Kommt es bald zu einem Waffenstillstand in der Ukraine?

13.03.2025, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Révolution Permanente

Nach drei Jahren Krieg und Hunderttausenden Toten stimmte die Ukraine einer grundsätzlichen Vereinbarung über einen 30-tägigen Waffenstillstand zu. Der Waffenstillstand steht auf wackligen Füßen und stellt einen weiteren Schritt in der Vasallisierung der Ukraine dar.

Mehrere Stunden Verhandlungen in Saudi-Arabien. Dann ein gemeinsames Kommuniqué, das von einem echten Fortschritt zeugte: Kiew akzeptierte prinzipiell einem vorübergehenden Waffenstillstand in dem seit 2022 andauernden Krieg zu. Zwölf Tage nach der Demütigung Selenskys im Oval Office durch Donald Trump und seinen Vizepräsidenten J.D. Vance, kehrten die bilateralen Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA am Dienstag, den 11. März, in Dschidda (Saudi-Arabien) auf eine weniger kritische Schiene zurück.

Der von der Ukraine akzeptierte 30-tägige Waffenstillstand würde vollständig sein und sich nicht nur auf „eine Waffenruhe in der Luft und auf See“ beschränken, wie ukrainische Beamte im Vorfeld der Verhandlungen erwähnt hatten. Die USA kündigten ihrerseits an, die Waffenlieferungen und den Austausch von Geheimdienstinformationen an Kiew sofort wieder aufzunehmen, nachdem sie diese seit fast einer Woche ausgesetzt hatten. Die Umsetzung des Waffenstillstands hängt jedoch noch von der Bestätigung durch Russland ab.

Diese Vereinbarung, die erste Öffnung hin zu einem Waffenstillstand seit drei Jahren, ist in erster Linie das Ergebnis der Zugeständnisse des ukrainischen Präsidenten und der äußerst prekären Lage, in die der US-Imperialismus die Ukraine gebracht hat. Die ukrainische Delegation bekräftigte am Dienstag die tiefe Dankbarkeit des ukrainischen Volkes gegenüber Trump und dem US-Kongress als Versuch, auf den angeblichen „Mangel an Dankbarkeit“ zu reagieren, der als schändliche Rechtfertigung für die Demütigung Selenskys im Oval Office gedient hatte.

Doch die Kapitulation ging noch weiter. Das Abkommen erwähnt keine der „Sicherheitsgarantien“, die der ukrainische Präsident bis dahin als Bedingungen für ein Ende der Kämpfe angesehen hatte. Weder die USA noch Europa (wo die Frage unter den wichtigsten imperialistischen Mächten diskutiert wird) brachten auch nur eine einzige Garantie vor. Im Hintergrund und im Gegenzug für die Rückgabe von Waffenlieferungen und Geheimdienstinformationen der USA machte die ukrainische Regierung den Weg frei für eine neue Stufe der Vasallisierung ihrer Wirtschaft. Der Inhalt der Verhandlungen wurde nicht an die Presse weitergegeben, doch in der letzten Zeile des Kommuniqués heißt es, dass bald ein Abkommen über seltene Erden unterzeichnet werden soll.

Anfang Februar verlangte Trump, dass die Ukraine den USA seltene Erden im Wert von „umgerechnet 500 Milliarden Dollar“ abtreten solle – eine astronomische Summe, die die Sanktionen übertraf, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland und Japan verhängt worden waren. Welche Beträge auch immer in den kommenden Wochen ausgehandelt werden, sie werden ein Dolchstoß in den Rücken der ukrainischen Volksmassen sein.

Dieser von Kiew beschlossene Schritt nach vorn ermöglicht es der Ukraine, vorübergehend wieder einen Platz in der diplomatischen Gleichung einzunehmen, die seit einigen Wochen auf einen reaktionären Deal alleine zwischen Russland und den USA hinauszulaufen schien. Doch der veränderte Tonfall, die Zugeständnisse Selenskys, wie auch die Leuchtturmrufe in Richtung der „europäischen Partner“, um besser von einer imperialistischen Herrschaft zur nächsten wechseln zu können, veranschaulichen vor allem die dramatische Lage der Ukraine. Und verschleiern dabei überhaupt nicht, dass die USA die Verhandlungen weiterhin als ein Treffen zwischen Washington und Moskau mit ukrainischer Beteiligung sehen.

Das letzte Wort wird Russland haben. Am Dienstag deuteten Beamte der Regierung Putin an, dass sie in den „nächsten Tagen“ mit US-Beamten Kontakt aufnehmen würden, äußerten sich aber noch nicht zu den Bedingungen des Waffenstillstands.

Seit Beginn des Krieges hat der Kreml wiederholt erklärt, er sei offen für Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts, bestand jedoch darauf, dass diese Verhandlungen es ihm ermöglichen müssten, seine ehrgeizigen Kriegsziele zu erreichen, zumindest die Kontrolle über alle annektierten Gebiete der Ukraine. Während Trump sich nicht nur stets geweigert hat, auch nur das geringste Versprechen hinsichtlich der amerikanischen Sicherheitsgarantien abzugeben, machte das Weiße Haus einen weiteren Schritt in diese Richtung, indem es am Dienstag betonte, Kiew müsse sich auf ernsthafte Zugeständnisse vorbereiten, insbesondere in dem von Russland besetzten Gebiet.

Putin steht jedoch vor einem Dilemma. Trotz der schweren Verluste auf dem Schlachtfeld rücken seine Armeen in der Ukraine langsam aber sicher weiter vor. Während die dramatischen Veränderungen in der US-Außenpolitik seine Zuversicht gestärkt haben, dass die Koalition der Imperialismen, die die Kriegsanstrengungen unterstützen, zerbricht, könnte der russische Führer versucht sein, das Zustandekommen eines Waffenstillstands zu bremsen, nicht zuletzt, um zunächst militärische Ziele zu verfolgen, insbesondere in der Kursk-Region, wo die Ukraine kurz davor steht, von dem russischen Territorium, das sie seit August hält, vertrieben zu werden, aber auch auf dem übrigen ukrainischen Territorium.

Dies entspricht nicht nur Putins Ambitionen, sondern auch dem Druck in Russland seitens nationalistischer Sektoren, die durch den dreijährigen Krieg aufgeheizt wurden und der Meinung sind, dass Russland noch weiter kämpfen muss, um seine anfänglichen Ziele zu erreichen: die ukrainische Neutralität und die Einsetzung einer moskaufreundlichen Regierung in Kiew. Andererseits hoffen mit dem Kreml verbundene Sektoren, insbesondere Oligarchen, auf ein baldiges Ende des Krieges, um eventuell wieder Geschäfte mit dem Westen machen zu können. All dieser Druck könnte die Verhandlungen auf russischer Seite beeinträchtigen.

Die Entwicklungen der nächsten Tage werden viel darüber aussagen, wie weit die Annäherung zwischen Trump und Putin fortgeschritten ist. Und über die Frage, wer mehr vom ukrainischen Kuchen abbekommt. Es ist in diesem Zusammenhang nicht unmöglich, sich vorzustellen, dass die USA in den kommenden Wochen eine Reihe von Zugeständnissen (wie die Aufhebung einiger Sanktionen) und Drohungen (die Erhöhung der militärischen Unterstützung für die Ukraine oder die Ausweitung der Sanktionen) kombinieren könnten, um Russland dazu zu zwingen, einem Waffenstillstand zuzustimmen.

Die laufenden Verhandlungen zur Beendigung von Russlands reaktionärem Krieg in der Ukraine werden sich mehr denn je zu einem großen Kuhhandel entwickeln. Der laufende Kampf des europäischen und des amerikanischen Imperialismus um die ukrainischen Reichtümer an seltenen Erden ist bereits ein Symptom dafür. Doch die europäischen Imperialismen, allen voran Frankreich, haben noch nicht das letzte Wort gesprochen. Anfang letzter Woche erklärte der französische Militärminister Lecornu, dass er mit Selensky über ein Abkommen zu diesem Thema verhandeln wolle. Im Hintergrund versprechen die Herausforderungen, die mit dem Wiederaufbau der Ukraine verbunden sind, schnell eine neue Quelle für den inter-imperialistischen Wettbewerb um Profite auf Kosten des ukrainischen Volkes zu werden.

Der Konflikt ist auch mit Feindseligkeiten anderswo auf dem Globus verbunden, während der Iran und Nordkorea in den letzten Monaten Männer (für Nordkorea) und Munition an Russland geliefert haben. Eine radikale Lösung der ukrainischen Situation könnte einen Rahmen für Interventionen an anderen Fronten bieten. Trump interessiert sich in dieser Hinsicht für Russland nicht nur mit Blick auf die Lockerung von Wladimir Putins Verbindungen zu China, sondern auch für die iranische Atomfrage.

Unabhängig von den legitimen Bestrebungen nach einem Ende des Massakers in der Ukraine ist es eigentlich ganz klar, dass wir den imperialistischen Mächten nicht vertrauen können. Dieser Waffenstillstand ist ein Vorbote für eine weitere Aggression gegen das ukrainische Volk. Die unheilvolle Sequenz, die seit mehreren Wochen begonnen hat, hat zumindest den Vorteil, dass sie die Arbeiter:innen und Volksschichten des Kontinents daran erinnert, dass es aus der Hand des Imperialismus niemals eine echte nationale Selbstbestimmung geben kann.

Vor diesem Hintergrund ist angesichts von Putins Aggression nur eine entschlossene, massive und mächtige soziale Kraft, die um die ukrainische Arbeiter:innenklasse herum organisiert ist, in der Lage, für eine echte Selbstbestimmung der Ukraine zu kämpfen. Eine solche Arbeiter:innenkraft sollte unabhängig von den lokalen Oligarchen, allen bürgerlichen Fraktionen und allen Imperialismen kämpfen und versuchen, ein internationalistisches Klassenbündnis zwischen dem ukrainischen und dem russischen Proletariat aufzubauen.

Dies ist die einzige realistische Alternative zur Vermeidung der kolonialen und imperialistischen Falle, in der sich Selenskys Ukraine heute befindet, und der einzige Weg, um einen echten Frieden zu verwirklichen. Eine wertvolle Lektion für alle europäischen Völker in einer Zeit, in der ihre Bourgeoisien sie mehr denn je in eine tödliche Dynamik und ein Wettrüsten verwickelt haben, das neue Kriege, Plünderungen und Massaker verspricht.

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