Kopf hoch, Sommerinterviews sind nur einmal im Jahr

29.07.2024, Lesezeit 5 Min.
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Das Bahnangebot soll reduziert werden, der Verteidigungsetat steigen und andere absurde klassenfeindliche Ideen umgesetzt werden – die schlimmsten Aufreger aus Merz’ Sommerinterview.

Friedrich Merz’ diesjähriges Sommerinterview ist eine Parade der Unverschämtheit und Heuchelei eines Mannes, der unbedingt Kanzler werden will. Merz steht exemplarisch für eine Politik, die auf Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse basiert und Kürzungen und Sparpläne am falschen Ende vorantreibt.

Jetzt sucht die Union nach neuen Wegen, um ihre Macht zu sichern und die Interessen des Kapitals zu wahren. Mit wem, Grünen oder SPD, scheint ihnen egal zu sein. Auch ein Bündnis mit Wagenknechts BSW wird dabei nicht ausgeschlossen – Hauptsache wieder regieren. Aber ihr angeblicher Kampf gegen Rechts, wie es uns die CDU bei den Brandmauer-Demos weismachen wollte, wird wohl recht schnell über Bord geworfen. Das wird klar, wenn man sich ihre eigene Politik anschaut oder sie mit Wagenknecht und ihrer Folgschaft – die zwar wohlgemerkt noch nicht an die rechtskonservative Union heranreichen, aber gerne auch mal die ein oder anderen rechtspopulistischen Kommentare bringen – in Ostdeutschland koalieren will, um die eigene Macht zu sichern. 

Die Bahn muss ihr Angebot reduzieren 

In seinem Zynismus über die Kürzungen des Bahnangebots fordert Merz statt dem Ausbau und der Modernisierung des öffentlichen Verkehrs eine Reduktion des Bahnangebots. Die Arbeiter:innen sollen in überfüllten Zügen verrecken, damit öffentliche Dienste privatwirtschaftlich genutzt werden können und auf dem Rücken der Allgemeinheit gespart werden kann. Das sind wohl akzeptable Kollateralschäden, solange die Profite aus dem maroden System gesichert sind – aber die Reichen fliegen eh lieber mit Privatjets.

[Wir müssen das familiäre] Umfeld stärken, dass auch die Bereitschaft besteht, ältere Menschen in der Familie zu Hause lange zu pflegen, [das] ist eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Pflegeversicherung auf Dauer leistungsfähig bleibt.

Aber auch die Renten- und Versicherungspolitik wird von elitärer Arroganz nicht verschont: Merz will das Rentensystem “reformieren” – für ihn ein Codewort für Rentenkürzungen und die Förderung privater Vorsorge, um die Versicherungsunternehmen zu bereichern. Er spricht von der Stärkung des familiären Umfelds, um ältere Menschen Zuhause zu pflegen, damit die Pflegeversicherung auf Dauer „leistungsfähig“ bleibe – also um die Pflege auf die Familie abzuwälzen, um Staat und Versicherungskonzerne zu entlasten. Dabei werden meist Frauen zusätzlich zur Lohnarbeit in die Rolle der unbezahlten Pflegekräfte gedrängt und doppelt ausgebeutet. 

Noch dreister ist jedoch seine Aussage zur Krankenversicherung: „Wenn ihr euch gesund ernährt, wenn ihr euch gesund verhaltet, dann gibt es einen Bonus, auch von der Krankenversicherung.“ Die wahren Ursachen wie gesundheitliche Probleme, Arbeitsstress, Umweltverschmutzung usw. werden gekonnt ignoriert und stattdessen auf Eigenverantwortung durch Maßnahmen, die man sich leisten können muss, gesetzt. Typisch, und mal wieder nichts weiter als ein Angriff auf soziale Sicherungssysteme.

Wir brauchen im laufenden Etat des Bundeshaushalts der BRD höhere Ausgaben für unsere Verteidigung und das kann man nicht immer nur mit Sondervermögen machen.

Und wäre das noch nicht genug, lässt Merz natürlich auch die Forderung nach einer permanenten Erhöhung des Verteidigungsetats nicht aus, weil die 100 Milliarden Sondervermögen ihm nicht reichen. Während das Bildungs- und Gesundheitssystem marode gespart wird, soll die Rüstungsindustrie vollgestopft werden. Dabei sollen die Arbeiter:innen die Waffen finanzieren, die letztlich gegen sie selbst gerichtet werden. Merz’ völlig entfremdete Prioritäten sind klar: Profite für die Rüstungsindustrie statt Investitionen in Ressourcen, die die Lebensbedingungen der Menschen wirklich verbessern würden.

Aber was wäre ein CDU-Sommerinterview ohne Hetze gegen Bürgergeldempfänger:innen: „Die Bundesregierung meint, alles andere so weitermachen zu können und naja, ich sag Ihnen mal ganz konkret: Die Ausgaben für das Bürgergeld explodieren, auch deshalb muss für 2024 schon ein Nachtragshaushalt gemacht werden, mit noch höherer Verschuldung“. Dabei will Merz mit seiner Sündenbock-Logik nichts mehr als bewusst Ressentiments schüren und die zunehmende soziale Ungleichheit und den Abbau des Sozialstaats vertuschen, die genau die Politik sind, die Merz und die CDU seit Jahrzehnten betreiben.

Merz und seine Partei stehen für eine Politik, die die Profite der Reichen über das Wohl der Arbeiter:innen stellt und die sozialen Sicherungssysteme systematisch demontiert. Merz’ antisoziale Rhetorik im Sinne des deutschen Finanzkapitals ist nur schwer zu ertragen und seine Forderungen im Sommerinterview sind nicht nur unverschämt, sondern verschärfen die bestehende soziale Ungleichheit nur noch mehr. Auch wenn Sommerinterviews nur einmal im Jahr stattfinden, muss der Kampf gegen diese Politik, die nur den Kapitalinteressen der Reichen dient und die Lebensbedingungen von Arbeiter:innen systematisch untergräbt, ganzjährig stattfinden. Wir müssen uns dagegen organisieren und für eine Politik kämpfen, die die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund stellt, in der Milliarden nicht in Rüstung, sondern in Bildung und Soziales investiert werden und in der die Gesellschaft demokratisch über die Produktion und Verteilung von Gütern entscheidet.

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