Kommt NSU-Terroristin Beate Zschäpe in drei Jahren frei?

12.07.2024, Lesezeit 4 Min.
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Demonstration in Gedenken an die Ermordeten des NSU. Foto: Rasande Tyskar / Flickr.com

Ein neues Leben für die Nazi-Terroristin? Ein Aussteigerprogramm könnte Beate Zschäpe auf freien Fuß bringen. Es würde die Farce rund um die verlogene „Aufklärung“ der NSU-Morde entsetzlich fortsetzen.

Die verurteilte Terroristin Beate Zschäpe hat Aussicht, in ein Aussteigerprogramm für Nazis aufgenommen werden, so ihr Anwalt Mathias Grasel. Damit könnte sie ab November 2026 einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen. Als Teil der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) leistete sie in den 2000er Jahren Beihilfe zum zehnfachen Mord.

Bis heute sind die genauen Umstände der Taten nicht vollständig der Öffentlichkeit bekannt, insbesondere die Verstrickungen des sogenannten Verfassungsschutzes. Der deutsche Inlandsgeheimdienst hatte jahrelang Kenntnisse vom NSU und Spitzel (V-Leute) in dessen Umfeld angeworben und ihnen Gelder zugesteckt. Möglicherweise wären die Taten des NSU ohne den Geheimdienst in der Form gar nicht möglich gewesen. Behörden und Justiz konstruierten das Narrativ des Terror-Trios Zschäpe, Bönhardt, Mundlos, die im Wesentlichen autonom gehandelt hätten. Die Verbindungen mit der Nazi-Szene oder zum Geheimdienst wurden nie richtig aufgearbeitet. Im Gegenteil: Nach Auffliegen der Terrorakte vernichtete der „Verfassungsschutz“ hunderte Akten – eine große Vertuschungsaktion.

Vor Gericht leugnete Beate Zschäpe noch, Mittäterin gewesen zu sein. Jahre nach dem Prozess stützte sie hingegen die Geschichte des Terror-Trios. Nur durch sie seien die Taten möglich gewesen, das hätte sie aber nicht so gewollt. Über Jahre hinweg haben die Behörden eine offizielle Interpretation der Ereignisse konstruiert, in die sich Zschäpe willentlich einfügt. Da scheint es noch nicht mal zu stören, dass Zschäpe vor Gericht gegen NSU-Unterstützer aussagte, etwa gegen Jan W., der eine Tatwaffe besorgte – das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Oder André Emminger, engster Freund von Bönhardt, Mundlos und Zschäpe, der auch ein Tatfahrzeug organisiert – zweieinhalb Jahre Haft. Der Anwalt der NSU-Opfer, Mehmet Kubaşık, kritisierte, dass Zschäpe keine Aussagen über bislang unbekannte Tatbeteiligte traf. Offene Fragen wie zur Herkunft von Waffen habe sie unbeantwortet gelassen. Trotzdem könnte nun auch Zschäpe ein Weg in die Freiheit offen stehen. Das „Aussteigerprogramm“ für Nazis fungiert damit in der Praxis als ein Rehabilitierungsprogramm.

Das Signal ist fatal: Erst hilft der Staat den Nazis beim Morden, deckt und vertuscht ihre Taten, schließlich öffnet er ihnen eine Tür für ein neues Leben. Zwischen 1990 und 2020 wurden mindestens 187 Menschen von Rechten ermordet. Der Aufstieg der AfD verbreitet sogar noch die Strukturen, in denen sich Nazis bewegen können und fördert die Akzeptanz der rechten Gewalt. Dazu tragen auch die Verharmlosung des Nationalsozialismus wie etwa durch Björn Höcke bei und die Berührungspunkte der AfD mit faschistisch gesinnten Sicherheitsapparaten und dem organisierten Rechtsterrorismus.

Der Staat ist kein Helfer im Kampf gegen rechts, er trägt sogar zum Gedeihen seiner Strukturen bei. Statt unsere Hoffnungen in die Gerichte oder die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz zu setzen, treten wir für die Selbstorganisierung der Jugend und Arbeiter:innen gegen Rechts ein. Die Gewerkschaften müssen den Kampf gegen die Nazis aufnehmen und in den Betrieben über die Gefahren der Rechten informieren. Wir brauchen eine Einheitsfront der Organisationen der Arbeiter:innen, die die AfD blockiert, wo sie auftaucht und auch die Regierungspolitik konfrontiert, die mit Abschiebungen, Militarismus und Kürzungspolitik der Rechten erst den Weg bereitet.

Veranstaltung beim Sommercamp

Milei, Trump, AfD: Wie bieten wir den Rechten die Stirn?

In Argentinien plant der ultrarechte Präsident Javier Milie einen autoritären Umbau des Staates und ein extremes Kürzungsprogramm. In den USA könnte Donald Trump zurückkommen. Und bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD stärkste Kraft werden. Wir diskutieren, warum Joe Biden, Linkspartei und Wagenknecht im Kampf gegen Rechts nicht helfen und welche Alternative wir entwickeln können. Eine antikapitalistische und sozialistische Alternative, um den Klassenkampf zu stärken, anstatt auf faule Kompromisse zu setzen, die den Rechten nur weiteren Nährboden bieten. Diskussionsveranstaltung mit internationalen Gästen und verschiedenen sozialistischen Gruppen.

Diese Veranstaltung und weitere Workshops über die Rechten und wie wir sie besiegen, findest du auf unserem Sommercamp. Hier geht es zum Programm.

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