Naziumtriebe im KSK: Die Geister, die ich rief
Tausende Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff sind bei den Kommando Spezialkräften (KSK) „verschwunden“. Wegen rechtsextremer Umtriebe steht die Zukunft der Eliteeinheit auf dem Prüfstand. Mit den wachsenden außenpolitischen Bestrebungen Deutschlands vertieft sich eine faschistische Basis in den Sicherheitsapparaten.
Nachdem im Mai ein Waffenversteck eines KSK-Soldaten aufflog und der KSK-Kommandeur Markus Kreitmayer das Verteidigungsministerium vor Rechtsextremismus innerhalb seiner Brigade warnte, veranlasste Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eilig eine Untersuchung.
Nun hat sie Maßnahmen angekündigt: Das KSK wird vorerst aus allen Auslandseinsätzen abgezogen; die 2. Kompanie wird ersatzlos aufgelöst; zudem wird das KSK in der Ausbildung und durch ein Rotationsmodell in das Heer eingegliedert. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das KSK ein abgeschlossenes Eigenleben unabhängig vom Rest der Truppe führt.
Es gibt eine lange Liste von Skandalen beim KSK, wie entwendete Waffen oder das Zeigen von Hitlergrüßen. 2017 wurde das „Hannibal“-Netzwerk des damaligen KSK-Soldaten André S. bekannt, der Chatgruppen mit hunderten Angehörigen von Polizei, Bundeswehr und faschistischen Gruppierungen organisierte, um im Falle eines Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung massenhaft politische Gegner zu töten und die Macht zu übernehmen. Bis heute ist dies weitgehend ohne Konsequenzen geblieben.
Indem Kramp-Karrenbauer das KSK vorerst bis zum 31. Oktober einer Bewährung unterzieht, reagiert die Bundesregierung nun erstmals in größerem Maße auf die Skandale. Es kann ihr nicht gefallen, dass ein Teil der Armee ein Eigenleben führt und sich bereit macht, in Krisensituationen selbst mit gewaltsamen Aktionen loszuschlagen.
Dies stellt einen wichtigen Unterschied Deutschlands zu anderen Ländern da, in denen sich die politische Macht teils auf die Armee stützt, wie in vielen Halbkolonien, oder auch zu den USA, in der US-Präsident Donald Trump gerade während Black-Lives-Matter-Aufstandes die Faschist*innen noch zur Gewalt ermutigt.
Außenpolitische Ambitionen und Faschismus in der Armee
Mit der Sozialpartnerschaft nach Innen und der Westbindung nach Außen hat die BRD jahrzehntelang einen eher pazifistischen Kurs gefahren. Bei ihren Auslandseinsätzen hat die Bundeswehr selten eine militärische Führungsrolle gespielt. So etwa in Afghanistan, wo sie im ruhigeren Norden eingesetzt ist, während sie die Kampfhandlungen im umstritteneren Süden weitgehend den USA und Großbritannien überlassen hat. So auch in Mali, wo das Hauptgewicht der militärischen Anstrengungen auf der französischen Armee lastet.
Eine Ausnahme gegenüber dieser zurückhaltenden Einsatzführung bildet das KSK, das als Eliteeinheit bei verdeckten Operationen mit an vorderster Front kämpft. Diese 1.400 Soldat*innen umfassende Truppe mit ihrem rigiden Korpsgeist zieht allerlei Faschist*innen an, die sich wie im Falle des „Hannibal“-Netzwerks als Speerspitze für künftige innenpolitische Auseinandersetzung wappnen, aber auch zahlreiche Verbindungen in die anderen Sicherheitsapparate pflegen.
Während Kramp-Karrenbauer behauptet, die „überwältigende Mehrheit“ der KSK-Einheiten stünde auf dem Boden des Grundgesetzes, ist die Krise der Truppe doch so tiefgehend, dass sie das KSK vorerst aus dem Ausland abzieht und in das reguläre Heer eingliedert. Gleichzeitig ist sie aber nicht bereit, die Truppe vollständig aufzulösen. Denn sie weiß: Um militärisch handlungsfähig zu sein, braucht der deutsche Imperialismus seine Spezialtruppen. Die Krisensituationen in den deutschen Einflussgebieten in Nordafrika und Westasien sind vor allem durch asymmetrische Kriegsführung mit Terroranschlägen sowie Flucht, Drogen- und Menschenhandel gekennzeichnet, für die schnelle Eingreiftruppen unabdingbar sind.
Kommentatoren wie Peter Carstens von der FAZ betonen entsprechend, dass es nicht darum ginge, das KSK aufzulösen, sondern auf Linie zu bringen: „Das Kommando muss ein verlässliches, hochwertiges strategisches Instrument Deutschlands und seiner Partner in einer Welt voller Bedrohungen und Ungewissheiten sein.“
Der mögliche Abzug der US-Truppen aus Deutschland wird die Notwendigkeit für den deutschen Imperialismus erhöhen, eine eigenständige Rolle in der Welt zu übernehmen und die Westbindung zu lockern. Deutschland, das sich nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg auf eine Rolle als Unterstützungsmacht beschränkte und seine Stärke in der Handels- und Finanzpolitik fand, steht heute mit der Wirtschaftskrise vor neuen Richtungsentscheidungen. Der Höhepunkt des deutschen Wirtschaftsmodells mit der Einführung des Euros ist bereits verblüht, die EU ist in eine schwere Krise getreten, die sie zerreißen kann. Das deutsche Kapital braucht eine Grundlage für eine neue Eigenständigkeit und das kann den Bonner Pazifismus im Inneren und Äußeren erschüttern.
Die Naziumtriebe im KSK sind nur die Geister, die die BRD selbst rief. Man wollte einen selbständigeren, härteren Teil der Bundeswehr haben und bekommt ihn. Dieses Personal setzt sich über den Pazifismus hinweg – im Inneren und im Äußeren. Es ist kein Zufall, dass sich gerade im Sicherheitsapparat so viele Nazis breit machen und dort rekrutieren: Der gewalttägige Arm des Staats entspricht dem Wunsch der Rechten, sich rücksichtslos über die Ordnung zu erheben. Die rechte Tendenz in Militär und Polizei ist somit ein ungewollter Spiegel der stärker protektionistischen und nationalen Politik der BRD selbst. Je nach Zukunft der EU könnten sich perspektivisch, getrieben von einer wachsend instabilen Weltlage, Teile des Bürgertums in Richtung eines militärisch gestützten nationalen Protektionismus orientieren. Die AfD ist heute davon ein Vorbote, eine Gegentendenz zum Merkelismus, der versucht, zwischen den verschiedenen Kapitalfraktionen und den Klasseninteressen einen Ausgleich zu finden. In diesem Sinne versucht Kramp-Karrenbauer, das KSK auf einer verfassungstreuen Linie zu halten – doch es wird nicht möglich sein, den Nazi-Sumpf in den Sicherheitskräften trockenzulegen und gleichzeitig die militärischen Anforderungen zu erhöhen. Neue Skandale sind nur eine Frage der Zeit.