Kürzungen in der Bildung: Skandinavistik bundesweit bedroht
Die Auseinandersetzung darum, wer die Kosten der Krise zu zahlen hat, läuft. Für die Politik steht ein Verlierer bereits fest: die öffentliche Hochschulbildung. Besonders kleine Fächer sind bedroht, wie sich in den neuesten Kürzungsplänen in der Skandinavistik zeigt.
“Ene mene muh und raus bist du!” Sparmaßnahmen in der Bildung funktionieren häufig so, und nirgendwo lässt es sich so gut sparen, wie in den Sektoren Bildung, Soziales und Gesundheit.
Das aktuelle Beispiel liefert die drohende Schließung der Skandinavistik in Tübingen und Göttingen. Der Fachverband Skandinavistik hat eine Petition zum Erhalt des Fachs gestartet. Darin schreibt Prof. Hanna Eglinger als Vorsitzende für den Verband:
Die Skandinavistik hat in Deutschland 12 Standorte mit meist nur einer oder zwei Professuren – nun sind zwei Standorte unmittelbar bedroht: Innerhalb eines Jahres sollen zwei Standorte geschlossen werden (Göttingen, Tübingen). Dies würde eine Reduktion der Standorte um rund 20% innerhalb kürzester Zeit bedeuten! Die Skandinavistik gerät in eine Existenzkrise, die fatale Folgen für das Forschungsumfeld, den wissenschaftlichen Nachwuchs und damit generell für das Weiterleben des Faches hat. Fatal ist vor allem, dass zufällig mehrere skandinavistische Professuren gerade jetzt vakant sind, da an den Universitäten landes- und hochschulpolitische Sparmaßnahmen durchgesetzt werden.
Die Petition lenkte die nötige Aufmerksamkeit auf diese Thematik. Innerhalb von kürzester Zeit erreichte sie über 5000 Unterschriften, viele davon auch aus dem Ausland. Auffällig viel Unterstützung kam auch aus Bayern, vor allem aus München. Dieses besondere Interesse kommt allerdings nicht überraschend: Schließlich droht dort mit der geplanten Hochschulreform im großen Stil, was die Skandinavistik heute schon betrifft: Kürzungen in kleinen, für Unternehmen wenig interessante Fächer.
In einer Universität, die wie ein Unternehmen funktionieren soll, ist kein Platz mehr für Fächer, die kein Geld einbringen. Aus dem allgemeinen Unmut über den geplanten neoliberalen Umbau der Hochschulbildung formiert sich in Bayern seit Monaten der Widerstand. Mit der Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften war der Protest von dort ausgegangen, wo die größten Schäden zu befürchten sind. Die Reform betrifft jedoch auch alle weiteren Bereiche der Universität, immer wieder gab es gemeinsame Kundgebungen trotz der schwierigen Situation mit der Online-Uni und der allgemeinen Isolation. Mit dieser Perspektive des gemeinsamen Kampfes aller Hochschulangehörigen hat sich das Münchner Komitee gegen die Hochschulreform gegründet. Der Zusammenschluss von Studierenden und Beschäftigten der Münchner Universitäten sucht darüber hinaus aber auch das Bündnis zu weiteren Kräften in der Gesellschaft, um die Reform zu stoppen, z.B. zu den Beschäftigten im Gesundheitswesen. Dieses Beispiel kann zeigen, dass auch die Verteidigung der Skandinavistik nicht nur ein Anliegen derjenigen sein sollte, die unmittelbar von den Kürzungen betroffen sind. Ein jeder solcher Angriff bedroht die Bildung als öffentliches Gut insgesamt.
Autolobby stützen, Bildung kürzen?
Es ist nicht nur ein handfestes Problem, wenn einem kleinen geisteswissenschaftlichen Fach mit so umfangreichen Kürzungen auf den Leib gerückt wird. Von besonderem Interesse ist, wer diese Kürzungen vorantreibt – schließlich ist Bildung bekanntlich Ländersache. In Baden-Württemberg stellen die Grünen mit Winfried Kretschmann nicht nur den Ministerpräsidenten und bilden mit der CDU dort das Paradebeispiel für die angestrebte schwarz-grüne Koalition im Bund. Auch die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ist Grüne. Beste Beziehungen unterhält die Landesregierung zur lokalen Automobilindustrie. Der Stuttgarter Automobilkonzern Daimler kam mit den staatlichen Subventionen aus dem Kurzarbeitergeld nicht nur bequem durch die Corona-Krise, sondern konnte seinen Aktionär:innen sogar noch satte Dividenden auszahlen. Während in Baden-Württemberg also die Autolobby hofiert wird, setzt die grün geführte Landesregierung der Hochschulbildung mit Sparmaßnahmen zu.
Ein ähnliches Trauerspiel wird in Niedersachsen geboten. Dort ist es die SPD, die mit Stephan Weil den Ministerpräsidenten stellt. Auch hier sollen in Göttingen Kürzungen vorgenommen werden und auch hier konnte mit dem teilstaatlichen VW-Konzern ein Automobilunternehmen derweil kräftige Gewinne einfahren.
Zwei Parteien, die sich selbst für ihre soziale und nachhaltige Politik nah an der Arbeiter:innen- und Student:innenbewegung rühmen und womöglich mit der Partei DIE LINKE eine Bundesregierung anstreben, knicken vor den Lobbyisten der Automobilbranche ein und kürzen stattdessen bei der Bildung. Ihre Politik zeigt: Auch eine grün-rot-rote Koalition im Bund wäre keine Verbündete für die Studierenden und Beschäftigten, die Bildung, Gesundheit und Wohnen als öffentliche Güter verteidigen. Auch hier ist das kleinere Übel immer noch ein Übel.
Wie geht es weiter für die Skandinavistik?
Der Standort Göttingen ist vorerst gesichert und es mag Erleichterung darüber herrschen, aber es gab dennoch eine Sparmaßnahme: Die Juniorprofessur Mediävistik wurde gestrichen. Es ist immer dasselbe Drama: Eine Regierungspartei beschließt im radikalen Stil Sparmaßnahmen im Bildungssektor, eine Empörungswelle erhebt sich und die Politik rudert zurück, unter einer oder mehreren Bedingungen. Erleichterung macht sich breit, weil man glaubt, man hätte gewonnen, aber dennoch hat man verloren. Wer einen Kompromiss macht und Sparmaßnahmen zustimmt, der darf nicht vergessen: Die Regierung nimmt nie den kleinen Finger, sondern immer die ganze Hand – gerne auch stückchenweise.Faule Kompromisse mit der Sparpolitik darf es deshalb in der Bildung ebensowenig wie in der Gesundheit und beim Wohnen nicht geben.