Kreißsaal München: Hebammen fordern Antworten auf drohende Schließung

28.05.2024, Lesezeit 6 Min.
1
Übergabe der Unterschriftenliste. Foto: KGK

Dem Kreißsaal München-Neuperlach droht weiterhin die vorzeitige Schließung trotz gegenteiliger Versprechen von SPD und Grünen. Wir teilen den offenen Brief des Hebammenteams.

Liebe Münchner:innen und Neuperlacher:innen, liebe Gewerkschafter:innen und Kolleg:innen, liebe Politiker:innen (und Geschäftsführung),

wir, die Hebammen, Kranken- und Kinderkrankenschwestern des Klinikum Neuperlach, kämpfen seit Oktober 2022 für den dauerhaften Erhalt unserer geburtshilflichen Abteilung und erhalten weiterhin keine Antworten.

Keine Antwort auf die Frage, ob unser Kreißsaal in einem Jahr schließen wird und wie wir nach der Zusammenlegung mit Harlaching am Standort Harlaching weiterarbeiten können.

Keine Antwort für die Frauen und Familien, die im Münchner Osten mit einer deutlich spürbaren gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgungslücke rechnen müssen.

Mit dieser Zusammenlegung wird ein sehr gut funktionierendes Team, welches sich von Herzen für die Familien einsetzt, gebrochen. Für unsere persönlichen, individuellen Situationen wird sich die grundlegende Lebens- und Arbeitssituation so verändern, dass Kolleginnen, die seit Jahrzehnten mit Empathie und Herzblut eine herausragende Geburtshilfe leisten, diese aufgeben werden. Unser Bestreben, diese gesellschaftlich so relevante und gleichzeitig unterbezahlte Arbeit weiterhin ein Leben lang leisten zu können, findet keinen Rückhalt. Wir haben den Anspruch gleichermaßen für uns als Team und für die von uns betreuten Frauen und Familien ein gesundes und vertrauensvolles Arbeitsumfeld zu gestalten. Aber in der an Wirtschaftlichkeit orientierten Führungspolitik der München Klinik kommt Wertschätzung an dieser Arbeitsweise, durch die sich unser gut funktionierendes Team seit Jahren auszeichnet, nicht zum Tragen.

Deshalb wenden wir uns wiederholt an die Öffentlichkeit, an euch Münchner:innen und euch Kolleg:innen, denn Diskussionen hinter geschlossen Türen bringen offensichtlich nichts.

In den letzten 1,5 Jahren haben wir ehrenamtlich in unserer Freizeit, neben Schichtdienstarbeit, oft noch neben freiberuflicher Arbeit und auch eigenen Familien, sehr viele Gespräche geführt, viel diskutiert und dadurch reichlich Erfahrungen gesammelt.

Unsere Petition führte bisher nicht dazu, dass der Stadtrat oder die Geschäftsführung das umsetzt, was über 23.300 Unterstützer:innen gefordert haben: Den dauerhaften Erhalt unserer geburtshilflichen Abteilung und damit eine weiter bestehende geburtshilfliche Versorgung im Münchner Osten und der östlich gelegenen Landkreise.

Im November 2022 hat die städtische SPD/Volt Fraktion mittels eines Parteitagsbeschlusses für den dauerhaften Erhalt unseres Kreißsaals am Standort Neuperlach gestimmt. Januar 2023 folgte der Fraktionsbeschluss der Grünen/Rosa Liste mit der gleichen inhaltlichen Forderung: Erhalt der geburtshilflichen Abteilung am Standort Neuperlach bis mindestens 2028.

Damit diese Beschlüsse keine leeren Versprechen bleiben, fordern wir, dass sie verbindlich umgesetzt werden und die Parteipolitiker:innen sowohl im Stadtrat als auch im Aufsichtsrat für den Erhalt stimmen.

Im Stadtratsbeschluss von 2018 wurde festgelegt, dass BEVOR die Zusammenlegung am neuen Standort Harlaching erneut diskutiert werden wird, im Jahr 2023 eine Evaluation der geburtshilflichen Situation in der Stadt München stattfinden soll. Die Stadt München hat letztes Jahr unter anderem auch aufgrund unserer Initiative und daraus resultierendem öffentlichen Druck diese Bedarfserhebung durchgeführt.

Leider wird uns diese auch nach mehrmaliger Nachfrage weiterhin nicht zugänglich gemacht, obwohl sie der Geschäftsführung, dem Gesundheitsreferat und damit vermutlich auch bestimmten Politiker:innen schon längst vorliegt.

Da die Bedarfserhebung durch den Stadtratsbeschluss von 2018 relevant ist um weitere Entscheidungen bezüglich Zusammenlegungen zu treffen, fordern wir, dass diese veröffentlicht wird und damit auch in der am 17. Juli 2024 stattfindenden Stadtratssitzung bezüglich der Umstrukturierung der München Klinik berücksichtigt werden kann.

Die Planung der München Klinik zum neuen Standort Harlaching sieht vor, dass dort 4000 Geburten pro Jahr betreut werden können. Harlaching hat momentan 2600 Geburten/Jahr, bei uns in Neuperlach sind es 1300-1400/Jahr. Also deckt die neue geburtshilfliche Station genau die zusammengelegte Kapazität ab. Zusätzlich möchte die München Klink dem prognostizierten Bevölkerungswachstum nachkommen und 1500 Geburten pro Jahr mehr an ihren Standorten Harlaching und Schwabing betreuen können. Allerdings bietet der Neubau in Harlaching für ALLE gynäkologischen und geburtshilflichen Patient:innen insgesamt nur 63 Betten. Bei 4000 Geburten im Jahr braucht alleine der Kreißsaal 50 Betten für die Wochenbettstation. Familienzimmer wären bei solch einer Planung nicht mehr möglich. Bleiben 13 Betten für das komplette Spektrum der Gynäkologie (Brustzentrum, Onkologie, standard-gynäkologische Operationen, gynäkologische Notfälle…) UND die Schwangeren mit einer nicht physiologisch verlaufenden Schwangerschaft, die in einem Level-I-Haus auch stationär versorgt werden müssen (vorzeitige Wehen, Frühgeburtsbestrebungen, Mehrlingsschwangerschaften…).

Unsere Harlachinger Kolleginnen arbeiten aus nachvollziehbaren Gründen freiberuflich im Belegsystem. Durch die geplante Zusammenlegung ist unser Angestelltenverhältnis im Kreißsaal bedroht und 25 erfahrene Hebammen fühlen sich in die geburtshilfliche Selbständigkeit gedrängt. Wir fordern deshalb, dass es im größten Gesundheitsversorger Münchens die Möglichkeit geben muss, weiterhin als angestellte Hebamme eines Kreißsaals in der aktiven Geburtshilfe zu arbeiten. Jede sollte selbst für sich entscheiden dürfen, ob und wie ein Schritt in die Selbständigkeit zur jeweiligen Lebenssituation passt und ein Verzicht auf historisch hart erkämpfte Rechte als Angestellte hingenommen werden kann.

Unseren Familien steht es zu, sich eine interventionsarme Geburt mit der Sicherheit eines Krankenhauses zu wünschen. Wir sind diejenigen, die professionell mit den Frauen und Familien arbeiten und wir wissen -abgesehen von der gebärenden Frau- am besten, was eine gute geburtshilfliche Versorgung bedeutet. Wir fordern Mitbestimmung, um gemeinsam die besten Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen gut und sicher geboren werden kann!

Neben uns betrifft die Umstrukturierung auch andere Abteilungen und somit andere Kolleg:innen und Patient:innen. Wir laden euch herzlich ein, unsere weiteren Aktionen zu unterstützen und uns zur Gesundheitsversorgung in München auszutauschen.

Bei Interesse kontaktieren Sie uns unter team.geburtshilfe.neuperlach@gmx.de und folgen Sie uns auf Instagram @geburtshilfe_neuperlach. Unterstützen Sie uns bei unserer nächsten KUNDGEBUNG am 04.06.2024 ab 08 Uhr 30 auf dem Marienplatz! Wir freuen uns über Ihr Kommen!

Claudia Brandmair, Charlotte Dörnemann, Peggy Fedoroff, Charlotte Gestrich, Carola Köckritz, Leonie Lieb, Sisko Stenzel, Halina von Stietencron, Katharina Wimmer

und das TEAM GEBURTSHILFE der München Klinik Neuperlach

Mehr zum Thema