Kita-Streik in Berlin: Schuldig ist einzig und allein der Berliner Senat

09.07.2024, Lesezeit 4 Min.
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Bild: Lea Lotter

Entgegen der Äußerungen von Berliner Politiker:innen setzen die streikenden Erzieher:innen in Berlin mit ihrem Arbeitskampf ein wichtiges Zeichen für ihre Kolleg:innen bei freien Trägern und kämpfen für eine bessere Zukunft der Kinder.

Berliner Kitas leiden unter Fachkräftemangel. Infolgedessen sind Erzieher:innen zum Teil mit bis zu 30 Kindern allein. Einer von ihnen erzählte uns im Juni, dass diese nicht nur betreut, sondern zum Teil noch gewickelt werden müssen oder teilweise Einzelbetreuung bräuchten, weil sie verhaltensauffällig sind. „Pädagogische Arbeit mach‘ ich seit Monaten nicht mehr„, erzählte Erzieher Anja Pscherer dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Es liegt also auf der Hand, dass den Kindern momentan nicht die Aufmerksamkeit gegeben werden kann, die sie verdienen – auf die sie sogar ein Recht haben.

Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, können in vielen Einrichtungen gar nicht die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Auch Kinder mit Behinderungen erhalten vielerorts nicht die Unterstützung, die sie brauchen.

Freddy, Kita-Erzieherin, auf Klasse Gegen Klasse

Für alle, die schon einmal auf ein einziges Kind aufgepasst haben, ist es auch offensichtlich, dass solche Arbeitsbedingungen den für uns alle als Gesellschaft notwendigen Beruf sehr anstrengend machen. Und tatsächlich ist es so, dass Erzieher:innen häufiger krank sind als andere Beschäftigte – am häufigsten aufgrund psychischer Erkrankungen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di tat das einzig Richtige: Sie rief Erzieher:innen von 280 Hauptstadt-Kitas erneut dazu auf, für kleinere Gruppengrößen und Belastungsausgleiche zu streiken. Dieses Mal streiken sie von Montag bis Freitag, um ihren wichtigen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Und das funktioniert.

Vier von fünf bestreikten, städtischen Eigenbetriebe sind auch außer Rand und Band. Am Freitag lancierten sie eine Petition. „Stoppt die Berliner Kita-Streiks!“, heißt sie und sollte wohl Eltern erreichen. Sie wurde bisher aber lediglich 2.500 Mal unterschrieben. Denn: „Die Erzieher:innen leisten Unglaubliches und dementsprechend unterstützen wir den Streik“, bekräftigte zum Beispiel der junge Vater Matthew Handy gegenüber RBB.

„Inhaltlich gefährden die ver.di-Forderungen die Gleichwertigkeit der Betreuungsangebote in Berlin. Ein separater Tarifvertrag würde unmittelbar zu einer weiteren Spaltung der Kita-Anbieter führen“, schreibt die Arbeitgeberseite. Verkannt wird hier, dass ein solcher Tarifvertrag die Beschäftigten all jener Kitas in freier Trägerschaft, auf die hier angespielt wird, auch motivieren kann, sich ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Die Geschäftsführer:innen wandten sich zudem mit einem Brief an ver.di, in dem sie die Gewerkschaft baten, keine Versammlung in der Geschäftsstelle abzuhalten. Denn dort befindet sich auch eine Kindertagesstätte.

„Die Kinder leiden bereits unter den Folgen des Streiks und wir fürchten, dass die Ansammlung von Personen samt dem streiküblichen Lärm zu weiterer Verunsicherung führt“, so die Kita-Betreiber:innen.

Dabei machen Pfeifen, Ratschen, Tröten, Megaphone und Gesänge Kindern nicht nur unglaublich viel Spaß. Nein, wer will, dass die Zukunft unserer Gesellschaft mutig und selbstbewusst ist und sich aktiv an Veränderung beteiligt, kann nicht fordern, dass sie darin nur theoretisch gebildet werden. „Die Politiker müssen kapieren, dass Erziehung eine Investition in die Zukunft ist“, so auch der oben erwähnte Erzieher.

Dass die Betreuung von circa 23.000 und potentiell sogar 35.000 Kindergartenkindern diese Woche nicht durch ihre Erzieher:innen gewährleistet wird, ist weder den Beschäftigten noch ihrer Interessenvertretung in die Schuhe zu schieben. Schuldig ist einzig und allein der Berliner Senat, der sich nach wie vor weigert, mit ihnen über Entlastung zu verhandeln. 
Statt sich zu Gesprächen bereit zu erklären, hetzte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) gegen den eindeutig systemrelevanten Arbeitskampf als er von Sinnlosstreiks sprach. Staatssekretär für Jugend und Familie Falko Liecke (ebenfalls CDU) verwies auf den Personalschlüssel im Kita-Förderungsgesetz, obwohl sich in der Realität daran nicht gehalten wird. Inhalte von Gesetzen sind – im Gegensatz zum angestrebten Tarifvertrag – aber immer von politischen Mehrheiten abhängig.

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