Junge FDP-Wähler:innen: Wir müssen reden!

27.09.2021, Lesezeit 8 Min.
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Junge Menschen waren in den letzten Jahren an vorderster Front verschiedener sozialer Kämpfe. Doch konnten bei den U-30-Jährigen neben den Grünen auch die neoliberale FDP besonders gut abschneiden. Woran liegt das?

Viel wurde in den vergangenen Wochen darüber geschrieben,  wie wenig Gewicht die jungen Generationen bei den Bundestagswahlen haben würden. Während die Über-60-Jährigen 38,2 Prozent der Wahlberechtigten ausmachten, kamen alle Unter-40-Jährigen insgesamt auf nur 28,7 Prozent.

Die Wahl wurde also besonders stark von älteren Menschen entschieden. Dazu kommt, dass die Unter-18-Jährigen zusammen mit allen Menschen ohne deutsche Staatsbürger:innenschaft komplett von den Wahlen ausgeschlossen wurden.

Dabei waren es besonders junge Menschen, die in den verschiedenen sozialen Bewegungen der letzten Jahre die Regierungspolitik von CDU/CSU und SPD infrage gestellt haben, wie die riesigen Mobilisierungen von Fridays for Future anlässlich des Globalen Klimastreiks am 24. September erneut eindrücklich gezeigt haben.

Doch auch breite Teile der arbeitenden Bevölkerung haben die Proteste für Klimagerechtigkeit unterstützt – der “Generationen-Konflikt” wurde jedoch von der bürgerlichen Presse stetig befeuert und der generationenübergreifende Klassenkonflikt ausgeklammert.

Junge Wähler:innen – Große Koalition abgestraft, Grüne vorne

In den Wahlergebnissen lassen sich dementsprechend große Unterschiede erkennen. Während die Parteien der Großen Koalition bei den Über-60-Jährigen auf zusammen 67 Prozent kommen, erreichen sie bei den Unter-60-Jährigen nur 39 Prozent und kommen bei den Unter-25-Jährigen sogar nur auf 25 Prozent.

Diese Generation ist nach 16 Jahren CDU-geführter Regierung, die für sie eine immer düsterere Zukunft aus Prekarisierung, Klimakrise, Alltagsrassismus und maroder Bildung gezeichnet hat, frustriert und hat sich für politische Parteien entschieden, die aus der Opposition kamen und vermeintlich für Wandel und Modernisierung stehen.

Dies lässt sich besonders gut erkennen, wenn wir die Stimmergebnisse der Unter-25-Jährigen betrachten. Die Grünen erzielten 23 Prozent und wurden stärkste Kraft – ein klares Zeichen dafür, dass sich die Grünen als “Klimapartei” als Vertreterin der FFF-Bewegung inszenieren konnte, während sie überall dort, wo sie in Landesregierungen in Minister:innenposten sitzt, für Waldrodungen zum Ausbau von Autobahnen mit Polizeigewalt gegen Protestierende vorgeht.

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FDP – why?

Überraschend ist jedoch der zweite Platz, den bei den Unter-25-Jährigen die FDP mit 22 Prozent einnimmt. Bei den Erstwählenden (die Jahrgänge zwischen 1999 und 2003) sind sie sogar die stärkste Kraft. Wie hat es diese neoliberale Partei, die Stimme der Finanz- und Immobilienkonzerne, die gegen Klimaschutz, würdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne und Renten kämpft, zur Stimme der Jugend gebracht?

Bei den Wahlkampfthemen setzte die FDP besonders stark auf Themen, die für viele Jugendliche wichtig sind: sie thematisierten immer wieder die Bedeutung der Digitalisierung auch für die Bildung und Schulen und machten moderne Technologien als Antwort auf die Klimakrise stark. Während Corona konnten viele Jugendliche wegen der Kontaktbeschränkungen ihre Freund:innen nicht treffen. Die FDP stellte in ihrem Wahlkampf die Corona-Maßnahmen unter dem Slogan “Zukunft nur mit Freiheit in Frage.” Außerdem erhielten sie viel Zuspruch durch Influencer:innen und konnten soziale Medien geschickt für sich einsetzen.

Während die Grünen versuchten, sich mit sozialer und nachhaltiger Modernisierung zu profilieren, positionierte sich die FDP als ihr Gegenspieler, was besonders für Jugendliche aus kleinbürgerlichen und bürgerlichen Familien als attraktive Alternative wahrgenommen wurde. Doch auch darüber hinaus konnte sie viele Stimmen von jungen Leuten erhalten, auch wenn sich ihr Programm direkt gegen die Interessen vieler Jugendlicher stellt. Ihr Diskurs einer starken Wirtschaft mit weniger staatlicher Bürokratie und mehr Freiheit, welches eigentlich die Verstärkung der bestehenden Großunternehmen bedeutet, schuf einen Anziehungspol in der Jugend.

FDP: ein jugendfeindliches Programm für den Imperialismus

Die FDP setzt sich gegen Eingriffe in die “unternehmerische Freiheit” wie Steuern oder Arbeiter:innenrechte, wie Tarifverträge oder den Mindestlohn, ein. Dabei sind es besonders junge Menschen, die in Minijobs arbeiten, im Einzelhandel oder der Gastronomie jobben und auf den Mindestlohn angewiesen sind, oder als Azubis gerade so über die Runden kommen.

Zudem möchte die FDP keine Vermögenssteuer für Reiche sowie die Erbschaftssteuer nicht erhöhen, was zu einer weiteren Monopolisierung reicher Familien führt. Reiche Unternehmen wie Google oder Amazon, die trotz Milliarden Profite keine Steuern zahlen, werden im Wahlprogramm nicht erwähnt.

Zudem hat die Partei keine Lösung, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Anstatt die Unternehmen, die maßgeblich an Umweltverbrechen beteiligt und für hohe CO2-Ausstöße verantwortlich sind, zu sanktionieren oder unter Arbeiter:innenkontrolle zu vergesellschaften, vertraut die FDP im Wahlprogramm weiterhin auf die reaktionäre, wirtschaftsliberale Weisheit, dass der Markt dies regeln könne und setzt auf “Klima- und Umweltschutz durch Innovation” und “dem Erfindergeist von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Technikerinnen und Technikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.”

Was sich dahinter verbirgt ist ein neokolonialer Ansatz, mit dem das deutsche Kapital durch Innovationen in die Lage versetzt werden soll, neue Märkte auszubeuten und rohstoffexportierende halbkoloniale Länder wie Chile oder Bolivien, die hohe Lithium-Reserven aufweisen, zu unterwerfen.

Die neoliberale profitorientierte Politik der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass den Kapitalist:innen Profitmaximierung wichtiger ist als Umweltschutz oder Menschenleben. Zudem strebt die FDP die Klimaneutralität erst gegen 2050, entgegen deutlich früherer Forderungen der Wissenschaft (spätestens 2038 laut Sachverständigenrat für Umweltfragen) an.

Zum Thema Einwanderung und Flucht forciert die FDP ein Punktesystem, was das Bleiberecht für Arbeitende und Studierende vereinfacht, allerdings die Schutzsuchenden in zwei Klassen unterteilt. Die kapitalistische Verwertungslogik der Liberalen bietet Menschen, die keinen Beruf ausüben können oder nicht “qualifiziert genug” scheinen, keinen Schutz. “Nicht qualifizierte” Migrant:innen möchte die FDP auch schnellstmöglich abschieben und setzt sich in ihrem Programm für den Ausbau von Frontex und die Sicherung der EU-Außengrenzen ein, steht somit der scheidenden Regierung sowie der AfD in Sachen Außenpolitik in nichts nach.

Für eine echte linke Alternative der Jugend!

Die schwächsten Parteien bei den U-25-Jährigen waren die AfD (7 Prozent) und DIE LINKE (8 Prozent). Die AfD steht für eine rassistische Politik der Spaltung und wird von der Jugend für ihre LGBTIQ-feindliche und reaktionäre Haltung abgestraft. Doch auch die Linkspartei konnte nicht als Partei der Jugend auftreten. Ein Grund scheint zu sein, dass die Linkspartei vor allem in Ostdeutschland besonders von jungen Menschen als jahrelange Regierungspartei eher als Vertreterin des Establishments wahrgenommen wird.

Außerdem konnte sich die Linkspartei nie organisch in den sozialen Bewegungen verankern und gab im Wahlkampf viele zentrale außenpolitische Grundsätze auf, während sie auf Posten in einer rot-grün-roten Regierung setzte. Angesichts dieser Aussichten setzten die jungen Wähler:innen eher auf die Parteien, die überzeugender für Klimaschutz und Modernisierung eintreten – auch wenn sich hinter ihnen bürgerliche Programme verbergen.

Eine echte linke Alternative der Jugend kann jedoch weder von den Regierungsparteien oder den Parteien kommen, die eine bürgerliche Modernisierung auf Kosten der Zukunft der Jugendlichen und Arbeiter:innen planen, wie es die Grüne und die FDP vorhaben, noch von einer angepassten Linkspartei. Die Jugendlichen, die gegen Klimawandel und Pflegenotstand, rassistische Polizeigewalt und niedrige Löhne, und für eine andere Welt kämpfen, müssen diese Kraft selbst aufbauen.

Dies gelingt nur, wenn wir uns in den Schulen, Universitäten, Ausbildungsstätten und Arbeitsplätzen selbst organisieren, wie es die Proteste gegen die neoliberale Hochschulreform in München vorgemacht haben. Nur die Selbstorganisierung und ein klares Programm kann Bewegungen wie Fridays for Future vor der Übernahme durch die Grünen schützen, die sich auf dem Rücken der Bewegungen stärken, ohne ihre Forderungen konsequent durchzusetzen.

Deswegen organisieren wir uns an den Hochschulen und Universitäten mit KGK Campus, um mit einer antikapitalistischen Perspektive dem individualistischen Zeitgeist die Stirn zu bieten und für eine klassenkämpferische Jugend, die sich mit den Kämpfen der Arbeiter:innenklasse verbindet, einzutreten.

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