Keine Abschiebungen nach Syrien!

10.12.2024, Lesezeit 6 Min.
1
Foto: macondofotografcisi/shutterstock.com

Während israelische Bomben auf Syrien niederhageln, spitzt sich der rassistische Abschiebediskurs zu. Das BAMF hat bereits alle laufenden und offenen Asylprozesse auf Eis gelegt.

Die Bundesregierung hat scheinbar sehnlichst auf den Sturz Assads gewartet: Sie bereitet sich bereits auf massenhafte Abschiebungen nach Syrien vor. So hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bereits am ersten Tag nach dem Sturz Assads mit sofortiger Wirkung alle Asylanträge von syrischen Geflüchteten auf Eis gelegt. 47.270 Menschen sind von dieser Maßnahme betroffen. Der großen Mehrheit der syrischen Geflüchteten wurde kein dauerhaftes Bleiberecht gewährt, sondern nur eine „befristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen“, die mit einer Neueinstufung der Bundesregierung über die Lage vor Ort verfallen kann. 

Anstatt Geflüchteten Schutz zu gewähren, wird ihr Anliegen nun durch eine administrative Blockade sabotiert. Damit macht das Bundesamt bereits deutlich, was es vorhat: Warten, bis Syrien als sicheres Herkunftsland deklariert wird, um dann massenhaft abschieben zu dürfen.

Aktuelle Lage vor Ort

Dabei ist die Lage in Syrien keineswegs sicher. Der israelische Staat nutzt die instabile politische Lage aus, um eine militärische Eskalation zu starten und seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern. Nur wenige Stunden nach dem Sturz Assads marschierte die IDF ein, um die Golanhöhen, die es 1967 besetzte und die seit 1974 als „Pufferzone“ fungierten, vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch das war nur der Anfang: Die israelische Armee bombardierte in den letzten Stunden über 100 Ziele in ganz Syrien, darunter in der Hauptstadt Damaskus und Häfen im Westen. 

Laut Berichten sind auch Bodentruppen weit ins syrisches Gebiet eingedrungen. Netanjahu macht aus seinen Absichten keinen Hehl: „Der Staat Israel etabliert sich zu einem Machtzentrum in unserer Region, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war“, verkündete er triumphierend. Es gehe darum, „das Gesicht des Nahen Ostens zu verändern“. Auch die US-Regierung hat ihre Finger im Spiel und flog Luftangriffe auf Syrien.

Rassistische Debatte in Deutschland

Der deutsche Staat trägt durch seine massiven Waffenlieferungen an die Türkei, die oppositionelle Milizen ausbildete, eine Mitverantwortung für den syrischen Bürger:innenkrieg. 2019 wurde auch bekannt, dass Assad-Truppen selbst teilweise mit Waffen aus deutscher Herstellung kämpften. Ebenfalls kämpft das israelische Militär, das nun bis 25 Kilometer vor Damaskus eingerückt ist und hunderte Stellungen bombardiert, mit deutschen Waffen. 

Vor diesem Hintergrund ist es besonders zynisch, dass Politiker:innen von Union und AfD nun einen Aufnahmestopp fordern und über großangelegte Abschiebungen spekulieren. Der SPD-Landrat in Nordhausen will nun alle arbeitslosen syrischen Geflüchtete abschieben. Friedrichs Merz plädierte für eine Kooperation mit dem türkischen Regime, um ein gemeinsames Vorgehen in Frage der Rückführung von Geflüchteten zu definieren. 

Die Debatte knüpft an die massive rassistische Hetze an, die in den letzten Monaten und Jahren von Politiker:innen verstärkt wurde und für eine regelrechte Entmenschlichung von migrantischem Leben in Deutschland gesorgt hat. Ob die Remigrationsfantasien der AfD, die Kriminalisierung der Palästinabewegung, „kleine Paschas“-Aussagen von Friedrich Merz, araberfeindlichen Aussagen Cem Özdemirs oder die „arabische Großfamilien-Clan“-Rhetorik von Nancy Faeser: Es gibt etliche Beispiele, wie arabisches und muslimisches Leben in Deutschland zu einem absoluten Feindbild erklärt wurde.

Nun sitzen eben diese Politiker:innen da und stellen sich als „großzügige Unterstützer von Heimkehrern“ dar. Jens Spahn sagt, man solle doch jedem, der freiwillig geht, 1.000 Euro Startgeld in die Hand drücken und extra Charter starten. Auch der bayrische Ministerpräsident Söder forderte eine „Rückführungsstrategie„. 

Sicherlich wollen ein Teil der syrischen Geflüchtete zurück in ihre Heimat ziehen. Immerhin haben sie vor ihrer Flucht nicht nur ihre Heimat verloren, sondern auch den erhofften Schutz in Deutschland selten gefunden. Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte, Repression durch Polizei, unsichere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Es gibt aber auch einen beträchtlichen Teil von ihnen, die bleiben wollen. Hunderttausende Geflüchtete aus Syrien haben sich in Deutschland trotz aller Einschränkungen seitens der Behörden ein Leben aufgebaut. Es gibt zehntausende Kinder von syrischen Geflüchteten, die die Schule besuchen, Ausbildungen machen oder bereits arbeiten. 

Dass sich jetzt die mitunter rassistischsten Politiker Deutschlands plötzlich „zuvorkommend und die Entscheidung unterstützend“ zeigen, ist nichts als Heuchelei, um sich ihre rassistischen Fantasien erfüllen zu können. Und dieser Diskurs wird sich noch viel stärker gegenüber dem Teil der syrischen Geflüchteten verschärfen, die eben nicht freiwillig in ihre Heimat zurückkehren wollen oder können, aus materiellen oder anderen Gründen. Sie werden noch mehr zum Sündenbock des Versagens der deutschen Regierung gemacht, sie werden noch weiter den rechten und faschistischen Teilen der Bevölkerung zum Fraß vorgeworfen.

Diese Haltung ist eine moralische Bankrotterklärung, die das wahre Gesicht der deutschen Asylpolitik offenbart: Diese richtet sich nach den strategischen Interessen des Staates, humanitäre Gründe werden nur dann herangezogen, wenn sie sich mit der außenpolitischen Agenda Deutschlands decken. 

Revolutionäre Kandidatur gegen Abschiebungen und Waffenlieferungen

Ob Syrer:innen in ihre Heimat zurückkehren oder in Deutschland bleiben wollen, sollte allein ihre Entscheidung sein und nicht dem zynischen Kalkül von Politiker:innen unterworfen bleiben. Die DGB-Gewerkschaften sollen gemeinsam mit allen syrischen Geflüchteten für ihre Rechte kämpfen. Egal, ob unsere syrischen Kolleg:innen nicht arbeiten dürfen, arbeitssuchend sind oder mit uns in Betrieben arbeiten, sollen sie Teil unserer Gewerkschaften sein. Es braucht einen gemeinsamen Kampf der gewerkschaftlich organisierten Belegschaften für einen sicheren, selbstbestimmten Aufenthalt, sowie gegen die antisozialen Angriffe der Regierung, die uns alle Arbeiter:innen treffen. Wir fordern ein Ende der rassistischen Abschiebepolitik, die Öffnung der Grenzen und volles Recht auf Bewegungsfreiheit für alle Geflüchteten.

Gleichzeitig muss die Intervention von israelischen und US-amerikanischen Truppen in Syrien gestoppt werden. Deutsche Waffenlieferungen an reaktionäre Mächte, die jetzt versuchen, ihren Einfluss in Syrien zu erweitern, allen voran den israelischen Staat, die USA und die Türkei, müssen wir verhindern. 

Um diese Forderungen zu verbreiten und Widerstand gegen die deutsche Abschiebe- und Kriegspolitik zu organisieren, treten wir als RIO/KGK gemeinsam mit der RSO mit drei Direktkandidatinnen in Berlin und München zu den kommenden Bundestagswahlen an. Unterstützt unsere Kandidaturen für eine Welt ohne Grenzen, Krieg und Ausbeutung!

Zum Weiterlesen:

Mehr zum Thema