Kassel: „Vielstimmigkeit im Feminismus“ verbreiten Lügen über Klasse Gegen Klasse
Wir antworten auf die Vorwürfe von "Vielstimmigkeit im Feminismus" die unsere Position zu Palästina diffamieren. Uns wird vorgeworfen sexualisierte Folter zu befürworten, antisemitische Positionen zu vertreten und die Hamas zu unterstützen. Ihr Statement trieft vor haltlosen Unterstellungen, Fake News und konstruierten Vorwürfen. Deshalb nehmen wir hier dazu Stellung.
Immer wieder stellen sich vermeintliche Linke hinter den bürgerlichen Staat und nutzen den Vorwurf des Antisemitismus um andere Linke mundtot zu machen. Unter dem Titel „Klasse gegen Klasse: Wir wollen euch nicht in Kassel“ diffamiert die Gruppe Vielstimmigkeit im Feminismus unsere Zeitung Klasse Gegen Klasse und Unigruppierung Waffen der Kritik als „autoritäre Linke, die knietief im antisemitischen Fahrwasser stehen“. Eine logisch stringente Begründung liefern sie dafür nicht. Stattdessen reißen sie Inhalte nicht nur aus dem Kontext, sondern ignorieren auch bewusst unser ganzes Programm gegen Antisemitismus.
Die Hetze dieser Gruppe reiht sich ein in die Politik des deutschen Staates, der zu massiver Repression und rassistischen Abschiebungen gegenüber Palästinenser:innen und palästinasolidarischen Menschen greift. Auch das im Statement genannte palästinensische Gefangenensolidaritätsnetzwerk Samidoun erfährt massive Repression. Laut einem Bundestagsbeschluss, der einstimmig(!) verabschiedet wurde, soll Samidoun verboten werden. Schon vor der Eskalation des Konfliktes sollte der Sprecher von Samidoun aufgrund seines Engagements abgeschoben werden. Natürlich stellen wir uns gegen diese Angriffe auf Palästinasolidarität in Deutschland. Dass Samidoun, wie im Statement beschrieben, die Enthauptung von Säuglingen feiern würde, ist falsch. Für diese Enthauptungen gibt es nicht nur gar keine Beweise, sie sind ziemlich offensichtlich Kriegspropaganda der israelischen Armee, die hier unkritisch reproduziert wird.
Auch in Kassel kam es in den letzten Wochen zu massiver Repression gegenüber Palästinenser:innen und palästinasolidarischen Menschen. Demonstrationen wurden verboten und von Seiten der Regierung, der bürgerlichen Medien und der sogenannten Antideutschen wurden viele Palästinenser:innen und Linke denunziert. In Kassel bekam der Veranstalter einer palästinasolidarischen Kundgebung beispielsweise eine Anzeige wegen Volksverhetzung .
Mit der reaktionären Gleichstellung der Hamas mit allen Palästinenser:innen wird uns dann vorgeworfen, wir würden uns nicht von der Hamas distanzieren, weil wir den palästinensischen Widerstand unterstützen. Im Gegensatz zu Israel haben wir noch nie die Hamas unterstützt. Dass wir mehrere Seiten zu den strategischen Unterschieden zwischen uns und der Hamas geschrieben haben, wird genauso wie unser Programm gegen Antisemitismus gekonnt ignoriert. Man ist offensichtlich weder an inhaltlicher Debatte noch an an einem wirklichen Kampf gegen Antisemitismus interessiert. Stattdessen tritt aus ihrem Statement ganz deutlich hervor, dass Vielstimmigkeit im Feminismus selbst antisemitische Ideen reproduziert. Klasse Gegen Klasse hatte geschrieben, dass die Ursache der brutalen Gewalt der Hamas letztlich der unterdrückerische israelische Staat und das bereits seit Jahrzehnten währende Apartheidsregime ist, welches immer wieder gewaltsame Reaktionen von Seiten der Unterdrückten hervorrufen wird. Vielstimmigkeit im Feminismus wirft uns anhand dieser Passagen vor, wir würden behaupten, dass Jüdinnen:Juden selbst an den Attacken der Hamas schuld seien. Das ist eine klare Gleichsetzung von Jüdinnen:Juden mit dem israelischen Staat. Eine eindeutig antisemitische Aussage.
Vielstimmigkeit im Feminismus konstruiert gegenüber uns haltlose Antisemitismusvorwürfe, während das israelische Apartheidsregime im Gazastreifen massenweise Zivilist:innen abschlachtet. Es wurden bereits über 8000 Menschen im Gazastreifen getötet, darunter über 3000 Kinder und 2000 Frauen. Das Wiederkäuen zionistischer Propaganda geht sogar so weit, dass sie behaupten, dass Israel “seine militärische Offensive” beenden würde, “sobald die Hamas die über 200 Geiseln frei gibt”. Das ist falsch. Die Hamas hat sogar einen Gefangenenaustausch vorgeschlagen, den Netanjahu nicht angenommen hat. Netanjahu führt seitdem den Genozid trotzdem unbeirrt weiter. Selbst einen vorübergehenden Waffenstillstand lehnt er ab, mit der Begründung, dass die USA “dem Terroranschlag vom 11. September keiner Waffenruhe zugestimmt hätten.” Seine Position ist also weiterhin nicht nur die Vernichtung der Hamas, sondern der gesamten Bevölkerung Gazas. Dass Vielstimmigkeit im Feminismus sich so sehr hinter diesen Genozid stellen, lässt tief blicken.
Was ist eigentlich Antisemitismus?
Die im Statement erwähnten Annahmen stützen sich klar auf der Antisemitsmus-Arbeitsdefinition der IHRA. Laut dieser Definition beschreibt Antisemitismus: „eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.” Diese Begriffsbestimmung ist nicht nur sehr vage, sondern auch inhaltlich stark umstritten. In einem ausführlichen Artikel gehen wir darauf ein, warum diese Definition eine Neudefinition des Antisemtismusbegriffs darstellt, welche vor allem von Rechten benutzt wird, um Linke anzugreifen.
Als Gegenentwurf zu dieser Definition entstand die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus. „Zu den Unterzeichner:innen zählen internationale Wissenschaftler:innen, die in der Antisemitismusforschung und in verwandten Bereichen arbeiten, darunter Jüdische Studien, Holocaust-, Israel-, Palästina- sowie Nahoststudien. Die Erklärung profitierte auch von der Einbindung von Rechtswissenschaftler:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft.” Die Erklärung definiert Antisemitismus wie folgt:
„Antisemitismus ist Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden als Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen als jüdische).”
In der Jerusalemer Erklärung wird klar aufgeführt, was im Kontext der Debatte um Antizionismus als antisemitisch zu werten ist, und was nicht. So heißt es, dass unter Anderem folgende Punkte nicht als antisemitisch zu werten sind:
- die Unterstützung palästinensischer Forderungen (Leitlinie 11),
- die Ablehnung von Zionismus oder die Unterstützung von Forderungen die „allen Bewohner:innen ‚zwischen dem Fluss und dem Meer‘ (from the river to the sea) volle Gleichberechtigung
- zugestehen, ob in zwei Staaten, einem binationalen Staat, einem einheitlichen demokratischen Staat, einem föderalen Staat oder in welcher Form auch immer.” (Leitlinie 12)
- faktenbasierte Kritik am israelischen Staat und somit auch die Bezeichnung Israel sei ein Apartheidstaat oder betreibe Siedlerkolonialismus (Leitlinie 13).
Damit ist klar, antizionistische Positionen, die Forderungen nach nationaler Selbstbestimmung für die palästinensische Bevölkerung oder die Abschaffung des israelischen Staates, wie er heute existiert, seien per se antisemitisch. Bereits große NGOs und andere Organisationen benennen Israel als Apartheidstaat. In dem vor einiger Zeit erschienenen Report von Amnesty International führten sie von Juli 2017 bis November 2021 Recherchen und Analysen im israelischen Staat durch. Der 280 Seiten lange Report ergab eindeutig: Israel ist ein Apartheidstaat.
Wie kommen solche Statements zustande?
Offen bleibt an der Stelle nicht nur, wieso diese Gruppe auf Denunziation statt auf Debatte setzt, sondern auch wieso sie eins zu eins die Position des deutschen Imperialismus wiedergibt. Die falschen Antisemitismusvorwürfe sehen wir nur als Vorwand, kritische, pro-palästinensische Stimmen zu silencen. Unsere Position, dass Jüdinnen:Juden, Nicht-Gläubige und Muslim:innen friedlich und befreit zusammenleben können, wird verleumdet und auf eine Ebene mit tatsächlichem Antisemitismus gestellt. Damit wird der krasse Antisemitismus, der immer noch in Deutschland existiert, verharmlost. Denn aktuell kommt es zu massiven antisemitischen Vorfällen in Deutschland, wie der Markierung von Wohnorten von Jüdinnen:Juden oder dem antisemitischen Manifest des bayerischen Spitzenpolitikers Aiwanger. Das ist der Antisemitismus der bekämpft werden muss. Stattdessen wird Antizionismus als vermeintlich antisemitisch denunziert und antimuslimischer Rassismus verbreitet. Während Vielstimmigkeit im Feminismus in einem Selbstverständnis schreiben, dass sie keine “Szenepolizei” sein wollen, machen sie diesem Begriff hier alle Ehre. Wer solche Methoden der Neuen Rechten übernimmt, und statt auf Debatte auf Verleumdung setzt, sollte sich fragen, wer hier autoritär ist. Diejenigen, die auf Selbstorganisation der internationalen Arbeiter:innenklasse setzen oder diejenigen, die den Genozid am palästinensischen Volk abfeiern und Linke canceln.
An der Universität Kassel kam es schon vorher zu massiven rassistischen Äußerungen im Zuge der konstituierenden Sitzung des AStA gegenüber der Gruppe Unidiversität. Wir stellen uns gegen die Diffamierungen seitens Vielstimmigkeit im Feminismus und werden weiterhin eine Stimme für Palästina und alle unterdrückten Völker sein.