Jugendliche organisieren sich
// Die SchülerInnengruppe Red Brain unterstützt die Streiks der LehrerInnen in Berlin //
Auf der ganzen Welt – in Mexiko, im Spanischen Staat und in Chile, in der arabischen Welt und in der Türkei – lässt sich seit Beginn der kapitalistischen Krise eine Zunahme von Protesten beobachten. In den ersten Reihen steht dabei die Jugend. Sie hat ihr ganzes Leben noch vor sich, aber wird mit einer äußerst düsteren Zukunft konfrontiert. Junge Menschen sind noch nicht von alten Erfahrungen demoralisiert und sind noch nicht so stark von der bürgerlichen Ideologie korrumpiert – sie sprühen das Bedürfnis aus, die Welt zu verändern.
Die Perspektivlosigkeit dieser Massenbewegungen der letzten Jahre, die sich letztendlich mit Forderungen nach „Mehr Demokratie“ zufrieden geben, stellt uns mehr denn je vor die Aufgabe, ein revolutionäres Programm für die Jugend aufzuzeigen. Diese sollte sich nicht bestehenden Organisationen vollständig unterordnen. Junge AktivistInnen müssen ihre eigenen Erfahrungen machen und aus ihren Fehlern lernen. Nur so können sie sich zu denkenden RevolutionärInnen entwickeln.
Mit dem Ziel vor Augen, eine kämpferische, revolutionäre Jugendgruppe aufzubauen, die mit den ArbeiterInnen gemeinsam kämpft, versuchen wir, Jugendliche zu gruppieren und für ein revolutionäres Programm zu gewinnen. Im April 2011 gründeten AktivistInnen von RIO und unabhängige SchülerInnen Red Brain „als eine linke, antikapitalistische Zeitung“.[1] Dabei war die Gruppe „von Anfang an von den SchülerInnen selbst verwaltet. Die Entscheidungsfreiheit lag und liegt bei ihnen.“[2]
Seitdem ist viel passiert. Red Brain hat heute eine Basis an zwei Berliner Schulen und konnte ein gewisses Umfeld aufbauen. Die Gruppe besteht aus AktivistInnen mit verschiedenen politischen Meinungen – dieser Zustand wird von einigen SchülerInnen vom Ist-Zustand in den Soll-Zustand erhoben. Wir denken aber, dass Red Brain auf eine programmatische Klarheit hinarbeiten sollte, denn in den entscheidenden Momenten ist es zentral, ein gemeinsames Verständnis über die Aufgaben und Ziele zu haben.
Ein Programm ergibt sich nicht aus dem bürokratischen Überstimmen oder dem passiven Unterschreiben eines Stücks Papier. Für uns repräsentiert es vielmehr ein gemeinsames Verständnis der aktuellen Aufgaben als Grundlage, auf der wir unsere Aktionen planen und unsere Artikel schreiben. Solch ein Programm wird also logischerweise nicht für immer geschrieben, sondern ist etwas dynamisches. In gemeinsamen Erfahrungen müssen wir überprüfen, was für ein Programm notwendig ist.
Ein zentraler Punkt ist für uns hierbei die Einheit von ArbeiterInnen und SchülerInnen. Ein wichtiger Ansatz dazu ist der aktuelle Streik der LehrerInnen. Es ist allen klar, dass der Kampf für ein besseres Bildungssystem – im Interesse der SchülerInnen, LehrerInnen und aller Ausgebeuteten – nur gemeinsam mit ihnen geführt und gewonnen werden kann. Doch wir müssen dies ausweiten: Auch die Streikenden im Einzelhandel oder an der Charité brauchen unsere Solidarität. Solche Verbündeten werden uns auch später bei unseren Kämpfen helfen. Red Brain setzt sich für offene Streikversammlungen an den Streiktagen ein, was uns von vielen linken Gruppen unterscheidet.
In der aktuellen Situation breiter Passivität unter den SchülerInnen bildete der LehrerInnenstreik eine gute Möglichkeit, SchülerInnen zu politisieren und die Einheit von ArbeiterInnen und SchülerInnen zu demonstrieren. Red Brain hat deshalb sein kleines Gewicht in die Waagschale geworfen und mit den Aktionen vom Mai und Oktober 2013 gezeigt, dass es möglich ist, 200 SchülerInnen zum Streik in Solidarität mit ihren LehrerInnen zu bringen.
Ein weiterer Punkt, den Red Brain vertritt, ist der Internationalismus: Bei einer spontanen Demonstration, die nach dem Bildungsstreik am 21. Oktober stattfand, versammelten sich 60 SchülerInnen und entschieden, in Solidarität mit der abgeschobenen Schülerin Leonarda und ihrer Familie zur Französischen Botschaft zu marschieren. Gerade die deutsche Regierung greift mit Kürzungsplänen und „Rettungspaketen“ die Arbeits- und Lebensbedingungen der Jugendlichen in Südeuropa an. So wie sich im Spanischen Staat und in Griechenland die Massen erhoben haben, müssen auch wir uns „empören“, gegen die deutschen Konzerne und ihre Regierung.
Unsere Vorstellungen, wie beispielsweise ein selbstverwaltetes Bildungssystem, ein Asylrecht für alle Geflüchteten oder die sexuelle Befreiung, können innerhalb des kapitalistischen Systems nicht vollständig erreicht werden – das ist für die AktivistInnen von Red Brain selbstverständlich. Doch wir glauben, dass eine Revolution nicht einfach so vom Himmel fällt, sondern man dazu eine revolutionäre Partei der ArbeiterInnen braucht.
Wir wollen mit den GenossInnen von Red Brain noch viele weitere Aktionen machen und uns an weiteren Schulen organisieren, um mehr SchülerInnen für eine linke, klassenkämpferische Politik zu gewinnen. Dabei begleiten wir jede einzelne Person bei ihrem politischen Werdegang und unterstützen explizit jede Meinungsbildung – genauso wie wir weder Differenzen verschleiern, noch unsere eigene Meinung verstecken.
Fußnoten
[1]. Erste Ausgabe von Red Brain.
[2]. Johnny Hippmann: Ein rotes Gehirn für die Schule. In: Klasse Gegen Klasse Nr. 2.