Mecklenburg-Vorpommern: Bundesland der Kinderarmut und der Niedriglöhne

17.06.2017, Lesezeit 4 Min.
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In Mecklenburg-Vorpommern lebt fast jedes dritte Kind unterhalb der Armutsgrenze. Die Linkspartei möchte das Thema in den Landtag bringen und macht die Regierung verantwortlich. Doch was tut die Linkspartei selber?

Die Sache wiegt schwer. Mecklenburg-Vorpommern ist das Flächenland in Norddeutschland mit der größten Kinderarmut. Fast 38.000 Kinder in Mecklenburg-Vorpommern sollen von Armut betroffen sein. Nur in der Freien Hansestadt Bremen liegt die Kinderarmut höher.

Grund dafür ist der ausgeprägte Niedriglohnsektor in Mecklenburg-Vorpommern. Mit 35,5 Prozent Beschäftigung im Niedriglohnbereich liegt Mecklenburg-Vorpommern an der Spitze. Besonders im wichtigen Wirtschaftssektor Tourismus dominieren Niedriglöhne. Nicht selten wird selbst der Mindestlohn noch unterlaufen. Bei Kontrollen im Mai verstießen zehn Prozent der Gastronomiebetriebe gegen das Mindestlohngesetz.

Gleichzeitig gibt es kaum Beschäftigung in Mecklenburg-Vorpommern. Zusätzlich sinkt die Zahl über die Wintermonate. Während der Wintersaison müssen sich viele Arbeiter*innen arbeitslos melden. Zudem ist der Grad an Organisierung enorm niedrig. Von den landesweit 34.000 Beschäftigten der Branche sind nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nur 800 gewerkschaftlich organisiert.

Dieser geringe Wert kommt nicht von ungefähr. Die NGG agiert sehr zurückhaltend. Versuche, neue Mitglieder zu gewinnen, geschehen viel zu selten. Doch erhält die bürokratische Führung auch keinen Druck. Die Linkspartei wirft lieber der SPD vor, ihr Wahlversprechen nicht einzulösen und sammelt Unterschriften für eine Volksinitiative, bei deren Erfolg das Thema Kinderarmut im Landtag diskutiert wird.

Das ausgerechnet die Linkspartei der SPD vorwirft, ihre Wahlversprechen nicht umzusetzen, ist absurd, tut sie doch in Berlin zusammen mit der SPD genau das. Auch war bereits vorher die Heuchelei der SPD beim Thema Kindeswohl offensichtlich. Auf einem Plakat des Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) zur Landtagswahl stand: „Für alle Kinder die gleichen Chancen. Von Anfang an. Das ist mir wichtig.“

Mit diesem Spruch warb ein Ministerpräsident, der gleichzeitig Kinder abschieben ließ. Die Chancen von Kindern aus Romafamilien werden auf dem Balkan sicherlich nicht die gleichen sein, wie die der Kinder des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern. Doch auch in Berlin lässt die Linkspartei abschieben, darunter auch Kinder.

Wie können wir gegen Kinderarmut kämpfen?

Was wir brauchen ist eine höhere Organisierung. Wir müssen die NGG-Bürokratie zwingen, massiv neue Mitglieder anzuwerben. Wir brauchen Strukturen an Schulen, Universitäten und in Betrieben, um dort konkrete Kampfmaßnahmen zu besprechen, mit denen wir gegen Kinderarmut kämpfen können.

Es gibt auch schon Ansätze für solche Strukturen. Am Donnerstag versammelten sich in Neubrandenburg 80 Schüler*innen, um für bessere Lernbedingungen und ein Streikrecht für Schüler*innen zu demonstrieren. Um ihren Forderungen zusätzlichen Druck zu verliehen blieben sie der Schule bewusst fern.

Wenn die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern wirklich gegen Kinderarmut vorgehen möchte, dann muss sie konkrete Maßnahmen zur Vorbereitung des Kampfes treffen. Auch könnte sie bundesweit ein neues Streikrecht einfordern und für einen Generalstreik in Deutschland zur Durchsetzung eines Mindestlohns von 12 Euro eintreten.

Auch hier gibt es Ansätze. Im Mercedes-Werk in Bremen hat die Belegschaft spontan die Nachtschicht komplett bestreikt, um gegen Leih- und Zeitarbeit zu kämpfen. Weil dies nicht mit der Streikbürokratie abgesprochen war, verweigerte sie ihnen die Unterstützung. Hier könnte die Linkspartei einspringen und den Arbeiter*innen finanzielle Unterstützung für das juristische Nachspiel anbieten.

Im Rahmen dessen fordern die Arbeiter*innen und ihre juristische Vertretung eine Neuauslegung des deutschen Streikrechts. Mit ihrer Forderung haben sie es sogar bis ins Fernsehen geschafft. Diese Forderung könnte die Linkspartei aufnehmen und die Gewerkschaftsführung dazu auffordern diese Forderung zu übernehmen und konkrete Kampfmaßnahmen einzuleiten. Das wären konkrete Maßnahmen, die uns helfen würden, unsere Forderungen umzusetzen, statt parlamentarische Kleinkriege mit der SPD und Volksinitiativen, nur um selbst Wahlversprechen nicht einzulösen, sobald die Linkspartei sich an der Regierung beteiligt.

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