Kapital, Gemeingüter und soziale Reproduktion. Ein Gegenentwurf zu den Ausführungen von Silvia Federici
Die Akademikerin Silvia Federici ist eine der wichtigsten linken Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und starke Bezugsfigur der weltweiten Frauenbewegung. Welche Beiträge macht Federici für einen sozialistischen Feminismus – und an welchen Stellen braucht es einen politischen Gegenentwurf, um tatsächlich den patriarchalen Kapitalismus zu überwinden? Einige Überlegungen von unserer Autorin Juana Runa von der sozialistischen Frauengruppierung Brot und Rosen in Bolivien.
Bild: Wikimedia Common
In den letzten Jahren waren wir Zeug*innen des Entstehens der Frauenbewegung in der ganzen Welt und insbesondere in unserer Region. Dieses Phänomen stellt Frauen als Protagonistinnen verschiedener Kämpfe nicht nur für die Durchsetzung geschlechtsspezifischer Forderungen wie das Recht auf Abtreibung, das Recht auf NiUnaMenos, auf gleiche Arbeitsbedingungen wie die Männer usw., sondern auch verschiedener Kämpfe gegen Extraktivismus und die Enteignung von Territorien und ihrer natürlichen Ressourcen (= Zerstörung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen) durch transnationales Kapital, gegen brutale Anti-Migrationsmaßnahmen und andere.
In diesem Szenario übernahmen einige Sektoren, Kollektive und Gruppen der heterogenen Frauenbewegung verschiedene theoretische Formulierungen von Silvia Federici und machten sie zu einer unumgänglichen Referenz für das Nachdenken über eine Welt jenseits des Kapitalismus.
Insbesondere in Bolivien liegt die Bedeutung Federicis in ihrem intellektuellen Bemühen, die Verteidigung der kommunalen Ländereien mit geschlechtsspezifischen Forderungen und aus einer feministischen Perspektive zu verbinden, die die Frage der sozialen Reproduktion in den Mittelpunkt der Diskussion stellt. Diese Verbindung zwischen den Territorien, den Gemeingütern und dem Kampf um die Aufwertung der „reproduktiven Arbeit“ wird von verschiedenen anderen Kollektiven aufrechterhalten, wenn wir die Bedeutung der Gemeinschaften in unserem Land berücksichtigen, in dem mehr als 23 Millionen Hektar als Gemeindeland (Allmende) anerkannt sind.
In den folgenden Zeilen erörtern wir einige der zentralen Achsen von Federicis Arbeit zum Feminismus und zur Politik der „Commons“ (Gemeingüter).
Einige von Federicis theoretischen Thesen
Federici erklärt, wie durch die vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank während des Neoliberalismus geförderten Strukturanpassungspläne Mechanismen durchgesetzt wurden, die nicht nur zur Plünderung der Bevölkerung durch die Vergesellschaftung der Schulden führten, sondern auch zur Schaffung neuer Einhegungen1 für Gemeingüter, die aus der Landprivatisierung und der daraus folgenden Zerstörung von Gewohnheitsrechten, kommunalen Ordnungen der Landnutzung und Formen der Subsistenz resultierten. Auf diese Weise wäre die ursprüngliche Akkumulation für Federici ein permanenter und kontinuierlicher Prozess und nicht auf einen bestimmten historischen Moment beschränkt, wie Marx feststellte.
In diesem Szenario betrachtet sie die Verteidigung des Gemeingutes als einer Form des Widerstands, die die Möglichkeit einer alternativen Gesellschaft zum Kapitalismus skizziert. Die Grundlage dafür sind die Beziehungen der Solidarität und Zusammenarbeit, die es erlauben, Raum und Zeit auf eine andere, nicht kapitalistische Weise neu zu definieren. Zu diesem Zweck stellt sie die Frage der sozialen Reproduktion in den Mittelpunkt der Diskussion und versteht, dass sie der sozialen Produktion vorausgeht und dass Frauen historisch mit reproduktiver Arbeit verbunden sind. In diesem Sinne wird der Widerstand von Frauen und Gemeinschaften gegen dPrivatisierungen auch ein Widerstand gegen die Enteignung von Wissen, Know-how und einer ganzen Kultur, die sich über Jahrhunderte um diese reproduktive Arbeit herum aufgebaut hat. Auf diese Weise bekräftigt sie, dass der Kapitalismus bankrott ist und ersetzt werden muss.
Daraus folgert sie, dass die reproduktive Arbeit die materielle Grundlage unseres Lebens und der erste Grund und Boden ist, auf dem wir unsere Fähigkeit zur Selbstverwaltung ausüben können. Mit dieser Vision scheint Federici uns zu einer Revolution einzuladen, zum „Nullpunkt der Revolution“, die sich aus der Sphäre des Häuslichen und Alltäglichen heraus entfaltet.
Alternativismus als explizite Negation der Strategie
Mit dieser Vision legt Federici den Grundstein für ein Konzept von Politik, das die Frauen als zentrales Subjekt haben wird, denn sie sind es, die in der ganzen Welt den größten Anteil an reproduktiver Arbeit leisten. Eine feministische Politik wäre also die, die die Zeit der Arbeit der sozialen Reproduktion nicht von der Zeit der politischen Organisation trennten. Die Aktivitäten des Widerstandes sind bereits Ausdruck einer neuen Form des politischen Handelns, autonom und nicht auf den Staat bezogen.
Politik, verstanden als die öffentliche Tätigkeit mit Bezugnahme auf den Staat, wird vom Sozialen einverleibt, was zu einem alternativen Politikbegriff führt. Auf diese Weise ist Federici Teil einer Strömung, die in der politischen und akademischen Welt als Autonomismus oder Alternativismus bezeichnet wird. Sie stellt sich das Denken alternative Räume der Verwaltung des Gemeinsamen und an neue soziale Beziehungen mit egalitärem Inhalt als Ziel. In ihrer Arbeit gibt sie uns einige Beispiele dafür. Ausgehend von ihren Erfahrungen in Afrika erzählt sie, wie Frauen, die ihres Landes und ihrer lebensnotwendigen Güter beraubt wurden, um ihre soziale Reproduktion zu gewährleisten, gezwungen sind, die Flächen am Rande von Eisenbahnschienen oder Autobahnen zu bewirtschaften und sich öffentlichen Raum und verfügbare Flächen „wieder anzueignen“, um Nahrungsmittel für ihren Lebensunterhalt zu produzieren. Sie nennt den Fall Argentiniens, wo angesichts der Krise von 2001 in den Nachbarschaften Tauschhandelsmechanismen und andere Formen der Subsistenzwirtschaft entwickelt wurden. Oder die städtischen Gärten (was sie als „Rurbanisierung“ bezeichnet) in einigen Stadtvierteln in Städten der Vereinigten Staaten, um Nahrungsmittel für den eigenen Verbrauch zu produzieren. Diese Erfahrungen, die Federici als Grenzen des Kapitals beschreibt, wären Ausdruck des Widerstands gegen das Kapital und Träger nicht-kapitalistischer sozialer Beziehungen.
Für diese theoretische Konstruktion erzwingt Federici bei Marx eine Trennung zwischen reproduktiver und produktiver Arbeit und ignoriert dabei, dass diese Teilung dem Marxismus fremd ist, da die Untersuchungen im Kapital bei Marx eine Untersuchung der kapitalistischen Form der sozialen Reproduktion als ein organisches Ganzes ist. Die Trennung zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit erscheint in Federici als eine Übersetzung der vom bürgerlichen Recht geschaffenen Konzepte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. Die begriffliche Trennung zwischen Produktion und Reproduktion ist ein großes Missverständnis, das uns daran hindert, die Mechanismen der Reproduktion des Kapitals und sogar den Grund für die Mechanismen der Enteignung zu sehen, die jedes Mal dann in Gang gesetzt werden, wenn eine Sphäre entsteht, die dafür empfänglich ist, für das Kapital aufgewertet zu werden. Dieser Fehler veranlasst sie zu der Behauptung, dass die Reproduktions- und Pflegearbeit im häuslichen Bereich auf verschleierte Weise zur Produktion von Mehrwert für das Kapital beiträgt und dass diese Arbeit daher der Schlüssel zum Verständnis des Phänomens der ursprünglichen Kapitalakkumulation wäre, die von Marx nicht in Betracht gezogen worden wäre. Sie kritisiert den Marxismus dafür, dass er zur Unsichtbarmachung dieser Arbeit und seiner Stigmatisierung als „unproduktiv“ beigetragen habe. Nun, dass die reproduktive Arbeit aus der Sicht des Kapitals nicht als produktiv oder nützlich angesehen wird, bedeutet keineswegs, dass sie für den Marxismus auch nutzlos oder wertlos ist, sondern vielmehr, dass all diese Arbeit in den Dienst des Kapitals gestellt wird, wobei das Gravitationszentrum zur Gewährleistung ihrer Reproduktion (des Kapitals) die Ausbeutung der lebenden Arbeitskraft ist, die Tauschwerte produziert. Somit ist die Kategorie des Wertes bei Marx keine moralische Kategorie, wie Federici vorgibt, sie zu definieren, da es sich um eine Kategorie handelt, auf die sich das Kapital bezieht. Für das Kapital wird die produktive Arbeit alles sein, was es möglich macht, dieses Kapital zu vermehren und aufzuwerten.
Diesen letzten Punkt wollen wir an einem Beispiel verdeutlichen. Die Arbeit, die zu Hause bei der Zubereitung einer bestimmten Mahlzeit für den Verzehr durch die Familie geleistet wird, d.h. die als Gebrauchswert am selben Ort ihrer Produktion erschöpft wird, wäre für das Kapital eine unproduktive Arbeit und ohne „Wert“. Dieselbe Arbeit wäre jedoch, wenn sie in einem Restaurant oder einer Pension verrichtet wird und für den Austausch auf dem Markt bestimmt ist, eine produktive und wertschöpfende Arbeit, da sie die Wertsicherung des Kapitals ermöglicht, das sie in Gang gesetzt hat. Wie wir hier sehen, gibt es keine moralische Wertung, ob sie nützlich ist oder nicht. Vielmehr gibt es eine Kategorie, die es uns erlaubt zu verstehen, wie die Prozesse der kapitalistischen Akkumulation funktionieren.
Mit dieser Vision des Reproduktiven kann die konzeptuelle Struktur Federicis keine Phänomene berücksichtigen, die wir als paradox bezeichnen könnten. Ein Beispiel dafür ist das, was sich in den Allmenden in den Quinoa-produzierenden Regionen ereignet hat, eine Tätigkeit, die historisch gesehen in den Händen von Frauen lag und im Wesentlichen für den Selbstkonsum bestimmt war, und die sich allmählich in produktive Arbeit für den Weltmarkt verwandelt hat. Ein Teil dieses Prozesses brachte das Phänomen der Landnahme durch dieselben Gemeindemitglieder ans Licht, obwohl die Rechtsformen des Landbesitzes nach wie vor kollektiv sind. Wie wir sehen, ist das Kommunale nicht von Natur aus antikapitalistisch, sondern ihm kann je nach den Reproduktionsbedürfnissen des Kapitals eine neue Bedeutung zugeschrieben werden. Dieser Prozess entbehrt auch des Geschlechts der Subjekte, die diese Transformation des Reproduktiven ins Produktive vollziehen. Die Theorie Federicis verliert an Erklärungskraft, wenn wir zum Beispiel das Phänomen der Privatisierung oder Parzellierung von Gemeindeland beobachten, das von denselben Gemeinschaften oder einem Teil von ihnen durchgeführt wird. Dies ist der Fall im ayllu (Eine Dorfgemeinschaft mit Clanstruktur, Anm. d. Ü.) Quila Quilla der Qhara Qhara Nation, wo eine interne Auseinandersetzung darüber stattfindet, ob die kollektive Rechtsform beibehalten werden oder individuelle Landtitel zugeschrieben werden sollen.
Ein zweites Problem, das sich aus dieser Vision ergibt, hat mit der Behauptung zu tun, dass die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals nicht auf einen bestimmten historischen und geographischen Moment beschränkt wäre, sondern dass dies ein kontinuierlicher und dauerhafter Prozess wäre, damit sich das Kapital weiterhin reproduzieren kann. Diese Vision über die Mechanismen der Enteignung und Akkumulation des Kapitals ist ein dehistorisierter Blick, der es verhindert, den Grund für die Ausweitung und intensive Verallgemeinerung der kapitalistischen sozialen Produktionsverhältnisse in praktisch allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens im 20. Jahrhunderts zu erklären. Ebenso übersetzt sich diese Vision Federicis der ursprünglichen Kapitalakkumulation als permanentes Phänomen auf der fundamentalen Grundlage der Enteignung (von Gemeindeland und Ressourcen und/oder durch Verschuldung) in eine Vision, in der Kapital nur auf der Grundlage der Einschließung nicht-kapitalistischer Güter und Reichtümer produziert/reproduziert werden konnte. Auf diese Weise entwertet sie schließlich die internen Mechanismen der Reproduktion des Kapitals auf der Grundlage der Gewinnung von Mehrwert aus der Arbeitskraft in dem vom Kapital kontrollierten Arbeitsprozess. Dies führt dazu, dass man nicht versteht, was das Gravitationszentrum der kapitalistischen Produktionsweise ist und was daher der Mechanismus wäre, um sie zu zerstören.
Drittens sieht Federici in Marx ein vermeintliches Vertrauen in den „fortschrittlichen“ Charakter der Technologie, Entwicklung und der kapitalistischen Produktionsweise. Der Autorin zufolge hatte Marx erhofft und erwartet, dass der technologische Fortschritt, d.h. die Tendenz zum Anstieg der organischen Zusammensetzung des Kapitals, automatisch als endgültig zum Kommunismus führen würde. Marx‘ Werk ist jedoch sehr weit davon entfernt, die Technologie als einen unabhängigen und autonomen Faktor zu verstehen, sondern konzentriert sich auf die Analyse der sozialen Produktionsverhältnisse im Kapitalismus.
Federici befasst sich in mehreren Teilen ihres Werkes mit dem zerstörerischen Verhältnis des Kapitalismus zur Natur und Ökologie und kritisiert Marx‘ angebliche Vision des fortschrittlichen Charakters des Kapitalismus. Die Tatsache, dass es keine Hinweise auf Marx‘ Behauptung und auf die marxistische Auffassung gibt, dass der Kapitalismus auf dem „metabolischen Bruch“ der Beziehungen des Menschen zur Natur beruhte, zeigt eine einseitige oder zumindest unvollständige Vision von Marx. Das Konzept des metabolischen Bruchs zwischen Mensch und Natur, das Marx 1844 formulierte2, ist zentral für das Verständnis der räuberischen Rolle des Kapitalismus für Natur und Mensch, dem er laut Federici wenig Bedeutung beizumessen scheint. Ebenso ist dieses Konzept in einer Zeit, in der die ökologische Krise zur Zerstörung des Planeten führt und das Leben unserer Spezies bedroht, grundlegend für das Verständnis des Bruchs des Menschen mit sich selbst, durch die Entfremdung seiner selbst, seiner Verdinglichung und damit seiner Entmenschlichung. Der durch die kapitalistische Großindustrie verursachte metabolische Bruch mit der Natur ist für den Marxismus nicht nur ein Konzept, sondern ein zu lösendes politisches Problem, dessen Voraussetzung die Beendigung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse ist.
Schließlich und als viertes Element ist die Idee der sozialen Klassen zu problematisieren, da für Federici die Subjekte, die sich dem Vormarsch des Kapitals widersetzen, nicht die Lohnabhängigen wären, sondern sich dieses Konzept auf Frauen, Geflüchtete, Obdachlose, Banditen und alle Opfer der kapitalistischen Ausplünderung und Ausbeutung erstrecken würde. Mit Beiträgen aus den Formulierungen von Franz Fanon und ihrem eigenen Beitrag mit Caliban und der Hexe versucht sie, andere gesellschaftliche Themen sichtbar zu machen, die durch die theoretische Konstruktion des Marxismus und seine proletarische Zentralität unsichtbar gemacht würden. Mit diesen Beiträgen bringt sie mit ihren Worten erneut zum Ausdruck, dass die Erfahrung der Kolonien ein Überdenken des Marxismus als Ganzes erfordert, damit er entweder neu formuliert wird, um die Erfahrungen von 75% der Weltbevölkerung, die keine Proletarier*innen sind, einzubeziehen, oder er würde aufhören, eine befreiende Kraft zu sein und eher „zu einem Hindernis für diese werden“. Sie kann jedoch weder den Strukturwandel der Arbeiter*innenklasse in den letzten Jahrzehnten erklären, wobei heute mehr als 40% der entlohnten Arbeitskräfte weiblich sind, noch das Wachstum derselben Arbeiter*innenklasse, die heute in sozialer Hinsicht zahlenmäßig viel größer ist als zu den Zeiten, als Fanon sein Werk schrieb. Mit ihrer Vision verwässert Federici, die nicht versteht, was das Gravitationszentrum des Kapitalismus ist, schließlich das Subjekt das aufgrund seiner strategischen Position in der Produktion, der Verteilung von Gütern und ganz allgemein im Funktionieren der gesamten kapitalistischen Gesellschaft (Dienstleistungen, Finanzen usw.) den endgültigen Schlag gegen das Gravitationszentrum des Kapitalismus auslösen könnte. Es ist diese strategische Position, die den Aufbau einer antikapitalistischen Hegemonie über jene 75% ermöglichen könnte, die laut ihr für den Marxismus unsichtbar wären. Die Möglichkeit, Hegemonie aus dem Herzen der kapitalistischen Produktionsweise heraus aufzubauen, ist diejenige, die es erlaubt, eine Strategie zu schmieden, um den Kapitalismus zu besiegen und nicht „alternativ“ mit ihm zu leben.
Für Federici hingegen basiert der Kampf gegen den Kapitalismus auf dem Knüpfen von Netzen von Solidaritäts- und Widerstandsaktionen, auf einer Politik, die sich nicht auf den Staat bezieht und die daher als Alternative zum Kapitalismus aufgebaut werden soll; das heißt, es ist eine Logik des absoluten Widerstands, eine ausdrückliche Ablehnung jeder Strategie, die den Sturz der kapitalistischen Gesellschaft als politisches Ziel anstrebt. Mit anderen Worten: eine Strategie, um den Moment finden, um vom Widerstand zur Offensive überzugehen. Der Kampf gegen den Kapitalismus, dem dieser politische Motor entzogen wurde, rückt dann in den Bereich der Moral als einer Pflicht „auf Leben und Tod“3.
Abschließend können wir sagen, dass Federici, obwohl sie ein sehr spezifisches Konzept der Beziehung zwischen Gemeingütern, reproduktiver Arbeit und der Rolle der Frau in dieser Arbeit entwickelt, mit anderen Strömungen des autonomen Denkens eine gemeinsame Vision teilt, wie dem Kapitalismus begegnet werden kann – den Alternativismus – , indem sie vom Kapital geschaffene Situationen wie die Subsistenzproduktion idealisiert und dieses Bedürfnis zu einer Tugend macht. Der Kampf gegen den Kapitalismus hört auf, ein erreichbares politisches Ziel zu sein und wird nur noch zu einer moralischen Richtlinie für den Widerstand.
Die wachsende strategische Rolle der arbeitenden Frauen
Wir stimmen mit Federici überein, dass Frauen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Kapitalismus spielen können und müssen. Das mächtige Aufbegehren von Millionen von Frauen auf der ganzen Welt, die das Patriarchat auf den Straßen in Frage stellen, verletzte Grundrechte wie die Kontrolle über unseren eigenen Körper und Forderungen, die sich auf den wirtschaftlichen und sozialen Bereich erstrecken, fordern, verändert die politischen Agenden in verschiedenen Ländern. Dieses Erwachen vollzieht sich jedoch in einem Szenario, in dem durch den Vormarsch des Kapitals in mehreren Bereichen während des neoliberalen Zyklus neben der Fragmentierung, die die Arbeit der Lohnabhängigen prekärer und flexibler gemacht hat, auch die Mechanismen der Enteignung und Privatisierung verschärft wurden, wodurch die Diskussion über die reproduktive Arbeit, sowohl der Lohnabhängigen als auch der Nicht-Lohnabhängigen, in den Vordergrund gerückt wurde. Die zunehmende Privatisierung von Dienstleistungen, die mit der sozialen Reproduktion des Lebens selbst verbunden sind (wie Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit usw.), fördert den Widerstand nicht nur von Seiten der Lohnarbeiter*innen, sondern auch aus den Gemeinden, Slums usw.
All diese Veränderungen geben Frauen eine privilegierte, strategische und gefährliche Position. Das heißt, ein Ort der „Brücke“ zwischen der reproduktiven und der produktiven Sphäre – getrennt durch den Kapitalismus – und der Möglichkeit für Frauen, eine strategische Rolle im Kampf für die Einheit der Arbeiter*innenklasse und gegen den Kapitalismus und das Patriarchat zu spielen, um jene künstliche, von der kapitalistischen Gesellschaft selbst verursachten Trennung zwischen der reproduktiven und der produktiven Sphäre, zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten, zwischen dem Sozialen und dem Politischen, zwischen der Gewerkschaft und der Politik zu überwinden.
Diese „Brücke“ erhöht die Bedeutung, dass sich die Arbeiter*innenklasse die geschlechtsspezifischen Forderungen zu eigen macht, die im 20. Jahrhundert aufgrund der konservativen und mitschuldigen Rolle des Stalinismus und der Gewerkschaftsbürokratien, die an bloße tarifliche und gewerkschaftliche Forderungen gewöhnt sind, im Wesentlichen nicht als Forderungen der Klasse berücksichtigt wurden. Heute müssen sie als Klassenforderungen betrachtet werden, die das Fundament dafür legen, dass die Frauen zum Treibstoff werden, der die großen Trennungen zwischen den Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich in den letzten Gräben des Gewerkschaftswesens und Syndikalismus noch wehren, zu überwinden, in dem letztere aus ihrer Lethargie herausgezogen werden.
Wenn die Frauenbewegung heute in die Fabriken, Unternehmen, Werkstätten und anderen Hebel der kapitalistischen Wirtschaft eindringt, kann sie die politische Wiederbelebung der Arbeiter*innenbewegung herbeiführen. Diese Situation wirft auch die Möglichkeit auf, dass Frauen nicht mehr nur als Opfer einer doppelten, dreifachen Unterdrückung angesehen werden, sondern dass wir von den Vertretern der kapitalistischen Gesellschaft, der Gewerkschaftsbürokratie usw. allmählich als gefährliche Subjekte betrachtet werden.
Aus dieser Perspektive kämpfen und fördern wir die Organisierung und Mobilisierung der Arbeiterinnen, weil wir gemeinsam mit unseren Kollegen die Fäden der Weltwirtschaft innehalten und weil wir es sind, die eine Perspektive des antikapitalistischen Kampfes als politisches Ziel säen können, weil wir die Möglichkeit haben, die gesamte Arbeiter*innenklasse, nicht mehr von ihrer eigenen Reproduktion getrennt, in einem revolutionären Sinn zu verwandeln.
Kapitalismus und Patriarchat werden nicht einfach zugrunde gehen, Kapitalismus und Patriarchat müssen zerstört werden!
Fußnoten
1. Der Begriff der Einhegung bezeichnet „eine Reihe von Strategien, derer sich die englischen Herren und wohlhabenden Bauern bedienten, um das gemeinschaftliche Landeigentum abzuschaffen und ihre eigenen Ländereien zu vergrößern“. Silvia Federici, 2012. Caliban und die Hexe: Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation. Wien: Mandelbaum kritik & utopie.
2. Karl Marx, 1844. Ökonomisch-philosophische Manuskripte.
3. Silvia Federici, op. cit.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch bei La Izquierda Diario.