Kämpfen lohnt sich: Kündigung von Inés Heider rechtswidrig
Die Sozialarbeiterin und Gewerkschafterin Inés Heider wehrte sich gestern erfolgreich in erster Instanz gegen ihre außerordentliche Kündigung – ein wichtiger Sieg im Kampf gegen gewerkschaftsfeindliche Bosse.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigung der Sozialarbeiterin und Gewerkschafterin Inés Heider vonseiten der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) und ihres Geschäftsführers Thomas Hänsgen als rechtswidrig zurückgewiesen. Das noch nicht rechtskräftige Urteil in erster Instanz ist ein wichtiger Sieg im Kampf gegen Union Busting und gewerkschaftsfeindliche Bosse und zeigt: Kämpfen lohnt sich!
Inés Heider, die auch Sprecherin der jungen GEW Berlin ist, war im Juli vergangenen Jahres fristlos gekündigt worden. Ihr Arbeitgeber tjfbg, ein angeblich „sozialer“, freier Träger für Beschäftigte in der Sozialen Arbeit, hatte die Kündigung ausgesprochen, nachdem Inés in einer internen E-Mail an ihre Kolleg:innen die angekündigten Kürzungen bei den Geldern für Soziales kritisierte und auf die Möglichkeit für gewerkschaftliche und betriebliche Organisierung hinwies. Wie Inés, ihr Anwalt, ihre Kolleg:innen und gewerkschaftlichen und politischen Mitstreiter:innen von Beginn an betonten, stellte nun auch das Berliner Arbeitsgericht klar: Die gewerkschaftsfeindliche Kündigung war rechtswidrig.
Den gestrigen Gerichtsprozess bestritt Inés nicht alleine – circa 50 Kolleg:innen und Mitstreiter:innen beteiligten sich an einer kämpferischen Kundgebung vor dem Gericht, trotz der Uhrzeit um 11 Uhr, mitten in der Arbeits- und Seminarzeit. Auf das nun gefällte Urteil müssen wir aufbauen, denn wie die Kundgebung eindrucksvoll aufzeigte, ist Inés‘ Kündigung bei weitem kein Einzelfall, weder in der Sozialen Arbeit noch darüber hinaus.
Maxi Schulz, ebenfalls Sprecher:in der jungen GEW, eröffnete die Kundgebung mit den folgenden Worten: „Wir erleben aktuell eine tiefe soziale Krise, die sich in Reallohnverlusten, Kürzungen und Schließungen von Betrieben und sozialen Einrichtungen äußert. In dieser Zeit wächst natürlich auch der Druck in den Betrieben sich zu organisieren, doch Beschäftigte, die sich gerade zu organisieren beginnen, etwa einen Betriebsrat gründen, erleben häufig Repressionen.“ Die junge GEW, die Jugend der Bildungsgewerkschaft, stehe entschlossen hinter Inés – gegen Union Busting und die Militarisierung.
Neben der jungen GEW beteiligte sich das Solidaritätskomitee #WirSindInés, Klasse Gegen Klasse, Student:innen von Waffen der Kritik, die Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht, die Gruppe Betriebskampf, der Solitreff Soziale Arbeit Neukölln, der Solitreff Soziale Arbeit Wedding, die Jugendorganisation Revolution und der Betriebsrat der tjfbg an der Kundgebung. Die Trommelgruppe der GEW und der Liedermacher Karl Nümmes sorgten für musikalische Begleitung. Nümmes dichtete ein Lied, das direkt Inés gewidmet war. Die Führung der GEW Berlin ließ sich leider trotz expliziter Einladung bei der Kundgebung nicht blicken.
Außerdem sprach Ferat Kocak, Mitglied des Abgeordnetenhauses für die Partei Die Linke. Er betonte, wie die aktuelle Repression alle trifft, die sich nicht im Sinne der Staatsräson äußern: die Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes, die Repression gegen den Palästinakongress und die Einreiseverbote gegen Oppositionelle. Doch Kocak sagte auch: „Solidarität ist unsere Waffe, stärker als jeder Schlagstock, stärker als jede Repression.“ Die politische Dimension von Inés‘ Fall benannte Kocak ebenfalls klar: „Ines kämpft weiter gegen ein System, wo 100 Milliarden für die Bundeswehr locker gemacht werden, während jedes dritte Kind in Neukölln von Armut betroffen ist.“
Inés selbst prangerte in ihrem Beitrag die Kündigungen gegen viele ihrer Kolleg:innen an und betonte, dass „wir uns auch alle zusammen gegen sie wehren müssen – indem wir uns selbst organisieren. Weil: Wenn wir das nicht tun, wird es keine:r für uns tun. Die Führungen unserer Gewerkschaften interessieren sich ja nicht so wirklich für uns. Selbst dann, wenn sie es sollten – wie zum Beispiel im Streik. Erzieher:innen an Schulen und Schulsozialarbeiter:innen könnten ja mitstreiken, wenn die GEW-Spitze sie dazu aufrufen würde.“ Bildlich beschrieb sie: „In riesigen Streikversammlungen haben wir über einen Kampfplan abgestimmt, der die Miteinbeziehung von Erzieher:innen beinhaltet. Die Gewerkschaftsführung hat das aber bisher nicht umgesetzt. Deshalb müssen wir an der Basis weiter kämpfen –dafür, dass wir in unserer Gewerkschaft zukünftig alles alle zusammen entscheiden.“ Und zwar nicht nur im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, sondern für eine ganz andere Gesellschaft: „Eine Gesellschaft, in der keine kleine Minderheit von Kapitalist:innen Milliarden Menschen ausbeutet. Sondern eine Gesellschaft, in der wir unsere Leben selbst in der Hand haben. Dafür müssen wir uns organisieren.“
Neben Inés sprachen mehrere Beschäftigte aus dem Bereich der Sozialen Arbeit, die selbst in der Vergangenheit bei der tjfbg gearbeitet haben oder an der von der tjfbg privat geführten Hochschule für Soziale Arbeit (HSAP) studieren. Die Kollegin vom Solitreff Neukölln machte besonders darauf aufmerksam, dass der Staat und die Bosse mit der Sozialen Arbeit ein besonderes Interesse verfolgen: „Eine neue, stärker werdende sozialarbeiterische Bewegung schmeckt auch keinen profitorientierten Geschäftsführer:innen vermeintlich sozialer Träger. Die finanzieren sich ihr gutes Leben dadurch, dass sie gemeinnützige Träger wie betriebswirtschaftliche Unternehmen verwalten.“ Das Ziel sei es, prekarisierte Menschen zu verwalten „und sonst die Schnauze zu halten“. Lüü, ebenfalls Betroffene von Union Busting im sozialen Bereich, schilderte in einer bewegenden Rede, wie die Geschäftsführung der tjfbg, die Schulleitung und die Schulaufsicht Fälle von Diskriminierung unter den Teppich kehren: „Ich stehe heute hier, weil Inés nicht die einzige ist, die im tjfbg solche Erfahrungen sammeln musste. Und ich stehe hier, weil der tjfbg nicht der einzige soziale Träger ist, wo Sozialarbeiter:innen wie Inés oder ich gefeuert werden, weil sie die Notwendigkeit von Vernetzung in unserem Sektor erkennen und sich als Sozialarbeiter:innen für eine Welt einsetzen, in der wir ,sozial gleich, menschlich verschieden und vollständig frei sein werden‘.“ Auch Ruth, Betriebsrätin bei der tjfbg, erklärte, dass Inés‘ Kündigung kein Einzelfall sei.
Ein:e Schüler:in von der Jugendorganisation Revolution betonte, dass Schulen eine bestimmte Funktion im Kapitalismus haben und Orte von Diskriminierung und Rassismus sind. Während die Schüler:innen Besuche der AfD und der Bundeswehr ertragen müssen und in völlig maroden Gebäuden unter schlechten Bedingungen lernen sollen, kürzt der Berliner Senat immer weiter die Gelder.
Weitere Reden, wie von der Sylvia Bayram von der Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht, dem Solitreff Soziale Arbeit Wedding oder der Organisation Betriebskampf, hoben in der kämpferischen Kundgebung die Notwendigkeit hervor, sich gegen gewerkschafts- und betriebsratsfeindliches Union Busting zu organisieren – und zwar nicht nur aus rein gewerkschaftlichen Beweggründen heraus, sondern um die politischen Kämpfe gegen Kürzungen, gegen Krieg und Militarisierung, und für eine ganz andere Gesellschaft in die Betriebe, Schulen und Unis zu tragen.
Nach der Gerichtsverhandlung, während der die Trommeln und Rufe der Kundgebung deutlich im Gerichtssaal zu hören waren, schloss Ari vom Solikomitee #WirSindInés mit einer letzten Rede die Kundgebung und rief dazu auf, sich dem Solikomitee anzuschließen: „Ich stehe hier als Teil des Solikomitees. Warum? Alleine vermögen wir nichts auszurichten gegen die Diktate der Sparpolitik, die uns aufgezwungen werden. Gemeinsam sind wir stark. Darum: Lasst uns gemeinsam organisieren nicht nur gegen die Haushaltskürzungen, sondern auch gegen Militarisierung und Rechtsruck, die mit den Kürzungen zusammenhängen.“