Kämpferische Kundgebung gegen Rechtsruck und Abschiebungen an der FU – wie weiter?

05.02.2025, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Elaine Toszka/KGK

Dutzende Studierende haben sich heute vor der Freien Universität Berlin versammelt, um gegen den abscheulichen Status Quo und die widerwärtigen Abschiebefantasien von Merz & Co. zu protestieren. Es braucht jetzt Versammlungen und Selbstorganisierung, um eine gesellschaftliche Bewegung gegen den Rechtsruck aufzubauen.

„Wir sehen, dass Faschismus nicht mit Parlamentsdebatten besiegt wird, sondern nur mit organisiertem Widerstand“, betont Max von Studis gegen Rechts diesen Mittag vor der Mensa II an der FU. Es ist der Ort, an dem an der FU vor fast anderthalb Jahren die erste pro-palästinensische Kundgebung stattfand, zu einem Zeitpunkt, als sich die Studierendenschaft weltweit als eigenständiger Akteur zu erheben begann, um den Kampf gegen den westlichen Imperialismus aufzunehmen. Auch im Kampf gegen Rechts steht die Studierendenschaft in Deutschland mit an erster Stelle. Mindestens die Hälfte der Demonstrant:innen, die sich in Riesa mit ihren Körpern der AfD und dem Staat entgegengestellt haben, waren Studierende. 

Riesa war das gelungene Beispiel dafür, wozu wir fähig sind, wenn wir uns vereint als Masse widersetzen. Auch der Umstand, dass das geplante Abschiebegesetz von dem Rassisten Merz verhindert werden konnte, ist den Massen auf der Straße zu verdanken, die letzte Woche zwischen Mittwoch und Freitag gegen die gemeinsame Sache von CDU und AfD auf die Straße gegangen sind. Genau dies führte auch RIO-Bundestagskandidatin Inés Heider in ihrer Rede aus. Nicht die Gegenstimmen von SPD, Grünen oder der Linkspartei haben im Parlament das Gesetz verhindert – sondern unser Protest, unsere Mobilisierungen, unsere Organisierung auf der Straße: „Die wirksamste Gegenkraft sind wir selbst.“ Inés betont weiter: „Egal wie die Kräfteverhältnisse im Parlament aussehen – ich will mit euch allen eine Opposition auf der Straße aufbauen.“ 

Angesichts dieser Tatsache sollten wir darüber diskutieren, ob die derzeit stattfindende Priorisierung des SDS innerhalb von Studis gegen Rechts für den Haustürwahlkampf von Ferat Koçak (Die Linke) das geeignetste Mittel im Kampf gegen Rechts darstellt. Kann die Schlussfolgerung aus unseren gemeinsamen Kämpfen in Riesa, in Essen, aus den Erfahrungen von letzter Woche wirklich sein, nun unsere geeinten Kräfte in Wahlkampf für Die Linke zu stecken? Die mit Abschiebungen in Landesregierungen, Mitverantwortung bei der Entrechtung von Geflüchteten, Nicht-Umsetzung von DWE und Schweigen zum Gaza-Genozid dem Rechtsruck nicht konsequent entgegentreten konnte.

Dies bedeutet nicht, dass wir Wahlen den Rücken kehren sollten, wenn sich die Mehrheit der Bevölkerung so intensiv mit diesen auseinandersetzt. Der Kern liegt darin, gerade den Wahlkampf und mögliche Parlamentssitze als Bühne für das Vorantreiben von Kämpfen zu nutzen und sich nicht wie Die Linke an den Staat anzupassen. Wir wollen zeigen, dass echte gesellschaftliche Veränderungen nur durch Kämpfe der Arbeiter:innen und Jugend erreicht werden können, anstatt immer wieder Illusionen darin zu schüren, die AfD könnte durch ein paar mehr Sitze im Parlament gestoppt werden.

In diesem Zeichen steht auch die sozialistische Wahlkampagne von Inés Heider, Franziska Thomas und Leonie Lieb, die wir unterstützen. Wir vertreten ein konsequent antikapitalistisches und antirassistisches Programm für offene Grenzen, für ein freies Palästina und für die entschädigungslose Enteignung der Konzerne und Banken. Wir sagen nicht: „Wählt uns, damit wir eure Forderungen umsetzen“, sondern: „Lasst uns gemeinsam für die Umsetzung der Forderungen aktiv werden und kämpfen“. So haben wir etwa aus dem Berliner Wahlkampfkomitee heraus einen kämpferischen und antirassistischen Block auf der Großdemo am Sonntag organisiert.

Die Frage bleibt also, wie es nach der Kundgebung weitergehen muss und wie unsere Rolle als Studierende aussieht. Wie ein:e Referent:in vom AStA betonte: „Wir müssen uns an den Orten, wo wir uns tagtäglich aufhalten, organisieren.“ Dahingehend schlug Tabea von Waffen der Kritik in ihrer Rede vor, regelmäßige Teach-ins, Versammlungen und Aktionen, riesige Mobilisierungen, beispielsweise zu den kommenden Demos zum 8. März und dem Hanau-Gedenktag zu organisieren, mit einer Perspektive, die auch die Politik der etablierten Parteien anklagt. Der AStA sollte dabei eine tragende Rolle und breit innerhalb der Studierendenschaft mobilisieren. Doch für uns als Studierende zu protestieren, reicht nicht. Der Protest muss zum anderen in die Gesellschaft hereingetragen werden, insbesondere in die Betriebe, führte Tabea aus. Es sind die Beschäftigten, die die Gesellschaft am Laufen halten. Sie können den Rechtsruck besser bekämpfen als jedes AfD-Verbot, weil sie die Ursachen bekämpfen können, die ihn überhaupt erst hervorgerufen haben. Insbesondere politische Streiks – also Streiks, die mit politischen Forderungen geführt werden – haben die Möglichkeit, zu einer echten Schlagkraft für die ganze Gesellschaft zu werden. 

„Stellt euch vor, in Riesa hätten die Gewerkschaften den Streik aufgerufen. Wir haben den AfD-Parteitag um zwei Stunden verzögert – aber was, wenn die Halle gar nicht erst offen gewesen wäre? Was, wenn Busse quer gestanden, wenn die Technik gefehlt hätte? Wenn Arbeiter:innen und Studierende gemeinsam gestreikt und blockiert hätten?“

Gewerkschaften kritisieren schon jetzt die Asylrechtsverschärfungen und setzen sich für Vermögenssteuern und massiven Investitionsprogrammen ein. Doch problematischerweise rufen sie nicht zum Streik für diese Forderungen auf. 

Genau deswegen war es auch so wichtig, dass Claudius als Beschäftigter aus der ver.di-Betriebsgruppe der FU auf der Kundgebung gesprochen hat. Er kämpft für politische Streiks in der Gewerkschaft. In seiner Rede betonte er unter anderem die Kürzungsmaßnahmen des Landes, die den Rechtsruck noch weiter befeuern. Er stellte heraus, dass sich die FU nach außen demokratisch gibt, doch hinter den Kulissen massenhaft Tarifverträge bricht und Zuschläge nicht auszahlt, was zu Existenzängsten der Beschäftigten beiträgt, die sich teilweise der AfD zuwenden. Claudius selbst wurde im vergangenen Jahr als Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe abgemahnt, weil diese in einem Aufruf zu einer Demo gegen die AfD eine Verbindung zwischen der arbeiter:innenfeindlichen Haltung der FU und dem Rechtsruck zog. Es ist ein Skandal, dass diese Abmahnung vor kurzem nun auch noch gerichtlich bestätigt wurde. Doch ein Grund, den Kampf aufzugeben, kann das niemals sein.

Mit der Aufforderung „Warten war gestern – jetzt ist die Zeit zu kämpfen!“ beendet Max von SgR seine Rede. Die Umstehenden klatschen und das Gefühl macht sich breit: Es sind nicht hochnäsige Berufspolitiker:innen, die uns ein geplatztes Versprechen nacheinander servieren, auf die wir hoffen können – es ist die Kraft, die wir haben, wenn wir uns organisieren. 

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