China oder USA: Ein Flügelkampf des deutschen Kapitals
Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA muss sich das deutsche Kapital entscheiden, welchen wichtigen Handelspartner es fallen lässt. Dabei profitieren verschiedene Sektoren in unterschiedlichem Ausmaß von den Handelsbeziehungen mit den beiden größten Volkswirtschaften.
Klar ist, dass die deutsche Bourgeoisie wie keine zweite vom Export abhängig ist. Im letzten Jahr erwirtschaftete die deutsche Volkswirtschaft einen Exportüberschuss von 287 Milliarden US-Dollar. Davon wurde deutlich mehr durch den Export in die USA erzielt als durch den nach China. Während Waren im Wert von 111,5 Milliarden Euro in die USA gingen, betrug der Export in die zweitgrößte Volkswirtschaft gerade einmal 86,2 Milliarden Euro.
Jedoch verdienen die verschiedenen Sektoren unterschiedlich stark am Handel mit China und den USA. Beim deutschen Export spielen vor allem Kraftwagen und Kraftwagenteile, Maschinen und chemische Erzeugnisse eine Rolle. Diese drei Branchen machen 42 Prozent der deutschen Ausfuhren aus. Besonders für die deutsche Automobilindustrie stellt China einen wichtigen Absatzmarkt dar. Über vier Millionen Fahrzeuge konnte allein Volkswagen 2017 in China verkaufen. Dagegen waren es 2016 in den USA lediglich 1,33 Millionen Fahrzeuge, die die deutschen Autobauer insgesamt absetzen konnte. China ist der größte Automarkt weltweit. Deutlich über 20 Millionen Autos wurden bis jetzt pro Jahr dort verkauft und laut Prognosen sollen es gar 30 Millionen in den kommenden Jahren werden. Hingegen stagniert der US-Markt bei insgesamt 17,5 Millionen Fahrzeugen, die 2016 in den USA verkauft wurden. Zudem besitzt die deutsche Automobilindustrie einen ganz anderen Stellenwert in China. Während deutsche Marken in den USA kaum Fuß fassen können, kommt fast jedes chinesisches Taxi von Volkswagen.
Neben Kraftfahrzeugen konnte die deutsche Wirtschaft beim Export von Maschinen zulegen. Um insgesamt 3,2 Milliarden Euro wuchs der Export an Maschinen nach China. Es ist gut möglich, dass in diesem Segment der Export nach China den in die USA überholen wird. Der Export von Maschinen nach China betrug 2017 bereits 17,8 Milliarden Euro. Damit betrug er 0,6 Milliarden Euro mehr als der Vorjahresexport von Maschinen in die USA. Zudem wächst der Handel im Bereich Maschinen mit China schneller. Um insgesamt 3,2 Milliarden Euro stieg der Export von Maschinen nach China. Im selben Zeitraum konnten lediglich 1,9 Milliarden Euro mehr Maschinen aus Deutschland in die USA verschickt werden. Im Jahr 2019 könnte der Export an Maschinen nach China denjenigen in die USA um zwei Milliarden Euro übertreffen.
Anders sieht es jedoch bei den chemischen Erzeugnissen aus, zu der auch die Pharmaindustrie gehört. Für die sind vor allem die USA ein wichtiger Handelspartner. Denn das Exportvolumen von Arzneimitteln nach China beträgt lediglich 2,5 Milliarden Euro, womit es zehn Milliarden Euro niedriger ist als in die USA. Denn vor allem Medikamente können leicht kopiert werden. Die zur Produktion von Arzneimittel nötigen Maschinen kommen allerdings aus Deutschland.
Welch großes Interesse die deutsche Pharmaindustrie am US-Markt besitzt, bewies Bayer mit der Übernahme von Monsanto. Auch ihr Einfluss auf die Bundesrepublik ist kaum zu unterschätzen. Im Fall der Abwicklung des Kali-Salz-Werks von Bischofferode 1993 in der ehemaligen DDR sahen wir die guten Verbindungen zwischen BASF und der deutschen Politik: Mithilfe der Kohl-Regierung nutzte die BASF die deutsche Wiedervereinigung, um einen großen Konkurrenten loszuwerden. BASF übernahm die Kaliproduktion der ehemaligen DDR, dem damals weltweit drittgrößten Exporteur von Kali-Salz. Mit der Abwicklung und Schließung durch die BASF-Tochter Kali+Salz schnitt man der Konkurrenz die Versorgung ab. BASF nutze dies, um sich auf dem weltweiten Düngemittelmarkt einen Vorteil zu verschaffen.
Es bleibt fraglich, welcher Flügel des deutschen Export-Kapitals sich schlussendlich in der China-USA-Frage durchsetzen wird oder welche Zugeständnisse gemacht werden. Gleichzeitig zu seinen Absatzchancen bietet China auch ein großes Potential, was die Agrarproduktion angeht, die bisher noch stark unterentwickelt ist. Das chinesische Gefälle zwischen Stadt und Land ist immer noch sehr groß. Währenddessen ist die US-Landwirtschaft sehr weit entwickelt und erzeugt eine hohe Nachfrage für chemische Erzeugnisse, wie Düngemittel.
Allerdings wäre es zu kurz gedacht, allein aus den ökonomischen Verbindungen eine Prognose zu geben. Denn mit dem Zusammenstoß von Kapitalblöcken gehen auch Kriege einher: Die letzte Ablösung eines Hegemons durch einen anderen, Großbritanniens durch die USA, war sogar von zwei Weltkriegen begleitet – in denen die beiden nie gegeneinander kämpfen mussten. Die Verwicklungen der deutschen hochentwickelten Exportindustrie werden aber für kommende Konflikte auf jeden Fall eine große Rolle spielen, und es der deutschen Bourgeoisie im Fall einer US-Konfrontation gegen China nicht so leicht machen, die US-Seite einzunehmen. Unter anderem vor diesem Hintergrund lesen wir auch die Debatte um eine europäische Armee, in Konkurrenz zur US-geführten NATO.