Längster Streik seit 50 Jahren im Rostocker Nahverkehr

25.01.2018, Lesezeit 3 Min.
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Gestern morgen um 03:00 Uhr sammelten sich die Kolleg*innen der Rostocker Straßenbahn AG (RSAG) vor dem Werkstor des Straßenbahndepots. Bis um acht Uhr wurde gestreikt, die Stimmung war kämpferisch.

Zum Dienstbeginn um 03:00 Uhr früh war noch nicht viel los auf Rostocks Straßen, erst nach und nach fuhren mehr Autos am Streikposten vorbei. Dieser stand vor dem Straßenbahndepot, welches sich an einer wichtigen Hauptverkehrsachse befindet. Manche Autofahrer*innen hupten aus Solidarität, aber es gab auch aggressive Pöbeleien.

Angesichts des schlechten Wetters und weil erst sehr kurzfristig über den Streik informiert wurde, hatten einige Streikende Sorge um die Schulkinder, die nun vergebens auf ihren Bus oder ihre Bahn warteten. Viele Streikenden hatten selbst erst kurz vorher vom Streik erfahren. Manche argumentierten, dass der Streik wirkungsvoll sein müsse. Mitleid gab es trotzdem von den Streikenden.

Insgesamt versammelten sich 35 Kolleg*innen vor dem Werkstor, weitere 50 Streikende standen am Busdepot in Schmarl. Auch das Kundencenter im Stadtteil Lütten Klein musste aufgrund des Streiks schließen. Zudem fuhr kein einziger Bus und keine einzige Straßenbahn von 03:00 Uhr bis 08:00 Uhr, also so lange, wie der Warnstreik angekündigt war. Laut den Streikenden konnte der Fahrplan erst um 15:00 Uhr wieder regulär befahren werden. Die RSAG warnte ihre Kund*innen, dass bis in den späten Vormittag streikbedingt mit Behinderungen zu rechnen sei.

Während des Streiks sprachen die Kolleg*innen immer wieder über die Möglichkeit, dass doch noch eine Bahn das Depot verlassen würde. Diese hätten sie passieren lassen müssen, aber die Streikenden standen um 03:00 Uhr bereits auf den Gleisen und hatten wenig Muße, im Fall der Fälle, den Weg frei zu machen.

Auch gab es Spekulationen über die Anzahl der Streikbrecher*innen, die Drinnen auf ihren Einsatz warteten. Es gab die Vermutung, dass bei 14 Fahrer*innen, die dem Streikaufruf nicht folgten, die RSAG versuchen würde, die Linie 1 zu befahren. So viele braucht es, um den Betrieb der Linie im 10-Minuten-Takt zu bewerkstelligen. Laut einer Streikenden wolle die Geschäftsführung die Lage nicht weiter eskalieren und ließ deswegen die Bahnen lieber im Depot, auch weil der Nutzen zweifelhaft gewesen wäre, nur die Linie 1 zu befahren. Auch hätte niemand der*die Erste sein wollen, der*die seine*ihre Kolleg*innen verrät.

Eine Straßenbahnfahrerin, die seit fast 50 Jahren für das kommunale Nahverkehrsunternehmen durch Rostock fährt, bezeichnete den Warnstreik als den „ersten richtigen Streik“. In den letzten 50 Jahren sei noch nie so lange gestreikt worden. In den letzten zehn Jahren gab es einen einstündigen Warnstreik im laufenden Betrieb und einen weiteren Warnstreik, der aber deutlich kürzer ausfiel als der gestrige.

Ein jüngerer Kollege brüskierte sich über die wenigen Streiktage beispielsweise bei der Münchner Verkehrsgesellschaft, wo die gestiegenen Mieten und Lebenshaltungskosten eine immer größere Belastung darstellen. Laut ihm müssten die Kolleg*innen noch viel öfter streiken, als bei der letzten Tarifrunde.

Was den Streikenden auch sauer aufstieß, war das prozentuale Angebot der RSAG-Geschäftsführung. Dadurch würden die bevorteilt, die eh schon mehr verdienen. Stattdessen forderten sie gleiches Geld für alle, denn während ver.di 180 Euro mehr Lohn fordert, bestand das bisherige Angebot der kommunalen Verkehrsunternehmen aus 2,2 Prozent mehr Lohn für 2018 und 2,5 Prozent ab dem 1. Januar 2019.

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