„Kommunisten­prozess“ in München: 6,5 Jahre Gefängnis ohne Straftat

28.07.2020, Lesezeit 3 Min.
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Heute fiel in München das Urteil im seit vier Jahren andauernden Prozess gegen die zehn angeklagten Mitglieder der „Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten“ (TKP/ML). Obwohl die Organisation in Deutschland nicht verboten ist und den Angeklagten keine konkreten Straftaten zur Last gelegt wurden, gab es mehrjährige Haftstrafen.

Bild: „1.-Mai-Demonstration Berlin 2005“ by Reise Reise is licensed under CC BY-SA 3.0

Der Paragraph 129b des Strafgesetzbuches verfolgt die Bildung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland. Obwohl die TKP/ML nicht als solche Vereinigung in Deutschland verboten ist und auch nicht auf der EU-Terrorliste steht, wurden heute zehn Angeklagte wegen der Mitgliedschaft zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte, Müslüm Elma, der bereits seit 5 Jahren in Untersuchungshaft im Gefängnis München-Stadelheim sitzt, erhielt 6 Jahre und 6 Monate Haft. Damit bleibt das Gericht nur 3 Monate unter der Forderung der Bundesstaatsanwaltschaft. Die anderen Urteile liegen bei 2 Jahren und 9 Monaten, bis hin zu 5 Jahren Gefängnis. Damit müssen einige Mitglieder, die nach der Untersuchungshaft zwischenzeitlich wieder auf freiem Fuß waren, wieder ins Gefängnis.

Obwohl ihnen keinerlei konkrete Straftaten zur Last gelegt wurden, richtete der deutsche Staat seine ganze Härte gegen zehn Personen, einzig aus dem Grund, weil sie als Kommunist*innen in Gegnerschaft zum türkischen Staat stehen. Müslüm Elma saß bereits in der Türkei 22 Jahre im Gefängnis, nun setzt der deutsche Staat die brutale Verfolgung aufgrund seiner politischen Überzeugungen fort.

Die TKP/ML wird in Deutschland auch deswegen so stark verfolgt, weil sie im Norden Syriens an der Seite der kurdischen Selbstverteidigungsstreitkräfte gegen die türkische Armee und islamistische Banden kämpfen. Damit beteiligt sich die BRD wie schon in Prozessen gegen Sympathisant*innen der kurdischen YPG/YPJ aktiv auf der Seite des türkischen Militarismus. Ohne dass die YPG/YPJ in Deutschland verboten wäre, wird bereits das Zeigen der Organisationsfahnen zur Anzeige gebracht.

Die deutsche Regierung hält seit Jahren ein politisches Bündnis mit der bonapartistischen Regierung von Erdoǧan aufrecht und unterstützt mit Milliardendeals und Waffen den türkischen Staat, seine Repression gegen Linke und Arbeiter*innen und seinen Krieg gegen die Kurd*innen, im Austausch für die „Sicherung“, also Abschottung der EU-Grenzen und für die Vertretung der Interessen deutscher Konzerne im Ausland. Das heutige TKP/ML-Urteil zeigt zugleich eindrücklich auf, dass auch die deutsche Justiz keinesfalls „neutral“ ist, sondern genauso als Handlangerin der Interessen der deutschen Bourgeoisie fungiert, die am Deal mit Erdoǧan festhalten will.

Wie sehr es sich um ein Urteil über die politische Gesinnung handelt, zeigt auch der Vergleich mit dem NSU-Prozess. André Emminger, der als einer der engsten Vertrauten von Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos Wohnungen und Fahrzeuge besorgte, wurde wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu 2,5 Jahren verurteilt und kam nach abgesessener U-Haft am Tag der Urteilsverkündung frei.

Der Prozess sowie das Urteil gegen die TKP/ML-Mitglieder ist ein Skandal. Während der deutsche Staat Nazi-Terroristen frei herumlaufen lässt, sperrt er Kommunist*innen allein aufgrund ihrer politischen Überzeugung ein. Anlässlich des letzten Prozesstages kamen heute hunderte solidarische Unterstützer*innen zusammen, um für ihre Freilassung zu demonstrieren.

Eine Chronik des Prozesses mit einer Vorstellung aller Angeklagten findet sich auf der Seite TKP/ML-Prozess 129 b München.

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