Landtagswahlen in Bayern: Die Lügen der FDP
Im Zuge der Landtags- und Bezirkswahlen am 8. Oktober in Bayern verschickt die FDP per Post Wahlwerbung an Erstwähler:innen. Hier decken wir ihre falschen Versprechen auf.
Dies ist kein Zufall, denn bei den Bundestagswahlen 2021 war die FDP, die „Stimme der Finanz und Immobilienkonzerne“, die „gegen Klimaschutz, würdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne und Renten“ kämpft, bei den Jungwähler:innen nach den Grünen mit 20,5 Prozent die zweitstärkste Kraft. Dementsprechend versuchen sie auch, ihre Wahlversprechen „jung und hip“ und so ansprechend wie möglich für junge Menschen zu formulieren. Wobei sie vier zentrale Versprechen in verschiedenen Bereichen vorstellen, die sich ohne eine tiefere Auseinandersetzung mit der Politik der FDP tatsächlich zukunftsgewandt und progressiv anhören können.
Warum die FDP keine progressive Perspektive für junge Menschen darstellt und warum ihre Wahlversprechen, die von „Bildungschancen für alle – jeder ist ein Zukunftsmacher!“ zu „Klimaschutz durch Innovation“ gehen, voller Heuchelei sind, wollen wir im Folgenden darstellen.
FDP und Bildungspolitik
Als ersten Punkt führen sie in der Wahlwerbung „Bildungschancen für alle – jeder ist ein Zukunftsmacher!“ auf und fordern die „bestmögliche Bildung“ „unabhängig von sozialem oder kulturellem Hintergrund“. Ermöglicht werden soll das durch die Förderung von „Innovationen“ an Schulen und Unis, was in diesem Zusammenhang ein positiv klingendes Synonym für die Neoliberalisierung der (Hoch-)Schulen ist, die nicht nur katastrophale Folgen für die Lehre und Arbeitsbedingungen, sondern auch für die Wissenschaft hat. Was die FDP wie so oft als “Freiheit”, in diesem Fall die „Freiheit“ von Unis und Schulen in der „Ausübung der Lehre“ beschreibt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Freiheit, unsere Bildung und die Lehr- und Arbeitsbedingungen prekärer zu machen und gleichzeitig die Wissenschaft durch die Liberalisierung weiter für Konzerne und Profitinteressen zu öffnen.
An den Unis bedeuten die Hochschulreformen der letzten Jahre höheren Leistungsdruck, eine starke Öffnung der Wissenschaft für Konzerninteressen durch Drittmittelfinanzierung, die wiederum dazu führt, dass „nicht profitable“ Studiengänge unterfinanziert sind und eine sinkende Qualität der Lehr- und Arbeitsbedingungen. Die kürzlich durchgesetzte bayerische Hochschulreform ging der FDP nicht mal weit genug, sie fordern eine „tiefgreifende Strukturreform“, um die Hochschulen „konkurrenzfähig“ zu machen.
Dass es der FDP auch nicht um die Interessen der Studierenden bzw. der Bildung geht, wird deutlich, wenn sie in der Bundesregierung die Kürzungspolitik in sozialen Bereichen vorantreiben, während sie beispielsweise im Rahmen des „Chancenwachstumsgesetz“ Steuersenkungen für Konzerne planen.
Die Kürzungspolitik der Ampel besonders im sozialen Bereich, die vorsieht im kommenden Jahr 30 Milliarden Euro zu kürzen, bedeuten gleichzeitig eine weitere Verschärfung der Kinderarmut, der Unterfinanzierung der Kommunen, Schulen und Kitas. Dabei spielte die FDP bereits unter der schwarz-gelben Regierung 2009 bis 2013 eine Rolle in den massiven Kürzungen im sozialen Bereich, insbesondere in den Schulen, die zum enormen Lehrermangel und Unterrichtsausfall führten.
24/7-Öffnungszeiten heißt höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen!
Als nächsten Punkt ködert die FDP mit der Forderung nach flexiblen Öffnungszeiten von Geschäften, da der „Arbeits- und Unialltag lang seien könne“.
Längere und flexiblere Öffnungszeiten sind natürlich aus Konsument:innensicht wünschenswert, bringen aber nichts, wenn dadurch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten noch prekärer sind und es am Ende gar nicht genug Personal gibt.
Anstatt das Problem an der Wurzel zu nennen, nämlich dass die Uni- und Arbeitstage so extrem lang und anstrengend sind und wir Studierende trotzdem ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung von außen niemals unsere Lebenshaltungskosten bestreiten könnten, werden als Lösung für diese langen Studien- und Arbeitstage einfach längere Ladenöffnungszeiten vorgeschlagen. Und das „Lustige“ an der Sache ist, dass es oft gerade wir Studis und junge Menschen sind, die zum Beispiel in Supermärkten arbeiten, d.h. es würde wieder einfach auf unseren Schultern lasten.
Die FDP setzt sich vehement gegen Eingriffe in die „unternehmerische Freiheit“ wie Besteuerung oder Arbeiter:innenrechte, wie Tarifverträge oder den Mindestlohn ein. Dabei sind es besonders junge Menschen, die in Minijobs arbeiten, im Einzelhandel oder der Gastronomie jobben und auf den Mindestlohn angewiesen sind, oder als Azubis gerade so über die Runden kommen.
„Grüner“ Kapitalismus und Innovationsfetisch
Gegen die Klimakrise, die in den vergangenen Jahren Millionen Menschen mit Forderungen nach Klimagerechtigkeit auf die Straße brachte, schlägt die FDP „Klimaschutz durch Innovation“ vor. Der Glaube an die Rettung des Klimas durch neue Technologien findet besonders unter vielen jungen Menschen Anklang, die den Ernst der Klimakrise erkennen und innerhalb dieses Systems nach hoffnungsvollen Lösungen suchen.
In der Wissenschaft und der Politik kommt der Drang zu Innovationen und marktwirtschaftlicher Herangehensweise meist aus der liberalen Ecke, die sich sogar gegen das minimale und natürlich sowieso schon völlig unzureichende Klimaprogramm der Bundesregierung stellt.
Die FDP stellt keinerlei Lösungsansätze vor, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Anstatt die Großkonzerne, die maßgeblich an Umweltverbrechen beteiligt und für enorme CO2-Ausstöße verantwortlich sind, zu sanktionieren, predigt die FDP weiterhin ihre reaktionäre, wirtschaftsliberale „Weisheit“, die Magie der freien Marktwirtschaft, die alles regeln kann.
Das Vertrauen in Innovationen gegen die Klimakrise durch die freie Marktwirtschaft klingt schön und kann im ersten Moment Hoffnung stiften, doch das Problem ist, dass die freie Marktwirtschaft leider nicht so funktioniert. Die freie Marktwirtschaft bringt das voran, was profitabel ist, die Ausbeutung von Mensch und Natur, sowie die Zerstörung des Klimas sind dabei immer nebensächlich gewesen beziehungsweise sind es immer noch, auch wenn „Grüne Parteien“ regieren, wie wir es gerade sehen.
Der Umschwung der Automobilindustrie zur Elektromobilität ist allein darauf zurückzuführen, dass es eine veränderte Situation im Weltmarkt gibt, die mit dem Marketing des Grünen Kapitalismus neue Profite erschließen kann. Der Umschwung auf den „grünen Kapitalismus“ ist also kein „Angebot“ auf die „Nachfrage“ der Notwendigkeit des Klimaschutzes, sondern auf die „Nachfrage“ nach neuen Profitquellen und Märkten, in einer neuen globalen Wirtschaftslage.
Wenn es um Klimaschutz durch Innovationen ginge, wäre die logische Antwort der Ausbau, die Modernisierung und Subventionierung des öffentliche Nahverkehrs und nicht die Förderung des Individualverkehr mit teuren E-SUVs mit Batterien, für die es unter anderem Lithium braucht.
Klar braucht es Innovationen, aber innerhalb des Kapitalismus werden diese immer an den Stellen gefördert werden, wo es den Profiten der Konzerne nützt und nicht der wirklichen Bekämpfung des Klimawandels und Projekte, die tatsächlich Menschen nützen.
Innovation entsteht da, wo Bildung, Arbeitsplätze und Wissenschaft gefördert wird und nicht, wo in genau diesen Bereichen gespart wird, nur damit sich Konzerne unter dem Banner der „Innovationen für die Gesellschaft und gegen den Klimawandel“ in der Wissenschaft und unseren Universitäten einnisten können, um weiter Profite zu machen und die Umwelt zu zerstören.
Was sich hinter dem Innovations-Geschwafel der FDP verbirgt, ist ein neokolonialer Ansatz mit dem das deutsche Kapital durch von ihm finanzierte Innovationen in die Lage versetzt werden soll, neue Märkte auszubeuten und rohstoffexportierende halbkoloniale Länder wie Chile oder Bolivien, die hohe Lithium-Reserven aufweisen, zu unterwerfen.
Während sich die FDP „Klimaschutz durch Innovation“ auf die Fahne schreibt und gleichzeitig auf bundesebene überall im Bundeshaushalt insbesondere im sozialen Bereich kürzt, gibt es einen Bereich, den die Kürzungen von Finanzminister Lindner nicht anrühren: die Aufrüstung. Im Gegenteil, mit dem 100-Milliarden-Sondervermögen werden wissentlich extreme Klimaschäden in Kauf genommen, wobei das anscheinend ja angefochtene 1,5 Grad-Limit vergessen werden kann. Das Deutsche Militär hat bereits im Jahr 2019, vor der extremen Aufrüstung, ca. 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ausgestoßen, und damit wesentlich mehr als der innerdeutsche Flugverkehr mit 2,5 Millionen Tonnen. Die einmalige Tankfüllung eines einzelnen F-35-Kampflugzeug produziert circa 28 Tonnen CO2-Äquivalent, wobei der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland 11,2 Tonne pro Jahr beträgt.
Die FDP steht sogar dem unzureichenden Klimaprogramm der SPD und der Grünen im Weg. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) plant den Ausbau von Autobahnen, will mehr in E-Autos investieren und lehnt das Tempolimit ab, was alles für die Umwelt katastrophal ist und das anstatt die Öffis auszubauen und kostenlosen Zugang für alle zu gewähren. Und dann strebt die FDP die Klimaneutralität auch noch erst gegen 2050, entgegen deutlich dringlicher Forderungen der Wissenschaft (spätestens 2038 laut Sachverständigenrat für Umweltfragen) an.
Statt Klimaschutz will die FDP Aufrüstung, fördert privatwirtschaftliche Raumfahrt, den Ausbau von Autobahnen und E-Autos und sträubt sich gegen ein Tempolimit. Dass die FDP alles andere als Klimaschutz im Sinn hat, ist also wirklich nicht schwer zu erkennen.
FDP und Cannabis
In ihrer Ansprache an die Erstwähler:innen darf das Thema der Cannabis-Legalisierung, das viele junge Menschen anspricht, natürlich nicht fehlen. Dabei wird bereits in den wenigen Sätzen, die sie zur Thematik schreiben deutlich, dass es nicht so sehr um ein Ende der Kriminalisierung, die zu Schwarzmarkt, verunreinigten Drogen und Verfolgung durch die Justiz führt, geht, sondern insbesondere um eine „potentielle Einnahmequelle für das Gemeinwohl geht“. Es geht also vielmehr darum, den riesigen Markt an Cannabinoiden durch die Umleitung durch eine „kontrollierte Abgabe“ in lizenzierten Geschäften profitabel für die Steuereinnahmen zu machen.
Weder hier noch im Koalitionsvertrag der Ampel auf Bundesebene wird bezüglich der Entkriminalisierung über die ganzen strafrechtlichen Folgen der bisherigen Drogenpolitik gesprochen. Weder über die tausenden Verfahren, die aktuell gegen Konsument:innen laufen, noch über entsprechende bereits bestehende Urteile, die drastische Folgen für Betroffene haben können, noch über die Frage der Polizeirepression, die besonders rassifizierte Menschen mit dem Argument eines potentiellen Drogenbesitzes trifft.
FDP: eine Partei für Bonzen, nicht für die Jugend
Weder in Sachen Bildung und Universitäten, noch in Sachen Arbeit für die Jugend und erst recht nicht in Sachen Klima stellt die FDP eine Alternative für uns dar, auch wenn sie sich oftmals (ziemlich erfolgreich) als Partei der ehrgeizigen Jugend, der Digitalisierung und der Innovation darstellen.
Die Politik und das Programm der FDP steht, wenn man hinter die verlockenden Wahlparolen schaut, im direkten Widerspruch zu den Interessen eines Großteils der Jugend, nämlich denen die ein wirkliches Interesse an Fortschritten in Bildung, Innovation, Arbeitsbedingungen, Drogen- und Klimapolitik haben, und kein Interesse daran haben eine Partei zu wählen die Politik im Interesse der Automobil-, Finanz- und Immobilienkonzerne macht.
Natürlich ist auch der Frust gegenüber den konservativen Regierungsparteien der CSU und der Freien Wähler verständlich, aber es ist eine Illusion zu denken, dass eine Stimme für die FDP im Interesse der Jugend, der Bildung oder des Klimas sei. Das gleiche gilt für die Grünen und die Linkspartei, die in zahlreichen Regierungskonstellationen gezeigt haben, dass auch sie letztlich nicht in unserem Interesse handeln. Dass die Wahl einer dieser Parteien für den Bayerischen Landtag keine alternative Stimme gegen die rechten, konservativen Parteien ist, wird darin deutlich, dass die FDP nicht vor einer Zusammenarbeit mit der AfD zurückschreckt, für die beispielsweise Thomas Kemmerich, FDP-Chef in Thüringen steht: „Wir brauchen politische Ideen aus der Mitte und wenn die dann eine Mehrheit finden trotz oder mit der AfD, dann ist die Mehrheit halt da.“
Hoffnung auf eine oppositionelle Politik im Sinne der Jugend, können wir aus den großen antirassistischen und Klimabewegungen der letzten Jahre ziehen, aber auch aus dem Anstieg an Arbeitskämpfen für bessere Löhne und gegen die Kürzungen. Und auch aus der Verbindung dieser Kämpfe zu Thematiken wie den Folgen der Kürzungen für beispielsweise Gesundheit oder Bildung, wie bei den Streiks an Berliner Schulen.
Unabhängig von den bürgerlichen Parteien, die uns nicht vertreten können und wollen, wollen wir als junge Menschen an den Hochschulen, als Studierende und Beschäftigte gemeinsam für eine Perspektive der sozialen Bewegungen kämpfen, die in den aktuellen Arbeitskämpfen und Bewegungen die Möglichkeit der politischen Veränderung sieht.
Deshalb sind wir zum Beispiel aktiv bei TVStud um die strukturelle Prekarität der Lehre und der Forschung an unseren Hochschulen abzuschaffen. Dabei geht es uns nicht nur um den Kampf für einen Tarifvertrag, sondern auch um den Kampf für die Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz, Verbot von Outsourcing im Öffentlichen Dienst, die vollständige Ausfinanzierung aller Bereiche des Hochschulbetriebs und einen vollen Inflationsausgleich.
Komm und organisier dich mit uns bundesweit in unserer marxistischen Hochschulgruppe Waffen der Kritik, um wirklich für uns Studierende und junge Menschen zu kämpfen!