Kicken in der Krise: der Normalbetrieb ist ein Eigentor

20.02.2021, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Warum die Privilegien für König Fußball ungerecht sind und wie dreist die Profivereine diese ausnutzen.

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Foto von MDI / Shutterstock.com

Dass der Profifußball in Europa schon seit Jahren an der Lebensrealität der meisten anderen Menschen vorbeigeht, ist kein Geheimnis. Ein Neymar wechselt für 222 Millionen Euro nach Paris Saint-Germain, dem milliardenschweren Klub von Scheich Nasser Al-Khelaifi. Diverse Klubs trainieren mehrmals im Jahr in Katar und Dubai und ein Lionel Messi hat in den vergangenen vier Jahren über 555.237.619 Euro brutto kassiert. Allgemein mutiert der Profifußballmarkt in Europa schon seit Jahren zu einem entfesselten kapitalistischen Monstrum, welches kaum noch Relationen und Moral kennt. Doch erst die Corona Pandemie zeigt die enormen Ungerechtigkeiten zwischen Fußballstars/Vereinsbossen und der restlichen Gesellschaft deutlich auf.

Der FC Bayern München flog mit erweitertem Kader, Trainerteam und weiterem Personal vor wenigen Tagen zur FIFA Club Weltmeisterschaft nach Katar. Starstürmer Thomas Müller infizierte sich auf der Reise und wurde vor Ort positiv getestet. Daraufhin wurde er in einem Sonderflieger allein nach München zurückgeflogen; das Turnier wurde fortgesetzt. Millionen von anderen Menschen wäre die Einreise mit positivem Befund vorerst verwehrt geblieben. Nach dieser Reise müsste jede:r andere eine häusliche Quarantäne von mindestens fünf Tagen durchlaufen, doch die Profis des FC Bayern durften drei Tage später wieder in Paderborn antreten. Doch Demut und Dankbarkeit ist keinesfalls eine Reaktion auf diese Privilegien. Der Trainer des FC Bayern, Hansi Flick, attackiert nach der Reise zunächst Karl Lauterbach als „sogenannten Experten“ und jammert über die Belastung sich schon „über 100 mal getestet“ haben zu müssen[1]. Hier wird nicht nur mit zweierlei Maß gemessen, sondern auch verteilt. Während es in Krankenhäusern und Pflegeheimen noch immer zu wenige Tests für alle gibt und das Pflegepersonal nur in seltensten Fällen regelmäßig getestet wird, werden ganze Kader der Profivereine täglich durchgetestet, um den Spielbetrieb am Laufen halten zu können. Während die Pandemie viele von uns arbeitslos und prekär gemacht hat, dürfen Fußballspieler:innen ohne Einschränkungen ihrem Job nachgehen. Während wir auf das Reisen verzichten sollen, reisen dutzende Profifußballvereine wöchentlich durch ganz Deutschland und Europa. Das Destillat des dreisten Umgangs der Proficlubs mit der Pandemie spiegelt sich im Transfer von Gedson Fernandes wider. Der 22-Jährige wechselte von Tottenham nach Galatasaray Istanbul, infizierte sich jedoch kurz vor dem Abflug mit Covid-19. Da das Transferfenster bald schloss, wurden kurzerhand eine Sondergenehmigung und ein privates Ambulanzflugzeug mit Krankenstation an Board organisiert. Dies zeigt eines ganz deutlich: Im Fußball geht alles! Legitimiert wird der ganze Zirkus durch etliche Ausnahmeregelungen und Sonderstellungen. Sollte es dennoch zu Schwierigkeiten mit geltendem Recht kommen, schaffen es Profivereine trotzdem dieses zu umgehen. Der FC Liverpool darf zum Champions League Spiel nicht nach Deutschland einreisen. Deshalb wird das Spiel nach Ungarn verschoben, da hier die Einreisebestimmungen deutlich laxer sind.

Sind diese Privilegien für König Fußball noch gerechtfertigt? Nein! Die Politik müsste an dieser Stelle konsequenter eingreifen und reglementieren. Doch die Bundesregierung rührt sich nicht, denn hinter der DFL steckt eine große Lobby mit Einfluss. Auch bietet der Fußball eine willkommene Ablenkung von der fehlgeleiteten Corona Politik und den systemischen Problemen unserer Gesellschaft. So sehr wir auch den Sport Fußball an sich mögen, müssen wir solidarisch zusammenstehen und dieser Ungerechtigkeit mit Boykott und Protest gegenübertreten! Die Forderung des Straftäters Uli Hoeneß, dass der Fußball immer weiter gehen müsse, ist ein ‚first world problem‘ und arrogant. Bundesliga, Champions League und weitere laufende Wettbewerbe müssen (wie alle anderen kleineren Ligen und Wettbewerbe auch) umgehend pausiert werden!

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