Kürzungen und Union-Busting: Rede von der „Soziale Arbeit am Limit“-Demo

25.10.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Baki / Klasse Gegen Klasse

Am 21. Oktober fand in Berlin die „Soziale Arbeit am Limit“-Demo vom Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit statt. Über 1.000 Menschen kamen für einen Protest gegen die Kürzungen im Sozialhaushalt und für bessere Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit zusammen. Wir veröffentlichen die Rede der Psychologin Tamarah, die in der Sozialen Arbeit beschäftigt und bei KGK Workers aktiv ist.

Die letzten Jahre ist alles teurer ist geworden, wir alle spüren noch immer die krassen Auswirkungen der Inflation. Auch die die Mietpreise in Berlin sind sind höher denn je. Auf vielen Ebenen leben wir in einer Zeit der Krisen. Aber Krisen haben an sich, dass sie nicht alle gleich hart treffen.

Während in den letzten Jahren große Konzerne Milliarden Gewinne gemacht haben, ist der soziale Sektor massiv unterfinanziert. Während 100 Milliarden in die Aufrüstung investiert werden, werden zentrale Sektoren wie Soziales, Erziehung, Bildung und Gesundheit immer weiter vom Bund kaputtgespart.

Wir, als Arbeiter:innen in diesen Sektoren, sind diejenigen, die tagtäglich sehen, wohin eine solche fehlgeleitete Finanzierung wirklich führt. Die Tafeln, Geflüchteten- und Notunterkünfte sind komplett überfüllt und arbeiten am Limit. Die Wohnsituation in Berlin ist untragbar.

Wir sehen täglich, wie sich die materielle Situation verschlechtert und damit auch die psychische Situation der Menschen, mit denen wir arbeiten. Wir sind es, die die Menschen in Krisensituationen auffangen müssen. Aber wie sollen wir Menschen helfen, sich zu stabilisieren, wenn die materiellen Mittel oft nicht einmal reichen, um sich am Ende des Monats Essen zu kaufen? Nicht selten werden wir als Sozialarbeiter:innen mit einem Gefühl der Ohnmacht und Frustration hinterlassen. Oft können wir nichts weiter tun, als den Menschen, mit denen wir arbeiten, zuzuhören, während das eigentliche Problem eine Manifestation des kapitalistischen Systems ist.

Auch unsere Arbeit findet oft unter prekären Bedingungen statt: Privatisierung, schlechter Lohn, Überstunden, gigantischer Personalmangel, hohe Fluktuation, ausgebrannte und erschöpfte Kolleg:innen. Angesichts der Lage liegt der Pessimismus oft näher als die Perspektive, dagegen zu kämpfen. Dabei ist genau das der Weg, auf dem wir Verbesserungen für uns und die Menschen, mit denen wir arbeiten, erreichen können. Und dass das die Perspektive ist, mit der wir wirklich etwas erreichen können, zeigt sich vor allem darin, welche Steine uns von den Bossen in den Weg gelegt werden, wenn wir versuchen, uns zu organisieren.

Das fängt oft schon beim Umgang mit Arbeiter:innen-Partizipation in Betrieben an. In meinem Träger wird zum Beispiel seit Monaten mehr oder weniger offensichtlich von der Geschäftsführung versucht, die Gründung eines Betriebsrats zu behindern. Beispielsweise wird uns erzählt, dass wir doch alle eine große Familie seien und das Konzept von Betriebsräten veraltet wäre. Uns werden von der Geschäftsführung alternative Partizipationskonzepte vorgeschlagen, die unsere Kampfperspektive massiv einschränken würden. Trotz der vergleichsweisen Subtilität dieser Repressionen, ist es gerade sie, die es uns oft erschwert, sich klar gegen Angriffe von oben zu positionieren.

In anderen Trägern werden Kolleg:innen gekündigt, weil sie auf die Missstände im sozialen Sektor aufmerksam machen. Unsere Genossin und Schulsozialarbeiterin Inés Heider wurde diesen Sommer fristlos gekündigt, weil sie eine Mail über den Verteiler ihres Trägers an ihre Mitarbeiter:innen verschickt hat, in der sie auf die massiven Kürzungen durch den Senat im Sozialhaushalt Neuköllns und auf eine Kundgebung gegen diese aufmerksam gemacht hat. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Sowohl das Behindern einer Betriebsratsgründung, als auch das Kündigen von Kolleg:innen wie Inés, ist Union Busting.

Gegen diese Angriffe wehrt sich Inés gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft GEW und solidarischen Kolleg:innen. Sie geht gerade gerichtlich gegen die fristlose Kündigung durch die Geschäftsführung ihres Trägers vor. Es hat sich ebenfalls ein Solidaritätskomitee gegründet, in dem wir gemeinsam nötige Schritte in der Kampagne gegen ihre Kündigung ausarbeiten.

An Inés‘ Beispiel, aber auch an den zahllosen weiteren kämpferischen Kolleg:innen sehen wir, dass wir eine starke Selbstorganisierung in unserem Sektor brauchen. Wir brauchen kämpferische Gewerkschaften, in denen wir selbst bestimmen können, wie wir streiken, wie lange wir streiken und mit wem wir streiken. Um das zu erreichen, müssen wir uns gegen die Privatisierung der sozialen Träger stellen, wegen der wir Kolleg:innen nicht zu Streiks aufgerufen werden. Wir müssen unsere ökonomischen Forderungen auf politische Forderungen ausweiten und mit einer starken Streikbewegung gegen die Kürzungen im sozialen Sektor kämpfen, da diese uns alle betreffen.

Deshalb organisiert euch, seid solidarisch mit euren Kolleg:innen und kommt zu Ines Solikomitee-Treffen, damit wir gemeinsam diskutieren und voneinander lernen. Folgt gerne @klassegegenklasse und @wirsindines auf Instagram für mehr Infos dazu.

Wenn ihr Repressionen in eurem Betrieb erlebt, schreibt uns, seid laut und erzählt von euren Erfahrungen. Ihr seid nicht alleine. Politisiert euren Betrieb, denn nur gemeinsam können wir kämpfen!

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