Keine Angst vor den Bossen: There Is Power in a Union

21.08.2023, Lesezeit 5 Min.
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Bild: Maxi Schulz

Angriffe von der Chefseite auf kämpferische Kolleg:innen im Betrieb schüren die Angst, selber getroffen zu werden, wenn man Position bezieht. Letztlich ist Repression aber eine Frage davon, ob wir uns einschüchtern lassen oder nicht.

Now I long for the morning that they realize
Brutality and unjust laws cannot defeat us..
But who’ll defend the workers who cannot organize
When the bosses send their lackeys out to cheat us?

Ich sehne mich nach dem Tag an dem sie realisieren,
dass Brutalität und ungerechte Gesetze uns nicht besiegen können.
Aber wer wird die Arbeiter:innen verteidigen, die sich nicht organisieren können,
wenn die Bosse ihre Lakaien schicken, um uns zu betrügen? -Billy Bragg: „There Is Power in a Union“

Das englische Wort für Gewerkschaft „trade union“ oder kurz auch nur „union“ stellt das ins Zentrum, worum es bei Gewerkschaften eigentlich geht: Vereinigung.

Wir sehen in letzter Zeit immer mehr Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen,die eng miteinander zusammenhängen: Die Inflation, die unsere Löhne auffrisst, ohne das ein Ausgleich gezahlt wird, Diskussionen über die „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit – im Klartext eine Verlängerung des Acht-Stunden-Tages – oder jetzt die Sparmaßnahmen, die die Regierung angekündigt hat, um ihre Aufrüstung zu finanzieren. Während sich die wirtschaftliche und politische Krise verschärfen, kann man sich oft allein Gewalten ausgesetzt fühlen, über die man keinen Einfluss hat. Eine dieser Gewalten: Der eigene Betrieb.

Jede:r weiß, was bei der eigenen Arbeit alles falsch läuft. Im Sozial- und Erziehungssektor wissen alle, dass die Betreuungsschlüssel nicht ausreichen, dass es an allen Ecken und Enden an Ressourcen, aber vor allem an Zeit fehlt. Der Personalmangel ist dadurch noch schlimmer, wenn man bedenkt, wie schlecht diese Arbeit bezahlt wird. Vor allem, wenn es um Stellen mit viel Verantwortung gegenüber Kindern oder Pflegebedürftigen geht, die extrem stressig sein können.

Wenn sich dann aber eine Kolleg:in traut, sich gegen diese Bedingungen zu wehren, wird sie sofort bestraft. Unsere Genossin Inés, die Schulsozialarbeiterin ist, wurde vor kurzem fristlos gekündigt, weil sie ihre Kolleg:innen auf eine Kundgebung aufmerksam machte, die sich gegen die Sparmaßnahmen der Berliner Landesregierung richtete, die die Kinder und Jugendlichen an ihrer Schule getroffen hätten. Es scheint also so, als müsse man die schlechten Bedingungen einfach still und leise hinnehmen, sonst verliert man seinen Job. Aber das muss nicht so sein.

In der Vergangenheit war heutzutage Unvorstellbares, wie zwölfstündige Arbeitstage ohne Urlaubs- oder Krankheitstage, die Norm. Es wurde aber keineswegs einfach still und leise hingenommen. Deshalb haben wir heute solche Rechte. Ein:e einzelne:r Beschäftigte:r kann es nicht mit seinen:ihren Chefs aufnehmen. Doch das war auch nicht, wie man vorging. Die Arbeiter:innen schlossen sich zusammen und aus ihren Zusammenschlüssen entstanden Gewerkschaften. Für ein:e einzelne:r Beschäftigte:r ist schnell Ersatz gefunden, für eine gesamte Belegschaft ist dies deutlich schwieriger. Vor allem, wenn wir von einem Sektor wie dem Sozial- und Erziehungssektor reden, in dem starker Fachkräftemangel herrscht. Die jeweiligen Träger können so schon kaum das Personal finden, das sie brauchen.

Die Kündigung von Inés und die Kampagne darum herum zeigen zwei Dinge:
Den Chefs gefällt es gar nicht, wenn man sich über die Probleme am Arbeitsplatz äußert und versucht etwas dagegen zu tun, deswegen attackieren sie kämpferische Kolleg:innen und ihre Organisationen, die Gewerkschaften.
Man ist mit seinen Problemen nicht allein. Inés hat einen starken Rückhalt aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und von Tausenden Sozialarbeiter:innen, Lehrkräften, Erzieher:innen, Gewerkschafter:innen, Intellektuellen und Künstler:innen erfahren. Sie bekommt einen Rechtsschutz bei einer Kündigung, die wahrscheinlich rechtswidrig ist. Außerdem spenden Personen auf ihrer GoFundMe-Kampagne und unterschreiben die Petition gegen die Kündigung. Leute fühlen mit ihrer Situation und unterstützen sie.

Es gibt viele Sprüche und Lieder, wie das Lied oben von 1986, oder noch wesentlich ältere, die aus einer Zeit kommen, in der es gesunder Menschenverstand war, dass wir uns an unseren Arbeitsplätzen zusammenschließen müssen, um uns gegen die Übergriffe unserer Chefs zu verteidigen. Wir haben bei der Berliner Krankenhausbewegung und bei Notruf NRW gesehen, dass die Selbstorganisation der Kolleg:innen in den Gewerkschaften viel erreichen kann. Dort konnte nach langen Kämpfen ein Tarifvertrag Entlastung erkämpft werden, also ein Tarifvertrag, nach dem die Chefs eine gewisse Personalauslastung garantieren müssen. „There is Power in a Union“ ist heute genauso wahr wie damals. Sprecht mit euren Kolleg:innen über eure Probleme am Arbeitsplatz, tretet einer Gewerkschaft bei und stellt euch tatkräftig hinter eure Kolleg:innen, wenn eine:r von uns ungerecht behandelt wird!


Billy Bragg tritt bei der historischen ersten Gewerkschaftsgründung bei StarBucks 2022 in den USA in Buffalo auf, die gegen massive Widerstände von der Chef-Seite errungen wurde.

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