Kurz vor der EM verschärfen sich die Streiks
In zehn Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Währenddessen gehen die Streiks in den Raffinerien und Atomkraftwerken weiter. Neue Sektoren im Transportsektor gehen ebenfalls in den unbefristeten Streik. Die Bewegung gegen die Arbeitsmarktreform steht vor einer entscheidenden Woche.
Vom jährlichen Treffen der G7-Regierungschefs in Japan sendete der französische Präsident eine klare Nachricht an seine rebellierende Bevölkerung. Er werde nicht zulassen, dass „die Proteste die Wirtschaft ersticken.“ Denn „jetzt ist nicht der Moment, um die französische Wirtschaft in Probleme zu bringen.“
Hollande hat allen Grund zur Sorge. In der vergangenen Woche radikalisierte sich die Bewegung gegen die unbeliebte Arbeitsmarktreform mit dem Streik der Raffineriearbeiter*innen und der Beschäftigten der Atomkraftwerke. Zwei Drittel der Tankstellen haben Probleme bei der Versorgung und die Regierung beschloss, die Notreserven anzugehen. Am Streik am 26. Mai beteiligten sich Arbeiter*innen von Peugeot in Mulhouse, Amazon und dem U-Bootsbauer DCNS und viele andere.
Während es in den ersten Monaten vor allen Schüler*innen und Studierende waren, die durch Massendemonstrationen und Platzbesetzungen an der Spitze der Bewegung standen, hat jetzt die Arbeiter*innenklasse mit Streiks und Blockaden den Staffelstab übernommen. Am Montag stimmten auch die Arbeiter*innen von Air France für den unbefristeten Streik. Sieben der acht Raffineriewerke werden weiterhin bestreikt.
Le Havre ist die Streikhauptstadt. Die Raffineriearbeiter*innen werden von den Hafenarbeiter*innen (die Maritime Industriezone von Le Havre ist der drittgrößte Ölhafen Europas) und weiteren Sektoren wie den Busfahrer*innen unterstützt. Dazu kam am Dienstag der unbefristete Streik des landesweiten Schienenverkehrs SNCF und am Donnerstag der öffentliche Nahverkehr von Paris. Die größte Müllverbrennungsanlage Europas vor Paris wird ebenfalls mit Blockaden stillgelegt und auch die Hafenarbeiter*innen von ganz Frankreich werden streiken.
Immer mehr Sektoren der Arbeiter*innenbewegung reihen sich ein in die Streiks gegen die Hollande/Valls-Regierung. Diese hat durch die Verwendung des undemokratischen Dekrets 49.3, mit der sie die Diskussion im Parlament verhinderte, und die kontinuierliche Repression der Proteste den Widerstand gegen die Reform nicht geschwächt, sondern nur noch angestachelt.
Diese Bewegung steht gegen eine Regierung, die sich als „links“ bezeichnet und drückt damit den Bruch der sozialen Basis der PS mit der Regierung und ihrer repressiven und arbeiter*innenfeindlichen Politik aus. Trotz der großen Einschnitte, die der Benzinmangel und die anderen Kampfmaßnahmen für die Bevölkerung bedeuten, ist die Unterstützung für die Bewegung ungebrochen.
Bisher erhebt die Gewerkschaftsführung der CGT keine Forderungen, die eine aktive Beteiligung breiterer Sektoren der arbeitenden Massen wie den prekär Beschäftigten und den Bewohner*innen der Banlieues ermöglichen würden. Sie wollen die Schwäche der Regierung und die anstehende Europameisterschaft dazu ausnutzen, dass Hollande/Valls weitere Zugeständnisse bei der Reform machen.
Die Arbeiter*innen auf den Streikposten genauso wie die Jugendlichen von Nui Debout hingegen wollen nicht nur eine vollständige Rücknahme des Gesetzes, sondern auch gegen die Prekarisierung, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitslosigkeit kämpfen. Die Stimmung in der Arbeiter*innenbewegung weist immer mehr in Richtung Generalstreik. Doch dazu müssen aus den Vollversammlungen und Streikposten Organe der Selbstverwaltung werden, um den Gewerkschaftsbossen die Kontrolle über die Streikbewegung zu entreißen.
Die Kämpfe der französischen Arbeiter*innen und Jugendlichen, ihr aufopferungsvoller Widerstand gegen die brutale Repression und die neoliberale Reform könnten eine neue Phase des Klassenkampfes eröffnen. Deshalb ist es von zentraler Notwendigkeit, die Bewegung mit internationaler Solidarität zu stärken.