Kein echter Beef: Shindy, Kollegah und Farid eint intellektuelle Leere und Sexismus
Shindy, Kollegah und Farid Bang haben einen öffentlichen Beef, bei dem sie sich darauf beschränken, ihre Mütter zu beleidigen. Doch welche Ideologie steckt hinter diesem stupiden Sexismus? Und wieso können es sich die Rapper nicht leisten, ernsthaft inhaltlich aufeinander einzugehen?
Shindy, bürgerlich Michael Schindler, hat mit „Free Spirit“ einen Disstrack gegen Farid Bang und Kollegah veröffentlicht. Damit reagiert er auf die jahrelangen Sticheleien der Beiden. In seiner Antwort lässt er sich auf das Niveau der beiden Rapper herab, hauptsächlich die Mütter der Kontrahenten zu beleidigen. Auf ihren Social-Media-Kanälen freuen Kollegah, bürgerlich Felix Blume, und Farid Bang, bürgerlich Farid Hamed El Abdellaoui, sich schon. Schließlich haben sie jetzt endlich wieder einen Anlass, das zu tun, womit sie am meisten und wahrscheinlich auch einfachsten Geld verdienen: Zweitklassige Musik zu machen, in der sie fremde Mütter beleidigen.
Felix und Farid sind neoliberale Hampelmänner, die sich hauptsächlich durch ihre Männlichkeit definieren. Dafür pumpen sie ihre Körper auf und prahlen damit, dass sie der kapitalistischen Konkurrenz standhalten, auch wenn sie „von unten“ kommen. Sie machen ihr eigenes Glück zum Maßstab für ihre Fans, nicht zuletzt um einen finanziellen Gewinn daraus zu schlagen. Felix verkauft seine neoliberale Gehirnwäsche einfach als überteuerten Fitness-Kurs und nennt ihn auch noch „Bosstransformation“. Wer sein „Alpha-Mindset“ festigen und sich noch mehr kleinbürgerliche Ideen zu Gemüte führen will, der kann auch sein Buch mit zehn „Boss-Geboten“ für 22 Euro erwerben. Es geht bei all dem einzig um den individuellen Erfolg. „Mehr Boss geht nicht“, verspricht der Werbetext. Als ob es ein Ziel von armen Menschen sein sollte, Boss zu sein, anstatt wirklich für sich und seine Mitmenschen einzustehen und dafür zu sorgen, dass niemand mehr einen Ausbeuter über sich hat.
Die beiden beleidigen schon seit Jahren Shindy, bürgerlich Michael Schindler, und vor allem seine Mutter. Dieser hat nun mit seinem Disstrack zwar auf der gleichen inhaltlichen Ebene geantwortet, aber er unterscheidet sich dennoch von Felix und Farid. Michael nutzt eine gänzlich andere Ästhetik als die beiden, auch wenn er zweifelsfrei kein bisschen weniger neoliberal ist. Anstatt pumpen zu gehen, lässt er sich lieber Botox spritzen. Er macht im Gegensatz zur stumpfen Prahlerei einen auf „Old Money“ und gibt sich größte Mühe, seine gähnende Inhaltsleere mit möglichst teuren und exquisiten Marken und Produkten zu verschleiern. Von „Hocharbeiten“ wie bei Felix ist hier nichts zu sehen: „Ich kam auf die Welt und jeder war mein Angestellter.“ Michael versucht oft mit unausgesprochenen Codes den obszönen Reichen zu spielen und dem Goldstandard dessen, was man im Kapitalismus erreichen kann, zu entsprechen. Die eigene Identität drückt sich nur durch möglichst ausgewählten und elitären Konsum aus. Dass er dann noch rappt und dass „Geld nur ein Stilmittel“ sei, setzt dem ganzen die Krone auf. Vielleicht sollte man Michael und seinen Fans mal erklären, dass „Hauptsache teuer“ kein Geschmack ist und Hermès-Croco-Bags scheiße aussehen.
Um diese Inhaltsleere zu übertünchen, hilft es auch nicht, dass sie die krassesten Doppelreime finden und sich über lyrische Akrobatik profilieren. Wem es bei Rap nur um die Form des Textes und nicht um den Inhalt geht, der ist ein Blender. Trotzdem schreckt Michael nicht davor zurück, sich mit Friedrich Schiller zu vergleichen. Auch Felix bezeichnet sich gerne als „größter Dichter Deutschlands“. So machen sich diese tiefen Denker über tatsächliche Kunst lustig. Würden sie ernsthaft auf sich eingehen und die hier genannten Schwachstellen inhaltlich angreifen, würden sie letztendlich ihrem eigenen neoliberalen Markenkern schaden. Der ganze Beef bleibt also zwangsläufig oberflächlich und langweilig, wenn sie nicht ihre eigene, bürgerliche Existenz gefährden wollen. Übrig bleibt beiden Seiten in ihrer ganzen Beschränktheit nur gegenseitig ihre Mütter zu beleidigen. Letztendlich schaden sie sich auch nicht gegenseitig, denn die Zielgruppen sind zu unterschiedlich. Michael, der einen auf Millionenerben macht, wird den eher plumpen Mackern Felix und Farid, die sich gerne mit pseudo-elitenkritischen, antisemitischen Statements schmücken, nichts anhaben. Andersrum werden Felix und Farid der Marke Shindy auch keinen Kratzer zufügen. Im Gegenteil, es dient für beide Seiten als identitäre Selbstrechtfertigung gegenüber ihren Fans. Alle können ein bisschen Kiddies mit Sexismus schockieren und ihre Verkaufszahlen durch die billige Werbung steigern. Statt von Beef sollte man eher von einer sexistischen Marketingkampagne sprechen, durch die beide Seiten wieder durch die Hip-Hop-Presse geistern. Die wiederum kann mit dem Beef Klicks auf ihre Artikel und damit Werbeeinnahmen generieren.
Wer tatsächlich einen Schaden davon trägt, sind Frauen und Queers, die nicht nur die Musik aushalten müssen, sondern auch mit ihren Fans konfrontiert sind, die denken, sie seien der nächste Boss und Sexismus müsse ein fester Teil davon sein. Nach oben zu buckeln und nach unten zu treten, ist eben einfacher als ernsthaft für sich einzusehen und sich zu hinterfragen. Letztendlich schaden sich die Fans auch selbst damit, dass sie diese reaktionäre Ideologie verinnerlichen. Aber was zählt schon „Realness“, wenn man ein zweitklassiger Abklatsch seines Idols sein kann?
Dieser Beef und der ausbleibende Gegenwind zeigen mal wieder, dass das Millionen-Business Musikindustrie kein Interesse daran hat, ernsthaft etwas gegen den krassen Sexismus und auch die immer wieder vorkommende sexualisierte Gewalt zu unternehmen. Michael prahlt auf seinem Disstrack auch noch damit, dass Sony „alles so veröffentlichen“ wird. Dass Michael – genauso wie Felix und Farid – solche Macht haben und sich dieser auch noch bewusst sind, hängt eng mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zusammen. Deren fester Teil ist die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen und Queers, von der die Herrschenden profitieren. Dagegen müssen wir die Selbstorganisation von Frauen und Queers im Kampf gegen den Sexismus fördern. In den letzten Monaten haben tausende Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst, sowie im Gesundheitswesen für höhere Löhne gestreikt. Diese Streiks haben nicht nur Lohnforderungen auf die Tagesordnung gesetzt, sondern auch politische Fragen. Auch am aktuellen Pride Month sind wieder tausende im Zuge des Christopher Street Days auf die Straße gegangen. Diese Beispiele zeigen, dass Frauen und Queers Hand in Hand mit der Arbeiter:innenklasse eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und sexistische Unterdrückung erkämpfen können. Dann interessiert sich für das sexistische Theater von Michael, Felix und Farid hoffentlich niemand mehr.