KPÖ-Erfolg: Ein Vorbild für Kommunist:innen?
Die KPÖ konnte in den letzten Jahren beachtliche Wahlerfolge erzielen. Viele Linke feiern sie als Anknüpfungspunkt für eine massenwirksame antikapitalistische Politik und einen erfolgreichen Kampf gegen Rechts. Können Projekte wie die KPÖ uns tatsächlich dem Kommunismus näherbringen?
Seit ihren sprunghaften Stimmzuwächsen in den letzten Jahren steht die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) im Mittelpunkt vieler Debatten in der deutschsprachigen Linken.
Bei der Salzburger Landtagswahl im letzten Jahr konnte sie ihr Ergebnis um 2.900 Prozent steigern und mit 11,6 Prozent der Stimmen in den Landtag einziehen. Bei den Salzburger Gemeinderatswahlen im März wurde sie sogar zweitstärkste Kraft, knapp hinter der Sozialdemokratischen Partei Österreich (SPÖ). Ihr Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl, der in der Stichwahl zum Bürgermeister seinem sozialdemokratischen Konkurrenten unterlag, regiert die Stadt nun als Vizebürgermeister mit. Diesem beachtlichen Wachstum ging der Erfolg der KPÖ im Bundesland Steiermark voraus, wo sie bereits seit 2005 im Landtag vertreten ist und seit 2021 mit Elke Kahr die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz stellt.
Auffällig sind die großen regionalen Unterschiede, denn in anderen Bundesländern erhält die Partei deutlich weniger Stimmen. Ihr Europawahlergebnis konnte die Partei zwar im Vergleich zu 2019 mehr als verdreifachen, landete aber bei nur drei Prozent. Doch ein Einzug in den Nationalrat, das bundesweite Parlament, erscheint mittlerweile als realistische Option. Während die Partei auf bundespolitischer Ebene jahrzehntelang keine nennenswerte Rolle spielte, könnte sie bei den Wahlen im September laut aktuellen Umfragen die für den Einzug nötigen vier Prozent der Wähler:innenstimmen erlangen.
Angesichts der Tatsache, dass sich linke Parteien in den meisten europäischen Ländern von Niederlage zu Niederlage hangeln, bieten die Erfolge der KPÖ für viele einen Hoffnungsschimmer. Sie bekommt viel Zuspruch aus dem reformistischen Lager; so nennen Politiker:innen der Partei DIE LINKE (PdL) die KPÖ immer wieder als Vorbild. Der neu gewählte Lepiziger LINKEN-Abgeordenete Nam Duy Nguyen orientierte in seinem Wahlkampf stark an dem Modell der KPÖ. Das linksparteinahe Magazin Jacobin titelte enthusiastisch: „Die KPÖ ist das wirksamste Rezept gegen Rechtsextremismus“ und „Die KPÖ zeigt wie man mit Klassenpolitik Stimmen holt“. Doch auch einige marxistische Organisationen werben dafür, die KPÖ zu unterstützen. Die Sozialistische Offensive – österreichische Sektion des in trotzkistischer Tradition stehenden Committee for a Workers‘ International (CWI) – rief dazu auf, Dankl zu wählen, und sieht in der KPÖ die Chance für den Aufbau einer neuen sozialistischen Arbeiter:innenpartei. Die Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt – österreichische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale – rief ebenfalls dazu auf, bei den diesjährigen EU-Wahlen für die KPÖ zu stimmen. Wie konnte es die KPÖ schaffen, in wenigen Jahren von einer weitgehend irrelevanten politischen Kraft zu einer entscheidenden Akteurin auf kommunal-, landes- und (in geringerem Maße) bundespolitischer Ebene und einem Anziehungspunkt für Linke aus verschiedenen Strömungen zu werden? Und ist es für Kommunist:innen tatsächlich ratsam, sich an der Politik der KPÖ zu orientieren oder zu ihrer Unterstützung aufzurufen?
Die KPÖ im 20. Jahrhundert
Die KPÖ entstand 1918 und war eines der Gründungsmitglieder der Dritten Internationale (Komintern), welche als Konsequenz aus dem Zerfall der Zweiten Internationale gegründet wurde. Einige der in dieser organisierten sozialdemokratischen Parteien wie die SPD und die SPÖ unterstützten den Eintritt ihrer Regierungen in den Ersten Weltkrieg und schlugen sich damit auf die Seite der herrschenden Klasse, gegen den Internationalismus der Arbeiter:innenbewegung. Als Reaktion auf diesen Verrat und unter dem Eindruck der erfolgreichen russischen Revolution 1917 brachen zahlreiche Marxist:innen in Europa mit der Sozialdemokratie und gründeten neue kommunistische Parteien.
Mit dem Anspruch, die Weltpartei der sozialistischen Revolution zu sein, spielte die Komintern in ihren ersten Jahren eine immens fortschrittliche Rolle. Aufgrund der durch das Ausbleiben der Revolution in den zentralen europäischen Ländern hervorgerufenen Isolierung der Sowjetunion, kombiniert mit den schlechten ökonomischen Voraussetzungen und Folgen des Bürgerkriegs, entstand dort allerdings eine reaktionäre Bürokratie um Stalin, die den Arbeiter:innenstaat und die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) beherrschte. Diese machte die Komintern zu einem bloßen Werkzeug zur Durchsetzung ihrer außenpolitischen Interessen – Interessen, die oft im direkten Widerspruch zum Ziel der internationalen proletarischen Revolution standen. Sie trug dazu bei, revolutionäre Bewegungen zu ersticken und in Sackgassen zu führen und wurde schließlich, als es opportun war, 1943 von der KPdSU aufgelöst.
Eine der fatalsten Taktiken der stalinisierten Komintern war die Volksfront-Politik, die Bündnisse mit angeblich fortschrittlichen Kapitalfraktionen anstrebte und die Unterordnung der Arbeiter:innenklasse unter die Interessen der Kapitalist:innen bedeutete. Auch die KPÖ passte sich an die Volksfront-Logik und damit an den Imperialismus an. Nach dem Sieg über den Faschismus in Österreich trat sie gemeinsam mit der Christsozialen Partei (Vorgängerin der ÖVP) in eine provisorische Regierung ein. Zweck der Regierung war der Schutz des kapitalistischen Privateigentums und der Aufbau einer parlamentarischen Republik im Interesse der besitzenden Klassen. In den folgenden Jahren blieb die Partei der von Moskau vorgegebenen Linie treu und verlor immer weiter an Mitgliedern und Einfluss. 1959 flog sie aus dem Nationalrat.
Die Abkehr von einer revolutionären, internationalistischen Position zeigte sich erneut mit der Wendung hin zum sogenannten Eurokommunismus. Diese opportunistische Strömung kritisierte die Sowjetunion von rechts, indem sie den westlichen Parlamentarismus zur überlegenen Staatsform erklärte. Ihre Vertreter:innen behaupteten, der Weg zum Kommunismus über bürgerliche, nationale Parlamente sei möglich, und lehnten die revolutionäre Diktatur des Proletariats als notwendiges Übergangsregime vom Kapitalismus zum Kommunismus ab. Einige eurokommunistisch geprägte Parteien wie die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) traten in bürgerliche Regierungen ein, was für die KPÖ aufgrund ihrer geringen Popularität hingegen nie eine Möglichkeit darstelle.
Die von der Bürokratie eingeleitete kapitalistische Restauration in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten versetzte der KPÖ einen weiteren Schlag, teilweise stand die Selbstauflösung der Partei im Raum. 1994 beschloss die KPÖ ein Grundsatzdokument, in dem sie eine Distanzierung vom Stalinismus vornahm. Dies geschah allerdings nicht auf revolutionärer Grundlage, sondern leitete das vollständige Aufgehen in den Reformismus ein.
Die KPÖ heute: nur noch dem Namen nach kommunistisch
In den 2000er Jahren begann die KPÖ, insbesondere in der Steiermark, eine „bürgernahe“ Politik zu fahren. Die alltäglichen Sorgen und Probleme der Menschen, etwa die hohen Miet- und Energiekosten und die Schikanierung bei der Inanspruchnahme von sozialstaatlichen Leistungen, wurden von der Partei aufgegriffen und sie unterstützte die Menschen durch Beratungsangebote und Spenden. So konnte sie in dem Bundesland ihre Popularität erheblich steigern. 2017 fusionierte sie mit der Jugendorganisation der österreichischen Grünen. Diese wurde zur formal unabhängigen Jugendorganisation „Junge Linke“. Seitdem tritt die Partei bei Wahlen unter dem Namen KPÖ+ an, was ihren pluralistischen Charakter und die offene Zusammenarbeit mit anderen linken Strukturen signalisieren soll. Diese Verjüngung der Partei, mit der auch der Salzburger Politiker Kay-Michael Dankl zur KPÖ stieß, trug sicherlich zu ihren Erfolgen bei. Durch die große Enttäuschung über die SPÖ und die Grünen, die in Koalitionen mit der konservativen und zutiefst korrupten ÖVP jede noch so rassistische und neoliberale Maßnahme durchsetzten, und die zunehmende Verarmung entstand besonders in der Jugend ein gewisses politisches Vakuum, welches die KPÖ füllen konnte. Insbesondere die hohen Mieten in Graz und Salzburg, welche die Partei in ihren Wahlkämpfen nahezu monothematisch behandelte, waren für viele Wähler:innen ausschlaggebend. Die Ursachen für die vergangenen Wahlerfolge haben wir bereits im letzten Jahr ausführlicher analysiert.
Klar ist aber, dass die KPÖ eine durch und durch reformistische Partei ist. Das wird bei der Lektüre ihres Programmes, aber insbesondere bei Betrachtung ihrer praktischen Politik deutlich. Sie bekennt sich in ihrem Statut zwar formal zum Ziel einer klassenlosen Gesellschaft, schürt aber zugleich die Illusion, dass diese auf friedlichem Wege durch schrittweise durchgeführte soziale Reformen erreicht werden müsse. Sie stellt den politischen Rahmen des bürgerlichen Staates nicht in Frage, sondern will ihn vielmehr nutzen, um durch linke Regierungsmehrheiten soziale Verbesserungen für die Arbeiter:innen und Armen einzuführen und den Einfluss des Kapitals auf die Politik zu begrenzen. Dass der Staat in einer Klassengesellschaft (deren Existenz die KPÖ formal anerkennt) nie neutral sein kann, sondern immer das Interesse der herrschenden Klasse vertritt, wird also ignoriert.
Die KPÖ rühmt sich damit, „eine der Gründungsparteien der Republik Österreich“ zu sein, was nichts anderes bedeutet, als den politischen Rahmen der kapitalistischen Klassenherrschaft mitgeschaffen zu haben. Natürlich ziehen Kommunist:innen die demokratische Form der faschistischen Herrschaft vor, aber immer mit dem Ziel vor Augen, die Herrschaft des Kapitals und letztendlich die Klassen und den Staat insgesamt aufzuheben. Der Eintritt in eine bürgerliche Regierung ist zu diesem Ziel völlig konträr.
Der reformistische Ansatz der KPÖ offenbart sich etwa bei ihrem Steckenpferd – der Mietenfrage. In ihrem Programm für die Salzburger Landtagswahl, das den bezeichnenden Titel „Anders Wählen“ trägt, stellt sie zwar eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, die die Mietpreise senken und den Wohnungsbestand erhöhen sollen. Dazu zählen der Ankauf von Grundstücken und ein Vorkaufsrecht für Land und Gemeinden sowie die Ausweitung des gesetzlichen Mietschutzes. Die entschädigungslose Enteignung von Wohnungsunternehmen fordert sie allerdings nicht – und manövriert damit um den Kern des Problems herum. Schließlich liegt der Grund für die erdrückenden Mieten im Privateigentum an Wohnraum, das dazu führt, dass das Wohnen den Profitinteressen der Eigentümer:innen unterworfen wird. Zudem obliegt die Umsetzung aller Forderungen dem bürgerlichen Staat, an dessen Regierung die Partei gelangen will. Einen Plan dafür, wie Arbeiter:innen und Arme unabhängig den Kampf gegen die hohen Mieten aufnehmen können, bietet die KPÖ nicht.
Der starke Fokus auf die Lebenshaltungskosten geht auch mit einer auffallend geringen Betonung von Fragen der Unterdrückung einher. In ihrem Programm für die anstehende Nationalratswahl findet sich kaum etwas dazu, wie die KPÖ gegen Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit kämpfen will. Gerade angesichts der zunehmenden rassistischen Hetze und Politik in der Debatte um die Asylrechtsverschärfung in Österreich wäre es die Aufgabe von Kommunist:innen, ein Programm gegen jegliche Abschiebungen und für volle soziale und politische Rechte für Geflüchtete aufzuwerfen. Ebenso besteht in Österreich ein restriktives Abtreibungsrecht und ein großer Mangel an Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Auch zu diesem wichtigen feministischen Thema äußert sich die KPÖ nur spärlich.
Solche „kontroversen“ Themen zu umgehen, mag sich zwar kurzfristig positiv auf den Wahlerfolg auswirken; so sind beispielsweise rassistische Vorurteile auch unter Arbeiter:innen und Armen weit verbreitet. Die Ausklammerung ist jedoch in mindestens zweierlei Hinsicht falsch: Zum einen verwässert sie das Ziel von Kommunist:innen, eine wirklich befreite Gesellschaft ohne jegliche Unterdrückung zu erreichen. Zum anderen nützt sie auch keinesfalls dem Kampf für die ökonomische Emanzipation, denn chauvinistische Ideologien dienen auch als Mittel der herrschenden Klasse, um die Arbeiter:innenklasse zu spalten, ihr politisches Bewusstsein und ihre Kampfkraft zu schwächen. Kommunist:innen müssen daher ein offensives Programm gegen jede Form der Unterdrückung und Spaltung aufstellen und in der ersten Reihe im Kampf gegen diese stehen.
Einen prominenteren Platz im Wahlprogramm nimmt dagegen die Friedensfrage ein. Und tatsächlich positioniert sich die KPÖ mit einer kritischen Haltung gegenüber der NATO und der EU weiter links als andere reformistische Formationen, wie DIE LINKE. Diese passt sich zunehmend an den Imperialismus an und geht in Teilen so weit, neben Waffenlieferungen auch die Auslieferung von in Deutschland lebenden Ukrainern als Kanonenfutter zu fordern. Als Antwort auf die steigenden Tendenzen der Aufrüstung und Kriegsgefahr setzt die KPÖ allerdings auf das „Erfolgsmodell“ der österreichischen Neutralität (Österreich ist kein Mitglied der NATO) und die Stärkung der Vereinten Nationen. Doch die Aufrechterhaltung des außenpolitischen Status quo und das Vertrauen in die bürgerliche Diplomatie, die selbst als Mittel des Imperialismus dient, sind eine Sackgasse. Angesichts der jahrzehntelangen Kolonisierung Palästinas und des laufenden Genozids in Gaza hält die Partei an der reaktionären und utopischen Zwei-Staaten-Lösung fest und vermittelt damit in Richtung des Regimes.
Die Ursache von Krieg und Aufrüstung liegt im imperialistischen System, in dem sich kapitalistische Nationalstaaten als Konkurrenten im Kampf um die Aufteilung der Welt gegenüberstehen und diesen, wenn nötig, mit militärischen Mitteln austragen. Solange diese Grundlage bestehen bleibt, werden die Kriegsgefahr und auch die Aufrüstung nicht verschwinden. Der Diplomatismus, wie ihn die KPÖ vertritt, ist also eine Illusion, die letztlich dazu beiträgt, die Entstehung einer kraftvollen antimilitaristischen Bewegung zu bremsen.
Selbstorganisation oder Stellvertreter:innenpolitik?
Die KPÖ erhebt den Anspruch, eine „Aktivist:innenpartei“ zu sein, und betont in ihrem Wahlprogramm: „Unsere Politik findet nicht nur im Parlament statt.“ Tatsächlich hebt sie sich von den österreichischen Parteien zum einen durch das umfangreiche Angebot von Sprechstunden, Miet-und Sozialberatungen, zum anderen durch die Begrenzung von Abgeordnetengehältern auf einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn ab. Ihre Wahlkämpfe sind geprägt durch zahlreiche Hausturgespräche und eine hohe Präsenz in den Stadtteilen.
Auch wenn Maßnahmen wie die Begrenzung von Abgeordnetengehältern richtig sind, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie letztendlich eine Stellvertreter:innenpolitik betreibt. In Wahlkämpfen und in ihrer alltäglichen Praxis adressiert sie ihre (potenzielle) Basis in erster Linie als Betroffene von unsozialer Politik. Die KPÖ stellt sich als Kraft dar, die sich den Betroffenen zuwendet und ihnen aus der Misere helfen kann. Nicht in dem sie ihnen einen Weg aufzeigt, die systemimmanenten Ursachen für ihre Armut selbst zu bekämpfen, sondern indem sie durch Spenden und Beratungsangebote die bestehenden Verhältnisse etwas erträglicher gestaltet und sich „kümmert“. Auf eine gewisse Weise zeigt sich darin – trotz der vielfachen Distanzierungen – ihr stalinistisches Erbe: Auch im Stalinismus bildeten die Massen eine Manövriermasse unter der – mal mehr, mal weniger – wohlwollenden Obhut der Partei, anstatt ein eigenständiges politisches Subjekt zu werden.
Die Perspektive, die die KPÖ darüber hinaus anbietet, ist es, einfach das Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen und damit die richtige Partei in die Regierungsverantwortung zu hieven, damit diese dort sozialere Politik macht. Wie aussichtslos dieser Weg ist, konnte die Partei selbst unter Beweis stellen: Die KPÖ-geführte Grazer Kommunalregierung legte im vergangene Jahr einen Sparhaushalt vor, der Kürzungen von Reinigungsdiensten, Sozialfonds und Pflegezuschüssen beinhaltete.
An dieser Stelle muss noch einmal festgehalten werden, dass Reformist:innen und Revolutionär:innen nicht einfach alternative Wege zur Erreichung desselben Ziels vorschlagen. Ziel des Reformismus ist es, den bestehenden kapitalistischen Staatsapparat mitzuverwalten und damit die bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie streben zwar eine sozialere Verwaltung mit mehr Zugeständnissen an die Arbeiter:innen und Armen an, diese Zugeständnisse können jedoch immer nur so weit gehen, wie es die ökonomische Lage und das Niveau des Klassenkampfes zulassen und können schnell wieder zurückgenommen werden. Wer sich auf die Verwaltung des kapitalistischen Staatsapparates einlässt, lässt sich auch darauf ein, im Zweifel immer den Interessen des Kapitals Vorrang einzuräumen und, wenn nötig, Sozialkürzungen, Privatisierung, Lohnabbau und Aufrüstung durchzuführen.
Hilft der Reformismus gegen Rechts?
Angesichts des Fehlens einer revolutionären Partei kommen auch Linke, die dem Reformismus kritisch gegenüberstehen, zu dem Schluss, dass eine taktische Unterstützung reformistischer Parteien notwendig sei. In Anbetracht des Aufstiegs rechter Kräfte in ganz Europa kann dieser Druck wachsen. Die extrem rechte Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ) wurde bei den EU-Wahlen stärkste Kraft und führt auch in den Umfragen zur Nationalratswahl mit knapp 30 Prozent.
Die KPÖ sei, in dieser Logik, als am weitesten links stehende Kraft mit größerer Bekanntheit dazu geeignet, den Rechten etwas entgegenzusetzen und eine Verschlimmerung der Lage zu verhindern. Die Vorstellung, KPÖ und FPÖ gleichzusetzen, liegt uns fern. Doch kann der Reformismus „den Rechten das Wasser abgraben“, ihren Aufstieg langfristig stoppen oder sogar umkehren? Die historische Erfahrung zeichnet ein anderes Bild.
So ging der dramatische Aufstieg der AfD in Ostdeutschland mit dem Abstieg der LINKEN einher. Diese Entwicklung ist keinesfalls zufällig oder auf Ostdeutschland begrenzt. Indem die reformistische LINKE die Wut und Enttäuschung über den Ausverkauf des Ostens in parlamentarische Bahnen kanalisierte und ihn daraufhin in zahlreichen Regierungsbeteiligungen selbst mitverwaltete, rief sie eine große Demoralisierung hervor. Während die einzige sichtbare linke Kraft zunehmend als fester Teil des Regimes wahrgenommen wurde, wandten sich große Teile der enttäuschten Massen nach rechts ab oder zogen sich völlig zurück.
Die Wahlerfolge von reformistischen Formationen sind meist temporär, da sie gar nicht anders können, als die Hoffnungen ihrer Unterstützer:innen zu verraten. Die objektiven Spielräume für soziale Verbesserung innerhalb des institutionellen Rahmens, insbesondere in Krisenzeiten, sind stark begrenzt. Das haben unzählige Beispiele wie Syriza, Podemos oder die PdL gezeigt. Nachdem sie in die Regierung eintraten, setzten sie brutale Sparpolitik und Privatisierungen, Abschiebungen und zahlreiche weitere Angriffe auf die Arbeiter:innen und Unterdrückten selbst mit um. Dadurch verloren sie nach anfänglichen Höhenflügen immer mehr an Stimmen und Vertrauen und ebneten den Weg für den Erfolg rechter Parteien. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die KPÖ ein ähnliches Schicksal treffen. Denn wie schon beschrieben, ist die Partei willig, eine verräterische Politik durchzusetzen, um mitregieren zu können.
Zudem vermitteln reformistische Parteien wie die KPÖ mit ihrem Ansatz der Stellvertreter:innenpolitik die Illusion, der Rechtsruck könne an der Wahlurne gestoppt werden. Anstatt ihre Basis zu mobilisieren, verschieben sie den Kampf gegen Rechts auf die institutionelle Ebene. Damit passivieren sie ihre Unterstützer:innen und verhindern, dass eine kämpferische Bewegung entsteht, die die Rechte auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Unis konfrontieren kann.
Dass sich die vom Reformismus enttäuschten Massen in den letzten Jahrzehnten in großer Zahl nach rechts wandten, ist jedoch kein Naturgesetz, sondern liegt auch an der falschen Politik der marxistischen Linken. Diese hatte sich in vielen Fällen tief in reformistische Parteien eingegraben, bis kein nennenswerter Unterschied mehr auszumachen war. Anstatt darauf zu warten, dass sich reformistische Parteien selbst entblößen, oder auf eine etappenartige Linksentwicklung zu hoffen, sollte die marxistische Linke zu jedem Zeitpunkt einen sichtbaren Pol bilden und offen ein revolutionäres Programm vertreten. Anstatt falsche Hoffnungen in Stellvertreter:innenpolitik zu schüren, muss sie die Arbeiter:innen und Unterdrückten von ihrer eigenen Kraft überzeugen und zur Organisierung und Mobilisierung aufrufen: Gegen den Aufstieg der extremen Rechten, aber auch gegen die reaktionäre und unsoziale Regierungspolitik. Wir halten die Wahlwerbung für die KPÖ oder das Engagement in ihren Strukturen für falsch. Anstatt die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, muss die marxistische Linke in Österreich jetzt damit beginnen, eine revolutionäre Alternative zu SPÖ, Grünen und KPÖ aufzubauen.
Was für eine Partei brauchen wir?
Im Gegensatz zum Reformismus vertreten Revolutionär:innen nicht das Ziel, die kapitalistische Ordnung zu „verbessern“; das Ziel ist es, diese zu stürzen. Sie sind getrieben von der Einsicht, dass Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und Umweltzerstörung nur dann endgültig überwunden werden können, wenn ihre Ursachen – das Privateigentum an Produktionsmitteln und seine politischen Agenten, die bürgerlichen Staaten – zerstört werden. An ihre Stelle müssen kollektiv-sozialistische Produktionsverhältnisse mit einer Planwirtschaft sowie die politische Herrschaft der in Räten organisierten Arbeiter:innenklasse, die die Voraussetzung für das Absterben des Staates überhaupt bildet, treten.
Im Gegensatz zu den reformistischen und stalinistischen Verzerrungen, die die Massen entmündigen, streben revolutionäre Kommunist:innen eine Partei an, die die Arbeiter:innen und Unterdrückten zu aktiven Kämpfer:innen erzieht. Sie muss jederzeit die Selbstorganisierung der arbeitenden und unterdrückten Massen vorantreiben, mit der Perspektive, dass diese sich in einem zukünftigen Arbeiter:innenstaat demokratisch selbst regieren. Dies ist notwendig für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, seinen Agent:innen in den Staaten und den reformistischen Bürokratien. Jene Unabhängigkeit ist wiederum Grundvoraussetzung für das Gelingen der sozialistischen Revolution .
Eine kommunistische Partei muss dabei der Ort sein, wo sich die politisch bewusstesten und entschlossensten Teile der Klasse organisieren. Und sie muss in der Lage sein, breite Schichten der Arbeiter:innen, Jugend und Unterdrückten im Kampf anzuführen. Dafür braucht sie ein konsequentes revolutionäres Programm und eine Strategie, welche als Anleitung für den Sturz des Kapitalismus und die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft dienen können. Das Zentrum der Partei darf dabei weder in den Parlamenten noch in Hinterzimmern liegen. Sie muss sich in allen praktischen Kämpfen, in Streiks, Blockaden und Versammlungen, in antiimperialistischen, antirassistischen und feministischen Bewegungen verankern und die Richtigkeit ihrer Strategie unter Beweis stellen. Ihre Aufgabe ist es, diese Kämpfe zuzuspitzen, zusammenzuführen und anzuleiten, damit sich eine Bewegung entwickeln kann, die tatsächlich in der Lage ist, die Macht von Staat und Kapital zu konfrontieren und ihnen ihre eigenen Organe entgegenzusetzen. Sie kann nicht allein innerhalb staatlicher Grenzen bestehen, sondern muss eine internationale Strategie verfolgen und sich international organisieren.
Zum Weiterlesen:
Einheitsfront statt Anpassung
Wie sollten sich Kommunist:innen also zu Parteien wie der KPÖ verhalten? Ein klarer Bruch mit dem Reformismus ist notwendig, darf aber nicht in einer sektiererischen Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit reformistischen Formationen münden. Anstatt die reformistischen Führungen zu ignorieren, müssen revolutionäre Linke sie immer wieder herausfordern, denn auch in reformistischen Organisationen finden sich viele ehrliche Kämpfer:innen, die für eine revolutionäre Organisierung gewonnen werden können und müssen.
Dafür ist die Taktik der Einheitsfront, also der Aufruf von revolutionären Organisationen an große, reformistische Arbeiter:innenorganisationen, gemeinsam für konkrete Forderungen zu kämpfen, esentiell. Diese erfüllt sowohl die Funktion, in Tages- und Abwehrkämpfen die notwendige Einheit der Arbeiter:innenklasse herzustellen, als auch die Unzulänglichkeit des Reformismus vor seiner Basis zu entlarven. Der gemeinsame Kampf wird von den reformistischen Führungen meist nicht gewollt, sodass er ihnen aufgezwungen werden muss. Der Aufstieg der KPÖ unterscheidet sich von den Aufstiegen anderer reformistischer Organisationen, wie Podemos oder Syriza. Er ist deutlich weniger Resultat des Aufschwungs von Protestbewegungen und Klassenkampfphänomenen. Nichtsdestotrotz gibt es in Österreich immer wieder Mobilisierungen gegen Rechts und in den vergangenen Jahren auch eine verstärkte Streikbewegung.
Das Ziel muss sein, die KPÖ in Einheitsfronten zu zwingen, etwa bei Mobilisierungen gegen Rechts, gegen soziale Angriffe und in gewerkschaftlichen Kämpfen, wo sie teilweise in der Gewerkschaftsführung verankert ist. Das Ziel solcher gemeinsamer Aktionen darf es aber nicht sein, die reformistische Führung zu stärken; stattdessen gilt es, ihre Basis von ihr zu trennen und eine alternative, revolutionäre Führung aufzuzeigen. Daher ist die unbedingte organisatorische und programmatische Unabhängigkeit zentral, um zur Schaffung einer revolutionären Partei voranzuschreiten.