Kundgebung in München: „Ein Vorbild gegen alle Kreißsaal-Schließungen“
Die Kolleg:innen des Neuperlacher Klinikums haben über 23.000 Unterschriften für den Erhalt ihrer geburtshilflichen Abteilung gesammelt. Am Freitag übergaben sie diese bei einer Kundgebung dem Stadtrat.
Am 5. Mai, dem internationalen Hebammentag, versammelten sich circa 120 Menschen am Odeonsplatz, um solidarisch bei der Petitionsübergabe zum Erhalt der Geburtshilfe in Neuperlach zu unterstützen.
Darunter waren etwa 20 Kolleginnen aus dem Kreißsaal und der Wochenbettstation, zudem Vertreter:innen des bayrischen Hebammenlandesverbands, der Verdi-Frauen, Mother-Hood e.V, viele Hebammenstudent:innen der KSH München und Vertreter:innen des Münchner Stadtrats der Grünen, SPD und Linkspartei. Als Klasse Gegen Klasse waren wir mit der Hochschulgruppe Waffen der Kritik und Brot und Rosen vor Ort.
Durch diese große öffentliche Unterstützung und den Einsatz des Solidaritätskomitees konnten bis zur heutigen Petitionsübergabe über 23.000 Unterschriften gesammelt werden. Die Stadtratsfraktionen von SPD und Grünen hatten im Januar angekündigt, die geburtshilfliche Abteilung in Neuperlach bis mindestens 2028 zu erhalten.
Dies ist ein großer Erfolg angesichts des Stadtratsbeschlusses von 2015, der die Zusammenlegung der geburtshilflichen Abteilungen von Harlaching und Neuperlach plante. Doch ist es erst der Anfang des Kampfes. Denn noch ist der Beschluss nicht offiziell, der Stadtrat will noch die Bedarfsprüfung des Gesundheitsreferats abwarten. Zudem braucht es einen fristlosen Erhalt – damit muss sich der Kampf auch gegen die Sparpolitik im Gesundheitssystem stellen.
Die Kolleg:innen der Geburtshilfe betonen die Wichtigkeit ihres Kreißsaales. Vor allem wegen des starken Bevölkerungswachstums des Stadtteils Neuperlach und auch angrenzenden Stadtteilen ist eine wohnortnahe Versorgung für Frauen und Gebärende um die Geburt essentiell. Sie berichten von ihrer Kampferfahrung und der Selbstorganisierung im Betrieb, die es möglich gemacht hat, als Team Erfahrungen im Arbeitskampf zu machen und die Schließung vorerst zurückzudrängen.
Ebenfalls solidarisierte sich unter den Redner:innen unter anderem auch eine Gebärende, die über ihre positive Erfahrung im Neuperlacher Kreißsaal berichtete. Durch die professionelle Begleitung des Teams und den nicht existierenden Personalmangel, konnte bei ihr eine 1:1 Betreuung gewährleistet werden. In diesem Kreißsaal ist ein guter Betreuungsschlüssel häufig umsetzbar, was Geburten sicherer und schöner mache.
SPD: Schulen bauen oder Kreißsaal erhalten
Anne Hübner, Fraktionsvorsitzende der SPD, appelliert in ihrer Rede an die Kolleginnen: „Ihr werdet noch kämpfen müssen“. Dies ist mehr eine Warnung als eine Aufforderung. Denn der Erhalt der Geburtshilfe in Neuperlach bis 2028 bleibt weiterhin ein bloßes Versprechen und ist noch nicht Teil eines bindenden Stadtradtbeschlusses. Hübner sagte, dass die „Rahmenbedingungen“ es unfassbar schwierig machen würden, alle Standorte zu erhalten, die auch an der mangelnden Finanzierung des Gesundheitswesens leiden. Das Geld sei einfach knapp, denn es brauche ja ebenfalls Geld für die Schulen, Wohnungen und den Ausbau der U-Bahn.
In ihrer Rede erwähnte Hübner jedoch nicht, dass ihre eigene Partei in der Bundesregierung mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro und zukünftig 70 Milliarden Euro jährlich die deutsche Bundeswehr finanziert, während Finanzminister Lindner bereits Sparmaßnahmen von 20 Milliarden Euro bei Familien, Arbeit und Sozialem ankündigt.
Hübner beließ es dabei, den Beschäftigten Hoffnungen auf die geplante Krankenhausreform von Lauterbach zu machen, die angeblich Einrichtungen wie die Neuperlacher Geburtsstation vor der Zentralisierungspolitik schützen solle. Doch ein Ende von Sparmaßnahmen ist weiterhin nicht abzusehen. Denn das DRG-System und das profitorientierte Gesundheitssystem stehen nicht in Frage, was zu weiteren Kreißsaalschließungen oder Standortzusammenlegungen führen könnte.
In seiner Rede für Klasse Gegen Klasse kritisierte Liam, Soziologie-Student und Mitglied des Solidaritätskomitees, den Verweis Hübners auf sogenannte „Rahmenbedingungen“. Letztlich sei dies nur ein loses Wort hinter den politischen Prioritäten stünden: „Wollen wir eine Zukunft für die Kinder, in der an den sozialen Berufen gespart wird und eine Militarisierung in der Gesellschaft stattfindet? Oder wollen wir die Prioritäten auf die sozialen Bereiche setzen?“
Zudem ging Liam auf die Aussage Hübners ein, die eine bessere Kommunikation mit den Beschäftigten der München Klinik ankündigte. Denn aktuell besteht die Sprache der Geschäftsführung darin, Kolleginnen einzuschüchtern, mit der Abmahnung gegen die Kollegin Leonie. Die SPD sollte ihren Worten von „guter Kommunikation“ Taten folgen lassen und sich mit ihren Mitgliedern im Aufsichtsrat für die Rücknahme der Abmahnung einsetzen.
Gemeinsam organisieren lohnt sich!
Die Kundgebung am Freitag und die damit verbundene Petitionsübergabe war ein weiterer Höhepunkt des Kampfes, der durch den Rückhalt und die Unterstützung des Solidaritätskomitees an Stärke gewonnen hat. Es ist nun notwendig, in eine neue Phase des Kampfes zu gehen und den öffentlichen Fokus weiter auf das Thema zu lenken. Die Unterstützung von ver.di wird in den kommenden Monaten entscheidend sein, ob anfängliche Erfolge ausgebaut werden können.
Wichtig war dementsprechend auch die Teilnahme der ver.di Frauen an der Kundgebung, deren Rednerin auch auf das Potenzial von Streiks hinwies. Zuletzt hatten sich 500.000 Menschen an den Streiks im öffentlichen Dienst beteiligt, darunter auch einige Hebammen aus Neuperlach. Wenn die Kolleginnen es schaffen, die Münchner ver.di-Führung dazu zu bewegen, sich mit voller Kraft für den Erhalt des Kreißsaals und gegen die Umstrukturierungen an der München Klinik einzusetzen, können weitere Erfolge erzielt werden. Hierfür gilt es auch, Kolleg:innen aus anderen Stationen einzubeziehen und gemeinsam gegen die Sparpläne aufzutreten.
Auch bundesweit müssen Beschäftigte sich organisieren, um die Sparpläne der Regierung zu stoppen. Mit dem vorgeschlagenen Schlichtungsergebnis will die Gewerkschaftsführung einen schlechten Kompromiss weit unter den Forderungen der Tarifrunde akzeptieren. Bei der aktuellen Mitgliederbefragung gilt es mit Nein zu stimmen und für den Erzwingungsstreik zu kämpfen, um nicht die Krise der Regierung zu bezahlen. Es braucht Mobilisierung, Aktionen und Streiks der Gewerkschaften, um gegen den Personalmangel und die Profitinteressen im Gesundheitssektor vorzugehen und die Sparpläne der Regierung im Gesundheitssektor zu verhindern.
Wir kämpfen weiterhin solidarisch mit den Kolleg:innen der Neuperlacher Geburtshilfe, für den fristlosen Erhalt ihres Kreißsaals und ein Gesundheitssystem, das eine bedürfnis- und nicht profitorientierte Versorgung ermöglicht. Nur so kann medizinische Versorgung nach den Bedürfnissen von Patient:innen und Beschäftigten gestaltet werden.