Julia Wallace: „Rassismus ist ein Feind der Arbeiter*innenklasse“

13.07.2020, Lesezeit 6 Min.
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Ausgehend von den militanten Protesten in den USA hat sich der Kampf gegen den Rassismus wie eine Flut weltweit ausgebreitet. Julia Wallace, Gründungsmitglied von unserer US-Amerikanischen Schwesterseite Leftvoice, sprach auf der internationalen Veranstaltung der FT-CI über die Strategie der Befreiung.

Als Tochter einer Lehrerin der Black Panther Party for Self Defense wuchs Julia in einem schwarzen Arbeiter*innenviertel an der Westküste der USA, in Los Angeles, auf. Wie so viele Schwarze erlebte sie „den Rassismus und die Gewalt durch die Polizei“. Sie ist seit zwei Jahrzehnten revolutionär organisiert und hat tiefe Erfahrungen im antirassistischen Aktivismus.

Auf der vergangenen internationalen Veranstaltung unserer internationalen Strömung kam sie zu Wort, um die Beziehung zwischen Kapitalismus und Rassismus zu enthüllen und eine proletarische Strategie im Kampf gegen den Rassismus hervorzuheben.

„Die Polizei ist eine rassistische, korrupte und mörderische Besatzungsmacht für die Schwarze Gemeinschaft.“

Die Ermordung von George Floyd entfesselte eine Wut, die die rassistischen Grundsäulen der Polizei und der Vereinigten Staaten erschütterte. Aus den Reihen der Protestierenden wurde der Ruf nach Abschaffung der Polizei und ihres Rausschmiss aus der Arbeiter*innenbewegung lautstark. Julia betonte, dass die Polizei nicht reformiert werden könne und der Kampf gegen die Polizeigewalt notwendigerweise mit dem Kampf gegen den US-Kapitalismus zusammenhinge:

„Der US-Kapitalismus ist in seinem Kern rassistisch, denn er wurde auf der Sklaverei aufgebaut – Menschenhandel und die Entführung von afrikanischer Arbeit für den Profit der Baumwollindustrie, im Dienst der damals größten Industrie, der englischen Industrie. Wie Marx sagte: Ohne Sklaverei keine Baumwolle, ohne Baumwolle keine moderne Industrie.

Von Anfang an ergriffen US-Kapitalist*innen und Sklavenhalter*innen jede Maßnahme, um die Arbeiter*innenklasse daran zu hindern, sich zu vereinigen und sich gemeinsam zu erheben, von Sklavenpatrouillen bis hin zur Polizei und der Einführung rassistischer Gesetze. Sie folterten und beuteten die versklavten schwarzen Arbeiter*innen aus, die auf den Feldern schufteten und die US-Kapitalist*innen und die Klasse der Sklavenbesitzer*innen reich machten. Als die Sklaverei abgeschafft wurde, verhängten sie die Jim-Crow-Gesetze. Als sie dem Kampf für Bürger*innenrechte nachgeben mussten, schufen sie neue Gesetze, um Schwarze Menschen zu marginalisieren und anzugreifen.

Auch heute noch werden Schwarze für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als Weiße, haben eine höhere Obdachlosigkeits- und Arbeitslosenquote und werden unverhältnismäßig häufig von der Polizei ermordet. Rassismus durchdringt jeden Aspekt der Gesellschaft.“

„Der derzeitige multiethnische Kampf ist der schlimmste Alptraum der amerikanischen Bourgeoisie.“

Die Mobilisierungen in den USA, die von schwarzen Jugendlichen angeführt wird, hat eine multiethnische Zusammensetzung, die in vielerlei Hinsicht große Hoffnung erweckt, eine Gesellschaft auf den Trümmern des rassistischen Kapitalismus aufzubauen. Doch es stehen unterschiedliche Strategien auf dem Tisch, erklärt Wallace.

„Sowohl Demokraten als auch Republikaner wollen diese Bewegung unterdrücken, aber mit unterschiedlichen Strategien.

Die Republikaner unter Trump haben sich offen zu weißen Rassist*innen und der gewalttätigsten bigotten Rhetorik bekannt. Trump forderte die Nationalgarde und das Militär auf, die Proteste zu zerschlagen. Er drohte: ‚Wenn sie anfangen zu plündern, fangen wir an zu schießen‘ und zitierte damit einen rassistischen Polizeichef aus der Civil Rights Ära.

Die Strategie der Demokraten besteht in Anbiederung und Kooptierung, um ihre jahrelangen Angriffe auf die schwarze Gemeinschaft zu verschleiern. Die Demokraten ermöglichten massenhafte Inhaftierungen und Gentrifizierung, und schützten die mörderische Polizei, wie Derrick Chauvin, der George Floyd ermordete. Keine der beiden Parteien kann die Krise, den strukturellen Rassismus oder Polizeigewalt beenden.“

Um zu verhindern, dass die antirassistischen Proteste mit ihrer Vereinnahmung oder ihrer militärischen Zerschlagung enden, erklärt Julia Wallace eine Strategie der Befreiung zur Voraussetzung, die den Kapitalismus und die Polizei zerstört. Eine solche Strategie kann von der Arbeiter*innenklasse als Triebkraft durchgesetzt werden:

„Wir können uns befreien, indem wir uns als Arbeiter*innenklasse organisieren.

Wie das Coronavirus gezeigt hat, sind die Bosse nicht unersetzlich. Die Arbeiter*innenklasse ist unersetzlich. Die Arbeiter*innen haben die Macht, die Räder des Kapitalismus zu stoppen, und mehr noch, die Arbeiter*innen haben die Macht, die gesamte Produktion und Reproduktion zu organisieren, um unserem Leben zu dienen, anstatt den Profiten.“

„Wir, die Arbeiter*innenklasse und die Unterdrückten, brauchen eine politische Partei, die unabhängig von den Kapitalist*innen und Imperialist*innen ist.“

Damit die Arbeiter*innenklasse sich zur sozialistische Protagonistin für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Kapitalismus erhebt, muss sie sich gemeinsam mit den Unterdrückten – unabhängig von bürgerlichen Parteien und der Gewerkschaftsbürokratie – als revolutionäre Partei organisieren. Julia Wallace beschreibt, wie eine solche Partei und der Kampf um ihren Aufbau aussehen kann:

„Wir müssen uns auf den Straßen und an den Arbeitsplätzen politisch organisieren und eine Partei aufbauen, die unsere Interessen vertritt. Der Aufbau einer revolutionären Partei in der größten, gefährlichsten imperialistischen Macht der Welt ist eine enorme Herausforderung, hätte aber historische Konsequenzen. Diese Herausforderung ist vom Aufbau einer internationalen Partei der Arbeiter*innenklasse untrennbar, die für uns die Vierte Internationale ist. So verstanden Trotzki und die amerikanischen Trotzkist*innen der ursprünglichen Socialist Workers Party Ende der 1930er Jahre ihre Aufgabe. Unsere Organisation, die Trotzkistische Fraktion und das Internetnetzwerk „La Izquierda Diario“, welches wir in 14 Ländern veröffentlichen, stellt sich dieser internationalistischen Herausforderung.

Wir stimmen mit Leo Trotzki überein, der die grundlegende Strategie zum Sturz des Kapitalismus und zum Aufbau des Sozialismus im globalen Maßstab dargelegt hat. Wir laden alle Jugendlichen auf den Straßen, Sozialist*innen, Schwarze und Braune Aktivist*innen, die gegen Polizeibrutalität kämpfen, die Arbeiter*innen, die sich gegen kapitalistische Unterdrückung erheben, ein, mit uns die Vierte Internationale wieder aufzubauen.“

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