kriege in der Ukraine und in Gaza eine wichtige Rolle. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung im Osten lehnt die militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine sowie die Sanktionen gegen Russland ab – ein Umstand, der auch der Bundespolitik wachsende Schwierigkeiten bereiten könnte. Um die Aufrüstung zu finanzieren, setzt die Bundesregierung Spardiktate für alle Ressorts außer das Verteidigungsministerium durch. Insbesondere FDP und CDU/CSU werben für weitere Kürzungen bei der Rente und eine Verlängerung der Arbeitszeit, ebenso wie für härtere Sanktionen gegen Bürgergeld-Empfänger:innen.

Die Verantwortung der Linkspartei

Hinzu kommt eine wichtige regionale Komponente: 35 Jahre nach dem Mauerfall gibt es noch immer große soziale und politische Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. 43 Prozent der Befragten in den ostdeutschen Bundesländern fühlen sich laut einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr als Menschen zweiter Klasse. Geringere Löhne und Renten trotz höherer Arbeitszeit als im „Westen“ sind für die Mehrheit der Ostdeutschen weiterhin Realität. Dabei handelt es sich um Langzeitfolgen der Zerstörung von Betrieben, Infrastruktur und Lebensläufen nach der kapitalistischen „Wiedervereinigung“, die zu einem riesigen Niedriglohnsektor geführt haben.

Dafür tragen auch die Linkspartei und ihre Vorgängerpartei PDS eine entscheidende Verantwortung, die in den vergangenen Jahrzehnten Massenarbeitslosigkeit, die Privatisierung von Wohnungen, Gesundheitsversorgung und Nahverkehr und vieles mehr mitverwaltet hat. Selbst ihrem Erbe als Friedenspartei hat die Linkspartei seit dem Ukrainekrieg vollständig den Rücken gekehrt (nachdem sie ihre Opposition zuvor schon im Falle Afghanistans und im Sofortprogramm für die Bundestagswahl 2021 aufgeweicht hatte). Sie befürwortete Sanktionen und teilweise Waffenlieferungen und kehrte von ihrer historischen Anti-NATO-Position ab. Insbesondere die thüringischen und sächsischen Landesverbände befürworten teils lautstark Waffenlieferungen und vertreten eine Pro-NATO-Haltung. Selbst im Gazakrieg, den inzwischen eine breite Mehrheit der Bevölkerung ablehnt, verweigert die Partei eine konsequente Haltung gegen den Genozid. 

Entsprechend fällt die Linkspartei als Oppositionspartei inzwischen vollständig aus. In Sachsen und Brandenburg kratzt sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Zum Vergleich: 2008 lag sie in Sachsen noch bei 29 Prozent. Nur in Thüringen behauptet sie sich noch mit 13 Prozent – allerdings gegenüber 31 Prozent bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren. Dieser beispiellose Absturz fand statt, während die Linkspartei mit Bodo Ramelow an der Spitze einer rot-rot-grünen Landesregierung stand. Dabei stellte Ramelow den äußersten rechten Rand der Linkspartei dar: Er ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht, will geflüchtete ukrainische Männer zurück an die Front schicken, mehr Abschiebungen durchführen, und wirbt für die katholische Kirche. Seine Regierung ist der ultimative Beweis, dass eine „linke“ Regierung – und erst recht keine, die die rechte Agenda kopiert – keinen Schutz vor dem Aufstieg der extremen Rechten bietet.

AfD: Reaktionäre Antwort auf politische und soziale Krise

Von der Schwäche der Bundesregierung und dem Absturz der Linkspartei profitiert vor allem die AfD, und in geringerem Maße die weit rechts stehende Merz-Söder-Union, deren Mitglieder laut einer kürzlichen Umfrage fast zur Hälfte zu einer Zusammenarbeit mit der AfD bereit sind. Das Motto der CDU scheint dabei zu lauten: Wir machen es wie die AfD, nur effektiver. So kritisierte Mario Voigt, der thüringische CDU-Spitzenkandidat, Björn Höckes AfD dafür, dass im AfD-geführten Landkreis Sonneberg nur zehn Asylbewerber:innen zur Arbeit verpflichtet worden seien, im CDU-geführten Saale-Orla-Kreis dagegen 100.

Die AfD steht für offenen Rassismus, für reaktionäre Frauenbilder und queerfeindliche Hetze. In ihrem Wahlprogramm für Thüringen schreibt sie etwa: „Kinder gehören nicht auf LGBTQ- und Regenbogenparaden wie den ‚Christopher Street Day‘“. Damit liefert sie die direkte Vorlage für die Nazis, die sich ermächtigt fühlen, diese Politik mit Gewalt durchzusetzen. Sie spricht damit auch gezielt junge Männer und Jugendliche an, die sie in einem unheilvollen Gemisch aus reaktionären Männlichkeitsbildern, Perspektivlosigkeit und Frustration sowie der Militarisierung der Gesellschaft für ultrarechte Inhalte gewinnt.  

Zudem fordert die AfD eine Einschränkung des Streikrechts, für die Schwächung von Betriebsräten und Gewerkschaften. Sie inszeniert sich bei den Landtagswahlen als „Ostpartei“, doch ihr Programm kann den sozialen Abstiegsängsten der Bevölkerung keinerlei tatsächliche Antworten bieten. Tatsächlich steht sie für mehr Sanktionen und Druck auf Arbeitslose, die sie zu „Bürgerarbeit“ zwangsverpflichten will – was die Konkurrenz zu regulären Beschäftigungsverhältnissen verschärft und Löhne senkt. Gleichzeitig steht sie für Steuersenkungen für Unternehmen und Wohlhabende. Ihr Programm ist darauf ausgerichtet, Unternehmen noch mehr Profite zu ermöglichen und steht damit den neoliberalen Ansätzen der FDP in nichts nach. 

Selbst ihr Image als „Friedenspartei“ könnte heuchlerischer nicht sein, denn zwar wirbt sie für Frieden mit Russland, doch nur im Interesse einer Allianz zur Stärkung des deutschen Imperialismus, während sie für noch mehr Aufrüstung wirbt und den Genozid gegen das palästinensische Volk unterstützt. Sie besteht bis in die höchsten Ränge hinein aus waschechten Nazis und Holocaustrelativierern, wie nicht nur Björn Höcke zeigt, sondern zuletzt auch die SS-Aussagen von Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah. Sie steht dafür, Minderheiten zu unterdrücken und das deutsche Kapital im Wettlauf mit anderen imperialistischen Staaten durch Protektionismus und den Angriff auf Arbeitsrechte besser zu positionieren. Dafür will sie noch mehr Geld für Rüstung ausgeben als ohnehin schon. Das Verbot von Rüstungsforschung per Zivilklausel lehnt sie strikt ab.

Aber nochmal: Allein an der Zustimmung zur AfD ist der Rechtsruck aber nicht zu bemessen, da ihre Positionen stärker Eingang in die politische Mitte gefunden haben und sie selbst stärker ins Regime integriert wird. Die Repression gegen die Palästinasolidarität wird mit großem Enthusiasmus von der Regierung und den staatlichen Institutionen vorangetrieben. Die politische Mitte hat den zuvor bereits vorhandenen antimuslimischen Rassismus vertieft und Logiken der AfD übernommen, um die Repression zu rechtfertigen. 

Wie BSW die Normalisierung der AfD vorbereitet

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist in allen drei Bundesländern, in denen im September gewählt wird, auf dem Weg, zur drittstärksten Kraft zu werden. BSW versucht, sich als Alternative zur Linkspartei und zur AfD gleichermaßen zu etablieren. Dazu setzt es auf eine populistische Kombination aus sozialpolitischer Ansprache, Friedensdiplomatie und rechter Hetze gegen Geflüchtete und queere Menschen. Das Bündnis positioniert sich vorgeblich als eine scharfe Kritikerin der unsozialen Politik der Ampelkoalition. Doch Wagenknecht steht für eine standortnationalistische Wirtschaftspolitik, die deutsche Konzerne gegenüber ausländischer Konkurrenz stärken soll. Die Perspektive der Enteignung von Großkonzernen oder auch nur die Stärkung von Arbeitsrechten und die aktive Unterstützung von Streiks sind ihr fremd. Genderverbote an Schulen und in öffentlichen Einrichtungen befürwortet sie. Statt etwa queere Events wie den CSD in Leipzig und Bautzen gegen Nazis zu schützen, bedient sich das BSW ungeniert an anti-LGBTQ+-Narrativen der Rechten und macht sie damit in der Breite der Bevölkerung akzeptabler. Dasselbe gilt für ihre restriktive Migrationspolitik, in der ihre Forderungen der Politik von Ampel und CDU/CSU bis hin zur AfD stark angepasst sind. Sie fordert mehr Bezahlkarten, Kopftuchverbote, härtere Repression, mehr Abschiebungen und Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. So vermittelt BSW offensiv zur AfD und schwächt den Kampf gegen rechts, anstatt dem Chauvinismus den Kampf anzusagen. Zugleich haben Wagenknecht und die Verantwortlichen des BSW in den Bundesländern, ebenso wie Linksparteispitzen wie Bodo Ramelow, mehrfach deutlich gemacht, dass sie zur Teilnahme an einer Regierung mit prokapitalistischen Parteien (bis hin zur CDU) bereit wären. 

Zuletzt sagte die BSW-Spitzenkandidatin in Thüringen, Katja Wolf, dass sie zwar nicht mit der AfD koalieren würde, aber durchaus für inhaltlich „vernünftige“ Anträge der AfD stimmen würde. Es sei „nicht mehr zeitgemäß“, der AfD mit „Scheuklappen“ zu begegnen. Es wäre ein erheblicher Schritt zur Normalisierung der AfD, wenn diese durch eine CDU-BSW-Regierung in den Rang der parlamentarischen Mitgestaltung befördert würde – ein klares Signal auch für eine künftige Bundesregierung unter Führung der Union, die ähnlich verfahren könnte. Dies spiegelt sich auch in den Meinungen der BSW-Anhänger:innen. 40 Prozent fänden laut Deutschlandtrend eine Landesregierung mit AfD-Beteiligung gut. 

Um Klartext zu reden: In einer Situation, in der die Bundesregierung so diskreditiert ist wie nie zuvor, in der sich die AfD als einzige Oppositionspartei geriert, fallen der Linkspartei und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nichts besseres ein, als eine Koalition mit der Rechtsaußen-CDU, der Partei des deutschen Großkapitals, ins Auge zu fassen und die „Brandmauer“ nach rechts aufzuweichen. Unabhängig davon, ob die CDU sich wirklich darauf einlassen würde, ist völlig klar, dass die einzige Möglichkeit für die Bildung einer solchen Koalition darin besteht, dass Linkspartei und BSW auch noch die letzten Reste ihrer Sozialpolitik, die sie in ihrem Wahlprogramm haben, streichen müssten. Was bliebe übrig? Sicherheitspolitik und Abschiebungen. 

Katja Wolf von BSW sagte selbst im Interview mit Jung und Naiv, dass sie auf die Konsolidierung des Haushalts in Eisenach stolz ist, also auf deutliche Sozialkürzungen. Nicht nur ist das völlig verfehlt, um den sozialen Verheerungen in Ostdeutschland entgegenzutreten, und somit ungeeignet, um die von der Krise betroffenen Teile der Arbeiter:innen und der Jugend anzusprechen. Es ist sogar in der eigenen Logik dieser Parteien für das Wegbrechen von Wähler:innenschichten von der AfD kontraproduktiv, denn sie stellen aktiv unter Beweis, das mit möglichst viel Druck von rechts ein möglichst großer Teil der Agenda der AfD von der heutigen „demokratischen Regierung“ umgesetzt werden wird. Das realistische Resultat ist eine weitere Stärkung der AfD in Richtung der Bundestagswahl nächstes Jahr. Dort wird die Stärke der AfD erneut zum Argument für die Unterstützung „nicht ganz so rechter“  Parteien, um die AfD „zu verhindern“, anstelle der Regierung und der rechten Opposition den unversöhnlichen Kampf anzusagen. 

Das alles zeigt: Eine „Brandmauer“ gegen die AfD kann nicht mit Hilfe einer breiten Front aller „demokratischen Parteien“ aufgebaut werden, die selbst für die soziale Misere, die Aufrüstung und die rassistische Hetze verantwortlich sind, auf deren Nährboden AfD und Co. erst gedeihen konnten. Insbesondere im Bündnis mit der CDU ist keine Anti-AfD-Politik zu machen. 

Wie bekämpfen wir die AfD und den Rechtsruck?

Doch auch Linkspartei und BSW bieten keine Alternative, da ihre Perspektive des Kampfes gegen Rechts gerade auf Koalitionen mit der CDU hinausläuft, anstatt die AfD auf den Straßen, in den Betrieben, Schulen und Unis zu konfrontieren. Die Logik des „ge­ringeren Übels“, trotz aller Kritiken erneut das Kreuz bei der Linkspartei zu machen, oder zu hoffen, dass die rechtspopulistischen Anleihen von BSW nur Rhetorik sind, ist nicht nur eine immer wieder wiederholte Rechtfertigung für Regierungsbetei­ligungen von reformistischen Funktionär:innen und Unterstützer:innen gleichermaßen. Sie ist Ausdruck einer tiefgründigen Skepsis gegen­über der Fähigkeit der Arbeiter:innenklasse und der Massen, gesellschaftliche Veränderungen mit ihrer eigenen Kraft und ihren eigenen Methoden zu erreichen. Eine Stimme für diese Parteien ist eben nicht nur ein Kreuzchen an einem Tag im Jahr, während man im Rest des Jahres etwas anderes tut. Es handelt sich nicht um Sprachrohre sozialer Kämpfe, sondern das Ziel dieser Parteien ist, den Druck von der Straße in Parlaments- und Regierungsposten umzulenken. Nicht um die Selbstorganisation zu stärken, sondern sie zu einer Manövriermasse für parlamentarische Verhandlungen zu machen. 

Der Widerstand gegen AfD und Co. fällt nicht vom Himmel, er muss mittels Demonstrationen, Streiks und Blockaden geübt werden. Mobilisierungen gegen die AfD wie in Essen oder Blockaden wie in Jena sind wichtige erste Schritte. Wo 1.000 Nazis auftauchen, müssen wir uns mit 10.000 gegen sie stellen! Demonstrationen und Veranstaltungen müssen selbst geschützt werden, da wir uns auf die Polizei nicht verlassen können, wie die Blockade gegen Björn Höcke in Jena eindrücklich zeigte. 

Die Führungen der Gewerkschaften scheuen davor zurück, die Auseinandersetzung mit der AfD über gelegentliche Mobilisierungen wie zum Parteitag in Essen hinauszugehen. Beim CSD in Leipzig weigerte sich der DGB ebenso wie alle teilnehmenden Parteien, überhaupt die Präsenz von hunderten Nazis in der Stadt zu thematisieren. Offensichtlich halten sich die Führungen zurück angesichts dessen, dass zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder selbst mit der AfD und rechten Positionen sympathisieren, besonders, wenn es auf betriebliche Ebene geht: Die Bürokratie hält die allermeisten Streiks rein auf der Ebene von Lohnforderungen. Dabei gibt es im Osten eine Vielzahl von Arbeitskämpfen, die oftmals intensiver geführt werden als im Westen. Zuletzt hatte die IG Metall einen 180 Tage währenden Rekordstreik bei der Schrottfirma SRW metalfloat bei Leipzig angeführt. Arbeitskämpfe gab es kürzlich auch am Klinikum Weimar, dem Nahverkehr, dem Einzelhandel, den studentisch Beschäftigten in Sachsen, den Bankangestellten in Berlin und Brandenburg. In den kommenden Monaten stehen auch die großen Tarifrunden im Metall- und Elektrosektor sowie im öffentlichen Dienst an.

Es besteht eine Notwendigkeit, diese Arbeitskämpfe zusammenzuführen mit Koordinierungen der Beschäftigten und in Verbindung zu sozialen Bewegung, der queeren Community, der Friedens- und Palästina-Bewegung. Im gemeinsamen Kampf haben die verschiedenen Sektoren die Möglichkeit, ihre Kräfte zu vereinen und zu multiplizieren und ein umfangreiches Programm gegen Spaltung und die Kriegs- und Sparpolitik aufzustellen. Nur der gemeinsame Kampf, verbunden mit einer bewussten Konfrontation rechter Ideologien innerhalber der Arbeiter:innenklassse, kann es ermöglichen, die Vorurteile gegenüber queeren und migrantischen Personen abzubauen. 

Der beste Weg im Kampf gegen Rechts ist, wenn die verschiedenen Bewegungen in einem Komitee, beim Streikposten und auf der Straße Seite an Seite stehen und den Angriffen von Unternehmen, Polizei und Nazis trotzen. Um der AfD entgegenzutreten, braucht es eine massenhafte Selbstorganisation von unten, ausgehend von den Betrieben, Schulen und Unis. Leider gibt es bei den Landtagswahlen keine Organisationen, die für eine solche Perspektive stehen. Das muss aber nicht so bleiben: Gegen die Alternativlosigkeit wollen wir für den Aufbau einer klassenkämpferischen und sozialistischen Alternative auch auf Wahlebene kämpfen. 

Bis dahin gilt: Gewerkschaften und linke Organisationen müssen gegen die AfD und insbesondere gegen jede Regierungsbeteiligung der AfD massenhaft auf die Straße gehen. Es braucht eine Einheitsfront aller linken und Arbeiter:innenorganisationen und einen Kampfplan der Gewerkschaften, um im Falle von Verhandlungen mit der AfD nach den Wahlen politische Streiks vorzubereiten. Denn im Zweifelsfall werden sich die Kapitalist:innen und ihre Parteien auch mit einer AfD-Regierungsbeteiligung arrangieren. Der einzige Weg, diese Perspektive konsequent zu bekämpfen, ist mit Massenmobilisierungen, Streiks und Blockaden, und nicht mit der Hoffnung in ein Kreuz für ein „geringeres Übel“.

Als Revolutionär:innen kämpfen wir dafür, in den Betrieben, Schulen und Unis und auf der Straße die Selbstorganisation voranzutreiben und die Führungen der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen unter Druck zu setzen, mit einem Programm, dass den Kampf gegen rechts mit dem Kampf gegen Kürzungen, für höhere Löhne, gleiche Vergütung und Arbeitsbedingungen in Ost und West, gegen Aufrüstung und Genozid miteinander verbindet. Ein Programm, das gegen die extreme Rechte und gegen die Regierung gleichermaßen gerichtet ist, denn nur so kann sich die AfD nicht länger als einzige Opposition hinstellen. Ein Programm gegen Militarisierung und Kürzungspolitik, für Masseninvestitionen in Bildung, Klima und Gesundheit statt in Aufrüstung, finanziert durch die Enteignung der Gewinne und Vermögen der Kapitalist:innen. Für massive Lohnerhöhungen, Preiskontrollen und die Senkung von Mieten, gegen die ständige Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Für die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und die Aufteilung der Arbeit auf alle. Für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, den Ausbau und die Ausfinanzierung öffentlicher Kinderbetreuung und volle Rechte für LGBTIQ+-Personen. Gegen die Repression und die Angriffe auf demokratische Freiheiten. Für offene Grenzen, sichere Fluchtrouten und volle soziale und politische Rechte für alle Migrant:innen. Für die entschädigungslose Enteignung der Banken und Konzerne und eine ökologische Planung der Wirtschaft unter Arbeiter:innenkontrolle.

Denn woran es fehlt, ist nicht an einem weiteren Kompromiss mit einem angeblich „geringeren Übel“, das an der Regierung den Rechtsruck weiter mitträgt. Woran es fehlt, ist eine konsequente antikapitalistische Alternative, die dem deutschen Imperialismus und der Festung Europa des Kapitals einen internationalistischen und sozialistischen Ausweg der Arbeiter:innen und der Jugend entgegensetzt.

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