Kündigungswelle an der FU
An der FU Berlin können die Löhne nicht vollständig ausbezahlt werden. Grund ist eine Kündigungswelle in der Verwaltung.
Eine Kündigungswelle in der Verwaltung der Freien Universität Berlin führt dazu, dass seit August 2021 Löhne nicht mehr vollständig ausbezahlt werden. Laut einem Schreiben der technischen Abteilung sei die Personalstelle so unterbesetzt, dass Rufbereitschaftszuschläge nicht abgerechnet werden können. Ein Betriebshandwerker, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ärgert sich im Gespräch mit jW über die monatlichen Lohneinbußen von 250 Euro und mehr. Dazu käme Unmut über Ungleichbehandlungen, weil Betriebshandwerker – obwohl sie die gleichen Tätigkeiten ausüben – an der FU seit 2018 unterschiedlich hoch eingruppiert sind. Anträge auf Stellenbewertungen, die Abhilfe schaffen könnten, würden mangels Ressourcen bei der Abteilung Stellenwirtschaft seit drei Jahren nicht bearbeitet. Einige mussten Klage einreichen, damit ihre Ansprüche nicht verfallen.
Grund für den Engpass in der Verwaltung ist laut Verdi-Betriebsgruppe eine Kündigungswelle. 50 Beschäftigte sollen dort allein in den letzten zwei Jahren die FU verlassen haben. Angestellte beklagten »Bossing« oder bewarben sich weg, weil sie woanders mehr bezahlt bekommen. Das Pikante: Die Unileitung rechtfertigt den Personalmangel mit fehlenden Bewerbungen, gleichzeitig wurden Stellenausschreibungen nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet. Sie waren somit nicht im Jobportal der BA zu finden. Zum Ärger der Beschäftigten will die Unileitung nun die Daueraufgaben an Leiharbeiter vergeben.
Personalmangel ist FU-weit ein Problem. Aus einer Rundmail des Personalrats an Beschäftigte der Veterinärmedizin wurde bekannt, dass er Dienstpläne ablehnen musste, weil die Sicherheit bei der Arbeit mit Großtieren nicht mehr gewährleistet war. Die Universitätsleitung setzte Dienstpläne trotz der Ablehnung des Personalrats in Kraft, worauf sich Ende November 2021 ein schwerer Arbeitsunfall ereignete, als eine Mitarbeiterin in Alleinarbeit bei dem Führen eines Bullen mehrfach angegriffen und erheblich verletzt wurde.
Claudius Naumann, Sprecher der Verdi-Betriebsgruppe, im Gespräch mit jW: »Wegen des chronischen Personalmangels, schlechter Arbeitsbedingungen und nicht selten fragwürdiger Eingruppierung flüchten Beschäftigte, der Rest hat noch mehr Stress und ist überlastet. Die Verantwortung dafür trägt die Leitung der Freien Universität. Uns drängt sich der Verdacht auf, dass Ausgliederungspläne mit einer gezielten Misswirtschaft und einer Absenkung des Personals vorbereitet werden, die Beschäftigte an die Leistungsgrenzen treiben. Outsourcing ist dann der nächste angeblich ›alternativlose‹ Schritt, der teilweise schon jetzt still und heimlich gegangen wird. Wir befürchten einen Abbau von sicheren Beschäftigungsverhältnissen nach TV-L.« Naumann spielt auf einen Beschluss des Kuratoriums vom 13. Dezember an, der die flächendeckende Ausgliederung von wissenschaftsnahen Tätigkeiten ermöglichen soll, dazu gehörten dann auch die Tätigkeiten der Tierpfleger, des Verwaltungspersonals und der Betriebshandwerker. Abschließend soll nun der Berliner Senat in der Sache entscheiden.
Am 9. Februar soll eine außerordentliche Sitzung des Kuratoriums der FU stattfinden, wo der Sachstand zur Causa Bör kritisch erörtert werden soll. Die Unikanzlerin Andrea Bör steht in der Kritik, weil sie am Kuratorium und dem akademischen Senat vorbei Headhunter beauftragt hatte, um für die am 16. Februar stattfindenden Präsidentenwahl an der FU einen Gegenkandidaten zum derzeitigen Amtsinhaber Günter M. Ziegler zu finden, was eine Dienstaufsichtsbeschwerde und ihre Abordnung durch den ehemaligen Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) zur Folge hatte. Ausgerechnet jetzt ließ Bör mitteilen, dass sie sich aufgrund der aktuellen Situation entschlossen habe, bis nach den Wahlen in den Urlaub zu gehen. Die Studierenden der FU zeigten sich unzufrieden über das Coronamanagement der Unileitung und forderten bei ihrer Vollversammlung am 3. Februar mehrheitlich den Rücktritt der Kanzlerin.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Jungen Welt.