Kongo: M23 und der Kampf um Ressourcen

20.03.2025, Lesezeit 7 Min.
1
Foto: Alexandros Michailidis / shutterstock.com

Die seit drei Jahrzehnten andauernden Konflikte im Kongo forderten bereits mehr als sechs Millionen Tote. Durch die Rebellengruppierung M23 wird die Krise aktuell noch weiter verschärft. Gleichzeitig offenbart sich, welche Interessen sich eigentlich hinter den Auseinandersetzungen verbergen.

Seit drei Jahrzehnten finden im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRC) Kämpfe statt. Der Ursprung  der Konflikte im Land liegt im Genozid 1994 an der ethnischen Minorität der Tutsi, durchgeführt durch die Hutus. Innerhalb von nur 100 Tagen töteten extremistische Hutus in Ruanda um die 800.000 Tutsis. Beendet wurde der Genozid durch Tutsi-Rebllen, welche die Hauptstadt Kigali im Anschluss übernahmen. Tausende Hutus flohen infolge dieses Konflikts in die DRC, wobei einige von ihnen jedoch extremistisches Tutsi-feindliches Gedankengut mit in die DRC brachten. Deshalb fiel Ruanda 1998 in die DRC ein, um Hutu-Milizen zu verfolgen, woraufhin das Land im zweiten Kongokrieg versank. Die Abfolge der Kongokriege (1996-97; 1999-2003) werden auch als “Great-African-War” bezeichnet. 

Seither herrscht zwar kein offizieller Krieg mehr, jedoch auch kein Frieden. Mehr als 6 Millionen Menschen wurden in den letzten drei Jahrzehnten getötet, noch mehr mussten fliehen. Während bewaffnete Gruppierungen immer weiter zunehmen, zersplittert sich das kongolesische Militär immer weiter, während Ruanda und Uganda die DRC weiterhin beeinflussen, obwohl sie dort offiziell keine Truppen mehr stationieren sollten. Vor allem kongolesische Tutsi Milizen haben mittlerweile viel Macht im Land. Eine dieser Gruppen ist die M23 (Mouvement du 23 Mars), welche zwar schon seit 2012 existiert, jedoch seit 2021 massiv erstarkt ist und viele Gebiete für sich gewinnen konnte. Auch wenn Ruanda dies abstreitet, ist davon auszugehen, dass die M23 von Ruanda unterstützt wird. Laut UN unterstützen ca. 3.000 Soldaten aus Ruanda die M23. Die M23 sowie Ruanda geben an, dass sie die ethnische Minorität der Tutsi in der DRC schützen wollen – eigentlich verbergen sich jedoch andere Interessen hinter dem Konflikt.

Reiche Bodenschätze – arme Bevölkerung

Die DRC verfügt über wertvolle Bodenschätze, wie Gold, Kobalt und Coltan. Coltan ist für die Herstellung von technischen Geräten, wie Smartphones und Tablets, essentiell, während Kobalt vor allem für Batterien benötigt wird. Der Großteil der weltweiten Vorkommen befindet sich im Ost-Kongo. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieses Rohstoffreichtums leben 73% der Kongoles:innen in Armut und haben täglich weniger als 1,30 Euro zur Verfügung.

2024 konnte die M23 das Minengebiet Rubaya unter ihre Kontrolle stellen, in welchem sich die größte Coltan Mine der Region befindet. M23 verdient um die 800.000 USD pro Monat an diesen Minen und verkauft ihren Ertrag ausschließlich über Ruanda. So wurden im Jahr 2023 Mineralien im Wert von 1.1 Milliarden Dollar aus Ruanda exportiert. Der Präsident Kongos, Félix Tshisekedi, hat die internationale Gemeinschaft deshalb aufgefordert, den Handel mit Ruanda zu beenden. Da Ruanda ein so wichtiger Exporteur ist, fielen diese Sanktionen zunächst aber eher milde aus. Mittlerweile hat Belgien die Entwicklungshilfe für Ruanda eingestellt und die EU hat Strafzölle gegen ruandische Staatsangehörige verhängt. 

Der Handel mit den wertvollen Bodenschätzen ermöglicht der M23 nicht nur die Finanzierung ihrer Waffen und Soldaten,  er wird von einigen Individuen auch als persönliche Quelle der Bereicherung missbraucht. Während sich einige wenige an den natürlichen Ressourcen des Landes bereichern, lebt der Rest der Bevölkerung in schlechtesten Bedingungen. Aufgrund von Mangelernährung werden viele Säuglinge nur wenige Monate alt, Mütter sterben bei der Geburt, die Cholera ist endemisch und sexualisierte Gewalt weit verbreitet. Auch die Kriegsparteien – also die bewaffneten Milizen sowie die kongolesische Armee – begehen regelmäßig sexuelle Verbrechen gegenüber Geflüchteten. 

Der Menschenrechtsaktivist Fred Bauma äußerte sich gegenüber Aljazeera wie folgt zu der Situation im Kongo: “Schlussendlich leiden seit 30 Jahren Millionen Kongoles:innen, welche nichts mit den Interessen der einen oder anderen Seite zu tun haben und einfach nur in einem friedlichen Land leben wollen.” In der DRC leidet die Bevölkerung unter den natürlichen Ressourcen ihres Landes, weil diese die Grundlage für den bewaffneten Konflikt bieten und gleichzeitig ein Potential für Ausbeutung schaffen. Die Arbeiter:innen, zu denen auch Kinder zählen, müssen teilweise ohne Werkzeuge nach den Rohstoffen schürfen und Familien werden zwangsgeräumt, um neue Minen zu eröffnen. 

Die Weiterverarbeitung der Rohstoffe erfolgt ausschließlich im Ausland, größtenteils in China. Hier liegt eine Wurzel der Probleme des Landes, da die DRC sein wirtschaftliches Potential nicht ausweiten kann und vollständig abhängig von den großen kapitalistischen Staaten bleibt. So werden die durch afrikanische Arbeit gewonnenen Rohstoffe allesamt exportiert, wodurch das Land – und der gesamte Kontinent – nicht die Chance erhalten, zu den “entwickelten” Ländern aufzusteigen. Dies kritisierte Walter Rodney, der aus Guyana stammende Revolutionär, in seinem Werk “Wie Europa Afrika unterentwickelte”: ”Die afrikanischen Volkswirtschaften sind in einer Weise in die Struktur der entwickelten kapitalistischen Wirtschaft integriert, die für Afrika ungünstig ist und es in die Abhängigkeit von den großen kapitalistischen Staaten zwingt.”

Geplanter Waffenstillstand

Kürzlich trafen sich der Präsident der DRC, Félix Tshisekedi, sowie der Präsident Ruandas, Paul Kagame, in Katar, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Laut dem Außenministerium Katars appelierten beide Präsidenten für einen kompromisslosen und sofortigen Waffenstillstand, nachdem seit Januar bereits mindestens 7.000 Menschen getötet wurden. Unklar ist jedoch,wie dieser Waffenstillstand hergestellt werden soll, da die beiden Präsidenten keine konkreten Maßnahmen vorschlagen konnten, um diesen umzusetzen. Bereits im Februar hatten Forderungen nach einer Waffenruhe keine Wirkung gezeigt. Kagame appellierte jedoch an die Regierung der DRC, direkt mit M23 zu sprechen, da die ruandische Regierung nach wie vor abstreitet, bei M23 involviert zu sein. Die Regierung der DRC stimmte diesem Plan nun erstmals zu – M23 lehnte ab.

Obwohl die Situation in der DRC als eine der größten humanitären Krisen der Welt zählt, bleibt die internationale Reaktion größtenteils aus. In München wurde sich bei der letzten Anti-Siko Demo jedoch klar “gegen [die] Ignoranz und Komplizenschaft der Bundesregierung gegenüber dem Leid aller unterdrückten Völker von Palästina über den Sudan, Jemen, den Libanon bis zum Kongo” ausgesprochen und in einigen deutschen Städten fanden mittlerweile auch Demonstrationen statt, in welchen die Freiheit Kongos gefordert wurde. Am 15. Februar veranstaltete das FreeCongo Kollektiv zuletzt eine Mahnwache und Kundgebung in Köln unter dem Motto “Stoppt den Krieg im Kongo!”. 

Dringend muss mehr über die Situation im Kongo berichtet werden und international gegen die katastrophale humanitäre Situation auf die Straße gegangen werden. Die Menschen im Kongo, welche ausgebeutet werden und seit Jahrzehnten fliehen müssen, Gewalt erfahren und unter katastrophalen Bedingungen leben müssen, haben nie von den Rohstoffen ihrer Region profitiert – im Gegenteil. Sie bieten die Grundlage für die Ausbeutung der Bevölkerung und der Konkurrenz der Imperialismen um die wertvollen Ressourcen des Landes. 

Mehr zum Thema