Koalitionsverhandlungen: Was droht der Arbeiter:innenklasse?

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD stehen im Zeichen der Beschenkung von Kapitalist:innen, während die Arbeiter:innenklasse mit weitreichenden Angriffen rechnen muss.
Seit dem 14. März verhandeln CDU/CSU und SPD über die Bildung einer neuen Regierung, bis Ostern soll die Koalition stehen. Eine zentrale Frage ist dabei, mit welchen Rezepten die nächste Regierung versuchen wird, den deutschen Kapitalismus aus der Krise herauszuführen. Nach Jahren der Rezession und dem Zurückfallen des deutschen Kapitals in der internationalen Konkurrenz nennen die Parteien in einem Ergebnispapier der bisherigen Verhandlungen Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit als „klare Priorität“. Deutschland solle „Industrienation und Mittelstandsland bleiben, KI- und Gründer-Nation werden und die Weichen wieder auf Wachstum stellen.“
Was bedeutet das konkret? Während Kapitalist:innen beschenkt werden sollen, lässt der bisherige Verhandlungsstand für Arbeiter:innen und Arme nichts Gutes vermuten. So ist eine Unternehmenssteuerreform geplant, die Union spricht sich für die Senkung der Körperschaftssteuer von 15 auf 10 Prozent aus. Staatskredite für Unternehmen sollen etwa mit der Einführung eines Deutschlandfonds ausgeweitet werden. Durch Absenkung von Umweltstandards und Subventionierung des Stromverbrauchs sollen sie zusätzlich ihre Kosten senken können.
Die Arbeiter:innenklasse soll sich nach Willen der Koalitionär:innen in spe hingegen für die Profite der strauchelnden Kapitalist:innen aufopfern und sich noch länger und intensiver ausbeuten lassen. Mit der Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit, das heißt des 8-Stunden-Tages, greifen sie eine historische Errungenschaft der Arbeiter:innenbewegung an. Auch der Druck auf Beschäftigte, später in Rente zu gehen, soll erhöht werden. Ebenso werden Andeutungen zur Lockerung von Arbeitsschutzgesetzen, darunter die Reduzierung der Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten, gemacht.
Kürzungen im sozialen Bereichen bahnen sich mit der Ankündigung eines „Sozialstaatswirksamkeitsberichtes„, der „alle beitrag- und steuerfinanzierten Sozialleistungen mit Blick auf ihre Wirksamkeit, finanzielle Nachhaltigkeit, volkswirtschaftliche Wirkung und gesellschaftliche Resilienz beleuchten und damit die Grundlage für die notwendige Diskussion über die künftige Gestaltung und die langfristige Finanzierbarkeit der Sozialversicherung schaffen“ soll, an. Bei der Knechtung von Arbeitslosen werden die Parteien ganz explizit: Abschaffung des Bürgergelds, stattdessen eine „neue Grundsicherung für Arbeitslose„, mit stärkerer Drangsalierung und der Möglichkeit eines vollständigen Leistungsentzugs. Diese Maßnahme ist nicht nur menschenfeindlich – bedeutet sie doch nichts anderes als Hunger und Obdachlosigkeit für Arbeitslose – sondern dient auch als Druckmittel auf die gesamte Arbeiter:innenklasse, schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Da sie zu einer allgemeinen Senkung des Lohnniveaus führt, schadet sie also nicht nur dem arbeitslosen Teil, sondern der Arbeiter:innenklasse als Ganzes.
Die wohl von der SPD als sozialpartnerschaftliches Zugeständnis hineinverhandelte Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ab 2026 bleibt vor diesem Hintergrund ein Tropen auf dem heißen Stein. Zumal höchst unsicher ist, ob diese überhaupt kommen wird, denn im Gegensatz zu der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im Jahr 2021, soll die Erhöhung nicht auf gesetzlichem Wege beschlossen, sondern lediglich als Empfehlung an die Mindestlohnkommission, in der Kapitalvertreter:innen und neoliberale Ökonom:innen sitzen, abgegeben werden.
Kapitalverbände machen Druck
Den Kapitalverbänden – für die insbesondere die Union bekannterweise immer ein offenes Ohr hat – gehen die geplanten Angriffe dabei nicht weit genug. Am 26. März legte der Verband von Metall- und Elektroindustriebossen, Gesamtmetall, einen Gesetzesentwurf vor, um das ohnehin restriktive deutsche Streikrecht drastisch einzuschränken. Nach diesem sollen Arbeitskämpfe nur nach einer Schlichtung erlaubt sein.
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Am 2. April forderte dann die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gemeinsam mit dem Bund Deutscher Industrie (BDI) und zahlreichen weiteren Kapitalverbänden in einem offenen Brief sogar die Neuverhandlung aller Fragen, die die Wirtschaft betreffen. Die „bisherigen Zwischenergebnisse sind unzureichend und tragen der sich zuspitzenden Lage in den Unternehmen und Betrieben nicht Rechnung“, heißt es dort.
Ihre Forderungen, darunter die Senkung der Unternehmenssteuer auf insgesamt 25 Prozent und Kürzungen bei den Sozialsystemen, decken sich teilweise bereits mit den Positionen der Union in den Koalitionsverhandlungen. In einem weiteren Brief lehnen die Unternehmensspitzen auch die mickrigen Zugeständnisse ab: „Alles, was Wachstum behindert, muss unterlassen werden. Das Tariftreuegesetz, ein Mindestlohn von 15 Euro oder die Mütterrente sind […] abzulehnen“. Einen großen Stellenwert nimmt auch die Forderung nach „Bürokratieabbau“ ein. In anderen Worten: Weg mit Umwelt- und Menschenrechtsstandards, Arbeiter:innenrechten und Transparenzregelungen, freie Hand für die Konzernspitzen.
Auch wenn die Forderungen der Kapitalverbände teilweise über die Pläne von CDU/CSU und SPD hinausgehen, teilen sie die Stoßrichtung. Die Arbeiter:innenklasse soll durch Senkung ihres Lebensstandards und Beschneidung ihrer Rechte für den Erfolg des deutschen Kapitals härter ausgepresst werden. Das geht einher mit anderen Projekten der kommenden Regierung: massive Aufrüstung, die mit Kürzungen finanziert werden soll, rassistische Spaltung und Disziplinierung und innere Militarisierung, um Widerstand gegen diese Politik einzudämmen.
Dass die Maßnahmen tatsächlich einen Weg aus der Wirtschaftskrise weisen, scheint hingegen unwahrscheinlich. Zu tief sind die strukturellen Widersprüche, mit denen das deutsche Kapital in der chaotischen Weltlage konfrontiert ist. Nicht zuletzt die von Trump erhobenen massiven Zölle dürften einen weiteren Schlag für sein exportabhängiges Wirtschaftsmodell bedeuten.
Für Arbeiter:innen, Arme und die Jugend hält die kommende Regierung nichts als Militarismus, Verarmung und Repression bereit. Es ist dringend nötig, dass wir eine unabhängige Antwort auf die Wirtschaftskrise entwickeln. Dafür braucht es kämpferische Gewerkschaften, die sich ebenso entschieden gegen die Angriffe der Kapitalist:innen wie gegen die Aufrüstungspläne der Regierung richten. Doch während Regierung und Kapitalverbände neue Offensiven gegen die Arbeiter:innenklasse vorbereiten, bleiben die Führungen der DGB-Gewerkschaften passiv, handeln im Namen der Sozialpartnerschaft eine miserable Tarifeinigung nach der anderen aus und beschwören eine nationale „Schicksalsgemeinschaft“.
Wir setzen auf den Aufbau von klassenkämpferischen Strömungen in den Gewerkschaften und Versammlungen in den Betrieben und Dienststellen, um über die geplanten Angriffe zu diskutieren und den Widerstand vorzubereiten. Um die Vorhaben der Merz-Regierung zu stoppen, braucht es politische Streiks. Dazu können in einem ersten Schritt die Tarifrunden genutzt werden, um ökonomische Forderungen mit politischen Forderung wie zum Beispiel nach einem Ende des Rüstungswahns zu verbinden. Statt den Acht-Stunden-Tag aufzuweichen, sollte die Arbeitszeit verkürzt werden und die gesamte Arbeit auf alle Menschen aufgeteilt werden – bei vollem Lohnausgleich. Geld für ein würdiges Leben für Alle ist genug da, wenn wir es uns durch die Enteignung großer Vermögen holen und statt in die Bundeswehr in Gesundheit und Soziales stecken.