Kanonen ohne Butter: Regierung bereitet weitere Kürzungswelle vor

11.04.2024, Lesezeit 8 Min.
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Christian Lindner (MdB, Bundesvorsitzender FDP) Foto: stephan-roehl.de

In den Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2025 werden weitreichende Sparmaßnahmen angekündigt, die vor allem den ÖPNV und die Kindergrundsicherung treffen. Die Kürzungen sind der Preis für die Kriegstüchtigkeit.

Die Verhandlungen über den Bundeshaushalt für 2025 haben begonnen und es stehen bereits umfangreiche Kürzungen zur Debatte. Da die Regierung an der Schuldenbremse und der Erhöhung der Militärausgaben festhält und gleichzeitig die Gewinne und Vermögen der Kapitalist:innen nicht antastet, klafft im Haushalt für das kommende Jahr eine Lücke von geschätzt 15 bis 30 Milliarden Euro.

Um dieses Loch zu stopfen, legte Finanzminister Lindner (FDP) ein Papier vor, das den Etat für die verschiedenen Ministerien im Voraus festlegt und umfangreiche Einsparungen vorsieht. Die Minister:innen müssen bis zum 19. April ihre Finanzplanung für 2025 dem Finanzministerium melden. Lindner kündigte bereits an, Pläne, die die von ihm festgelegten Ressortobergrenzen überschreiten, nicht zu akzeptieren. Stark betroffen von den Sparmaßnahmen sind das Verkehrsministerium, bei dem im Vergleich zum Vorjahr 5,19 Milliarden Euro gekürzt werden sollen und das Familienministerium, bei dem 870 Millionen Euro gekürzt werden sollen. 

Konkret bedeutet das, dass es keine Sanierung der maroden Schieneninfrastruktur und keinen Ausbau des besonders in ländlichen Regionen stark unzureichenden öffentlichen Nahverkehrs geben wird. Dabei wäre dies im Angesicht der fortschreitenden Klimakatastrophe extrem wichtig, um eine Alternative zum umweltschädlichen Autoverkehr zu schaffen. Die Kürzungen dürften aber eher zu einem noch stärkeren Verfall beitragen und damit den Klimawandel weiter befeuern. Auch werden sie sich höchstwahrscheinlich in einer Erhöhung der Ticketpreise niederschlagen und damit zu Verarmung und Ausschluss von Mobilität bei den prekären Schichten der Arbeiter:innenklasse, der Rentner:innen und der Jugend führen. 

Die Kindergrundsicherung hängt fest

Im Falle des Familienministeriums bedeutet die Einsparung, dass die Kindergrundsicherung nach dem Willen der FDP endgültig begraben werden soll. Der Gesetzesentwurf hängt seit November 2023 in der 1. Lesung im Bundestag fest. Das Projekt, welches einst als emanzipatorische Sozialreform, die Kinder aus der Armut hieven soll, angekündigt wurde, wurde seit dem Regierungsantritt der Ampel immer mehr zur Farce degradiert. Von den ursprünglich geforderten 12 Milliarden blieben nur noch 2,4 Milliarden übrig, wodurch effektiv kaum etwas gegen Kinderarmut hätte bewirkt werden können. Doch statt der nötigen -wenn auch deutlich niedrigeren- Erhöhung des Familienetats für die Einführung soll der Etat nun gekürzt werden. Lindner verweist stattdessen auf die Notwendigkeit, etwas gegen die Arbeitslosigkeit der Eltern zu tun, aus der Kinderarmut oft resultiert. 

Doch was Lindner meint, wenn er bessere Integration von Eltern in den Arbeitsmarkt fordert, zeigt sich an den Diskussionen zum Bürger:innengeld: Durch Drohung mit Sanktionen, also Kürzungen von staatlichen Leistungen, statt ordentlichen Löhnen. Besonders alleinerziehende Frauen sind davon betroffen, nach ihrer Elternzeit nicht mehr in Vollzeitanstellungen zu kommen oder in Teilzeit aufgrund der Doppelbelastung durch die Kinderbetreuung und die Gender Pay Gap nicht genug zu verdienen, um den Lebensunterhalt für sich und die Kinder bestreiten zu können. Mit niedrigen Löhnen hat Lindner aber bekanntlich kein Problem. 

Es mutet darüber hinaus schon sehr zynisch an, wenn Lindner bei all den Forderungen nach Kürzungen im Haushalt bei Sozialem mehr Geld für KiTas und Schulen fordert und das einer auskömmlichen Grundsicherung für Kinder entgegenstellt. Seine Hauptsorge ist nicht das Wohl von Kindern, sondern dass das “sozialpolitische Instrument dem Arbeitsmarkt bis zu 70.000 Erwerbstätige” entziehen könnte. Im selben Atemzug lässt er es sich auch nicht nehmen, rassistische Stereotype von mangelnder Integration und Sprachkenntnissen für Kinderarmut verantwortlich zu machen und nicht etwa die strukturelle, rassistische und sexistische Unterdrückung.

Das aktuelle Gerangel um zukünftige Zuständigkeiten bei der Beantragung der Leistungen aus der Kindergrundsicherung ist ein weiteres wichtiges Problem. Vor allem für Kinder von Erwerbslosen ist die Situation noch unklar. Vor dem Hintergrund von Lindners Aussagen ist hier zu befürchten, dass Erwerbslose durch die Ampel-Koalition noch stärkere Einschränkungen auferlegt bekommen, als ohnehin schon. Eine Bündelung der Kindergrundsicherung in einem Familienservice wäre daher ein wichtiger Fortschritt, um zu vermeiden, dass Eltern zu zig verschiedenen Stellen müssen, um Leistungen zu beantragen – was letztlich immer wieder dazu führt, dass nicht alle staatlichen Leistungen in Anspruch genommen werden, obwohl gegebenenfalls ein Anspruch besteht. 

Andererseits macht das aber auch notwendig, dass genug Personal vorhanden ist. Schon heute arbeiten viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst am Limit. Entsprechend braucht es für Beschäftigte auch die Möglichkeiten während der Arbeitszeit durch ausreichende Schulungsangebote, sich in neue Vorschriften einzuarbeiten und das nicht neben den üblichen Tagesaufgaben noch bewältigen zu müssen. Dass die Grünen bezüglich Ihrer Forderung nach der Schaffung von 5.000 neuen Stellen für die Kindergrundsicherung zurückrudern, zeigt, dass die Ampel kein Interesse daran hat, die Belange von Beschäftigten zu berücksichtigen.

Moratiorium für Sozialsausgaben

Darüber hinaus forderte Lindner ein Moratorium für Sozialausgaben. In den kommenden drei Jahren sollten laut ihm keine neuen Sozialausgaben bewilligt werden. Auch sprach er sich für eine Nullrunde beim Bürgergeld 2025 aus. Der ohnehin schon kaum zum Überleben reichende Betrag für Erwerbslose soll also faktisch weiter abgesenkt werden, denn die Inflation lag im Januar und Februar immer noch bei über zwei Prozent. Die Grünen und SPD gaben zwar an, dagegen zu sein, gleichzeitig fordert Robert Habeck aber andere soziale Angriffe, in der Form von „Anreizen“ für eine Verlängerung der Arbeitszeit. 

Die Einfrierung der Sozialausgaben rechtfertigt Lindner damit, dass die Regierung so mehr Geld in die Bundeswehr investieren könne. Passenderweise ist das Verteidigungsministerium auch eines der wenigen Ministerien, bei denen laut seinen Vorgaben nicht gespart werden soll. Boris Pistorius (SPD) reicht das nicht, er verlangt trotz des 52 Milliarden Euro hohen jährlichen Militäretats und des Sondervermögens 6 Milliarden mehr für Aufrüstung. Dazu kommen die milliardenschweren Waffenlieferungen für den Stellvertreterkrieg in der Ukraine. 

Der Kurs der Ampelregierung, Kürzungsmaßnahmen zu Lasten der Arbeiter:innen, Armen und der Umwelt durchzuführen, um die Militarisierung voranzutreiben, setzt sich also weiter fort.

Durch „Expert:innen” wie den IFO-Präsidenten Clemens Fust, die mit leicht abgewandelten Nazi-Parolen wie „Kanonen ohne Butter” in Talkshows die Bevölkerung auf Verzicht einschwören, aber auch mit rassistischen Debatten wie der um die Bezahlkarte für Geflüchtete wird dieses Programm ideologisch unterfüttert. 

Uns soll weisgemacht werden, die Aufrüstung diene unserer Sicherheit. Doch die Sicherheit, um die es geht, ist nicht die der Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiter:innen und Armen, sondern die der imperialistischen Banken und Konzerne. Angesichts der zunehmenden internationalen Spannungen und unsicheren ökonomischen Aussichten sieht die herrschende Klasse immer mehr die Notwendigkeit des Militarismus, um ihren politischen Einfluss und ihren Anspruch auf Ausplünderung der Ressourcen und Ausbeutung der Arbeitskraft in der ganzen Welt zu sichern. 

Die Arbeiter:innen und Armen sollen dafür mit Einbußen in ihrem Lebensstandard zahlen und, wenn es hart auf hart kommt, im Krieg verheizt werden, um die Profite des Kapitals zu schützen. Das deutet sich in den Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht und an der verstärkte Präsenz der Bundeswehr an Schulen und Unis an.

Was es braucht, sind nicht immer mehr Ausgaben für Waffen und Krieg, sondern massive Investitionen in den öffentlichen Verkehr, den Klimaschutz, Soziales, Gesundheit und Bildung. Es braucht eine automatische Anpassung von Löhnen und staatlichen Leistungen an die Inflation und ein Ende der Gender Pay Gap. Darüber hinaus sind Arbeitsverkürzungen bei vollem Lohnausgleich notwendig, damit Teilzeitbeschäftigung insbesondere für alleinerziehende Frauen nicht automatisch Armut bedeutet. Letztlich ist auch ein drastischer Ausbau von KiTa-Plätzen, insbesondere von Ganztags-KiTas, notwendig, um die Betreuung von Kindern möglichst kollektiv zu ermöglichen. 

Anders als behauptet wird, ist mehr als genug Geld vorhanden; es liegt bei den Kapitalist:innen, in deren Interesse die Kürzungen umgesetzt werden. Wir kämpfen daher für eine entschädigungslose Enteignung der Banken und Konzerne und die demokratische Planung von Produktion und Finanzwesen. Die Politiker:innen stehen klar und unmissverständlich auf der Seite des Kapitals. Daher müssen wir uns unabhängig organisieren und diese Forderungen gegen ihren Willen umsetzen.

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