Kein Spagat – für eine Föderation sozialistischer Staaten von Europa

01.03.2019, Lesezeit 6 Min.
1

Am letzten Wochenende fand der EU-Parteitag der Linkspartei statt. Im Fokus der Aufmerksamkeit stand hierbei die Haltung zur Europäischen Union. Auch wenn es am Ende zu keiner Änderung kam, bleibt es dennoch gerade angesichts der aktuellen Lage ein wichtiges Thema.

Als die Linkspartei in Bonn zu ihrem EU-Parteitag zusammenkam, zeigten sich zwei Flügel uneins über die Frage der Europäischen Union. Während das „Forum Demokratischer Sozialismus“ (FDS) versucht die EU als liberales Projekt gegen den Rechtsruck zu verteidigen, setzt sich die „Antikapitalistische Linke“ (AKL) für eine vehementere Ablehnung der Europäischen Union, als neoliberal und militaristisch, ein. Das Forum Demokratischer Sozialismus schlug gar eine „Republik Europa“ vor. Am Ende ist es bei der alten Position geblieben. Laut der wolle sich die Linkspartei für ein „soziales, demokratisches und friedliches Europa“ einsetzen. Die Europäische Union sei dies „in vielen Bereichen nicht“. Lucy Redler von der Antikapitalistischen Linken sagte gegenüber der TAZ dazu:

„Der Programmentwurf der Linken ist ein Spagat. Die Partei versucht, es allen recht zu machen, kann damit aber die Frage, ob sie für mehr oder weniger EU-Integration ist, nicht klar beantworten.“

Dabei nehmen die Zerfallstendenzen innerhalb der EU immer mehr zu. Währenddessen versucht sich der Reformismus dagegen zu stemmen und die alte Weltordnung aufrechtzuerhalten. Dabei fantasiert sich die Linksparteiführung ein friedliches Europa daher, obwohl es in den letzten Jahren genau die gegenteilige Entwicklung gab. Die Militarisierung wurde vorangetrieben, rechte Regierungen haben sich mit einer expliziten Anti-EU-Haltung etabliert und dabei teilweise auch Arbeiter*innen mit sich gezogen, die von der EU nichts anderes kennen als Lohndumping, Massenentlassungen und Schließungen von Betrieben. In Deutschland erleben wir eine ähnliche Entwicklung. Die AfD schafft es mit ihrer Anti-EU-Haltung Teile der arbeitenden Klasse mit sich zu ziehen, besonders im Osten Deutschlands, der nach ’90 eine beispiellose Deindustrialisierung erlebt habt, die Hunderttausenden ihre Jobs kostete.

Eine konsequente Politik gegen die EU, muss deshalb auch einen Kampf gegen das kapitalistische System und dessen Militarisierung beinhalten. Die EU-freundliche Politik der Linkspartei spielt daher gerade eher der AfD in die Hände, als dass sie eine europäische Perspektive im Sinne der arbeitenden Bevölkerung präsentiert. Eine ähnliche Entwicklung könnte der Labour Party in Großbritannien blühen. Haben sie sich vor einigen Jahren noch hinter den Brexit gestellt, hat nun der liberale Pro-EU-Flügel wieder die Oberhand gewonnen und die Forderung nach einem zweiten Referendum innerparteilich durchgesetzt.

Doch das Ende der Post-Jalta-Ära rückt unerbittlich näher, ob die liberalen EU-Befürworter*innen es nun wollen oder nicht. Das ist auch die Ursache dafür, dass die Spaltung innerhalb EU größer wird. Für den Reformismus ist das keine gute Aussicht, weil er aufgrund seiner Rolle der Vermittlung zwischen den Klassen keine Antworten auf die neue Situation geben kann.

Trotz der Zerfallserscheinungen dürfen wir den Charakter der EU nicht vergessen. Es war eine Antwort des europäischen Kapitals auf die imperialistischen Weltkriege, die Europa in ein Trümmerfeld verwandelten. Der Versuch bestand darin die verschiedenen Imperialismen Europas miteinander zu versöhnen und in Einklang zu bringen. Die Antikapitalistische Linke (AKL) verweist auf diesen kapitalistischen Wesenskern der EU.

Wie bereits erwähnt steht die Krise der EU im Zusammenhang mit dem sich anbahnenden Untergang der Post-Jalta-Ordnung. China tritt als neue Weltmacht auf den Plan und versucht die USA als imperialistische Hegemonialmacht abzulösen. Bestand die Jalta-Ordnung – benannt nach dem Ort des Zusammentreffens der Alliierten am Ende des Zweiten Weltkriegs – in einer „Systemkonkurrenz“ zwischen der USA und der UdSSR, stand die USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als unangefochtene Ordnungsmacht dar. Doch China stellt die bestehende Weltordnung zunehmend in Frage.

Eine Antwort kann nicht darin bestehen die kapitalistische Antwort auf die imperialistischen Weltkriege, also die EU, zu verteidigen. Das Versprechen der EU auf Frieden und Wohlstand hat sich aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen wie politischen Spannungen als nicht einlösbar bewiesen. Die Krisen im Spanischen Staat, in Italien, in Frankreich und in Großbritannien zeigen deutlich, dass die Tendenzen zur organischen Krise sich auch in zentralen Ländern verschärfen. Die EU ist keine Lösung für diese Krise, weder für die arbeitende Klasse, die sich zunehmend von der EU abwendet, wie in Großbritannien, noch für das Kapital, für das die EU aufgrund der wachsenden Konkurrenz zu China zunehmend ein Hindernis darstellt. So hagelte es besonders aus Frankreich und Deutschland Kritik an der Weigerung der EU-Kommission, die Fusion von Alstom und Siemens zuzulassen. Man müsse doch die Situation auf dem Weltmarkt berücksichtigen. Gemeint ist die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China. Dieser Fall hat Merkel höchstpersönlich auf den Plan gerufen, die jüngst die Änderung des europäischen Wettbewerbsrechts forderte.

Ein weiteres Problem sind die nationalen Fragen in der EU. Ob ganz aktuell wieder Katalonien, die unklare Entwicklung im besetzten Nordirland oder in Belgien. In Katalonien musste die Unabhängigkeitsbewegung durch starke Repression zurückgeschlagen werden. Die Madrider Zentralregierung hatte dabei die Unterstützung der EU. Vergessen wir auch nicht, dass es die deutschen Behörden waren, die den ehemaligen katalanischen Präsidenten Puigdemont vier Monate lang hier festgehalten haben. Auch im Spanischen Staat stehen ehemalige Anführer*innen dieser Bewegung heute vor Gericht. Ebenso ist die nationale Frage in Irland eine Art Phantom. Die teilweise Befriedung des Konflikts durch das Karfreitagsabkommen 1998 steht heute mehr denn je auf wackligen Beinen. Die Auswirkungen des Brexits sind kaum vorauszusehen.

Die Theorie der Permanenten Revolution von Leo Trotzki gibt eine Antwort auf die im Kapitalismus und innerhalb der EU unlösbaren nationalen Fragen. Die Arbeiter*innenklasse muss als Anführerin der unterdrückten Massen auftreten, da das Bürger*innentum im Imperialismus seine historischen Versprechen von nationaler Selbstbestimmung und Demokratie nicht erfüllen kann. Wir sehen heute in Europa in Irland oder Katalonien, dass das Kapital unfähig ist, seine eigenen Versprechen einzulösen. Während sich der (Neo-)Reformismus europaweit den kapitalistischen Interessen unterordnet, treten wir als Revolutionär*innen für die Eroberung der Macht durch das Proletariat als Anführerin aller Unterdrückten ein. Statt die EU zu verteidigen, brauchen wir die Perspektive einer Föderation sozialistischer Staaten von Europa.

Mehr zum Thema