Jetzt Komitees im ganzen Land gegen die Hochschulreform aufbauen!
Der Protest gegen die bayerische Hochschulreform beginnt. Um ihn zu gewinnen, müssen wir im ganzen Land Komitees von Studierenden und Beschäftigten aufbauen.
Es verbreitet sich unter Studierenden, Fachschaften und wissenschaftlichen Beschäftigten immer mehr die Überzeugung, gegen die geplante Hochschulreform vorzugehen. In diesem Sinn fand am Dienstag eine Kundgebung statt, an der mehr als 250 Personen teilgenommen haben.
Das in Bayern geplante “Hochschulinnovationsgesetz” macht die Hochschulen zu Firmen, das Studium wird vollständig dem Profitinteresse der Großkonzerne unterworfen. Damit haben wir uns schon in mehreren Artikeln auseinandergesetzt.
In dem Eckpunktepapier der bayerischen Regierung wird betont, dass die Struktur der Hochschulen verändert werden soll. Die Hochschulen sollen „nach dem Grundsatz der vollen Eigenverantwortung“ organisiert werden. Die Interne Governance – so wie die Landesregierung die vorgeschlagene interne Strukturierung der Hochschulen nennt – soll minimal vom Gesetz eingerahmt werden. Während angeblich die „Wissenschaftsfreiheit“ gewährleistet werden soll, soll es gleichzeitig eine „effektive Kontrolle der wirtschaftlichen Aktivitäten und der Einhaltung der Haushaltsvorgaben“ geben. Das Ziel ist hierbei die Effizienz von Forschung und Lehre, kapitalistische Profite zu generieren. Es wird eine Konkurrenz unter Hochschulen implizit vorgeschrieben.
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Es ist klar, welches Gremium bzw. Organ diese Aufgabe erfüllen soll: die Hochschulräte. Der Hochschulrat ist die höchste Instanz der Universitätsstruktur. Dieser setzt sich zusammen aus einer überwiegenden Mehrheit der Professor:innen, zwei Studierenden und zehn universitätsexternen Sitzen – häufig von Großkonzernen.Der Hochschulrat ist daher eine der Hauptquellen der wirtschaftlichen Einflussnahme und gleichzeitig eine Hürde der demokratischen Mitgestaltung. Es reicht, die Anzahl der externen Mitglieder aus der Wirtschaft in den Hochschulräten der folgenden Universitäten zu betrachten : TU Ingolstadt (6/10), TU München (6/10) und FAU Erlangen-Nürnberg (7/10). Wie der Professor Stephan Lessenich der Soziologie-Fakultät der LMU auf der Kundgebung gegen die Hochschulreform scherzte: „Bei uns ist es nicht alle Macht den Räten, sondern alle Macht dem Hochschulrat“.
In Bayern gibt es seit 1974 keine Verfasste Studierendenschaft – als reaktionäre Antwort auf die Studierendenbewegung von 1968. Vollversammlungen wurden damals ebenfalls verboten. Um sich bewusst zu werden, was für eine Reaktion uns erwartet, wenn wir versuchen eine Vollversammlung abzuhalten, möchten wir an die Vollversammlung im Januar 2020 erinnern. Sie wurde veranstaltet von dem Bündnis Klima brennt, Uni brennt und endete damit, dass die Studierenden in der Aula eingesperrt wurden. Reaktionärer als diese Politik des LMU-Präsidenten Huber geht es kaum.
Es bleibt den Fachschaften verwehrt, sich politisch zu äußern. Im Jahr 2016 – im Zuge der Auseinandersetzung um die Frage herum, ob die Hochschulgruppe der AfD eine Akkreditierung bekommen darf – hat sich der Konvent der Fachschaften der LMU auf Druck der Unileitung entschieden, den Hochschulgruppenstatus für alle politischen Gruppen abzuschaffen. Seitdem sind auch die Überreste des politischen Engagements vollkommen liquidiert worden.
Der Kampf gegen die Hochschulreform muss also auch gegen die anti-demokratischen Verhältnisse vorgehen und den politischen Kampf wieder in die Uni hineintragen. Wenn wir dagegen vorgehen, muss der Kampf die Frage der Mitbestimmung (politisches Mandat) und des Bildungssystems aufnehmen.
Hochschulreform verhindern, nicht abschwächen!
Die Notwendigkeit, etwas gegen das Hochschulgesetz zu unternehmen, wirft die Frage auf: wie?
Bisher verbleibt dieser Kampf im institutionellen Rahmen. Das heißt, die offiziellen Strukturen der Studierenden und der Beschäftigten schlagen vor, mit Petitionen, Kompromissen in universitären Gremien und Verhandlungen Druck auf die Regierung auszuüben, um das Gesetz an der einen oder anderen Stelle abzuschwächen. Es ist eine klassische Lobbypolitik, die sich weder vornimmt, die große Mehrheit der Studierenden und Beschäftigten gegen die Reform zu mobilisieren, noch die einzig richtige Forderung zu erheben: Die Hochschulreform muss restlos zurückgenommen werden! Keine Abschwächung, nur vollständiger Rückzug kommt für uns in Frage.
Die geplante Hochschulrefrom ist ein Folgeangriff von der Bologna-Reform. Selbst wenn die Verhandlungen im institutionellen Rahmen ein paar Stellschrauben am geplanten Gesetz drehen können, wird nichtsdestotrotz die Kommerzialisierung weiter voranschreiten. Das Prinzip, im Rahmen der Institutionen Kompromisse zu erzielen, hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass im Hochschulrat Großkonzerne ihre Sitze haben, Studierende unterrepräsentiert sind und sich politisch nicht äußern dürfen, dass die wissenschaftlichen Beschäftigten von Forschungsaufträgen abhängig sind und befristet arbeiten, und dass die nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten ohne Tarifvertrag unter Prekarisierung leiden. Die Linie fauler Kompromisse ist kein Schritt nach vorne für Studierende und Beschäftigte, sondern verstärkt die Dominanz von Konzernen und anti-demokratischen Verhältnissen. Eine Lobby-Politik wie die der bayrischen Landes-ASten-Konferenz kann uns nicht helfen. Die Hoffnung, das Gesetz im Rahmen der Institutionen zurückzudrängen, basiert auf einer Illusion.
Organisieren wir uns in Komitees zum Kampf gegen die Reform!
Was brauchen wir also stattdessen? Für den Kampf gegen die Privatisierung der Unis schlagen wir die Gründung einer Verteidigungsfront von Studierenden, Beschäftigten (wissenschaftlich und nicht-wissenschaftlich), Fachschaften und Gewerkschaften vor.
Eine solche Verteidigungsfront sollte sich vornehmen, Vollversammlungen und Komitees zu organisieren, um die Reform nicht nur abzuschwächen, sondern komplett zurückzuschlagen. Anstelle auf Verhandlungen in Hinterzimmern zu setzen, muss es darum gehen, die größtmögliche Anzahl von Studierenden und Beschäftigten zu mobilisieren, um sich an jeder Fakultät, an jeder Universität, und auf der Straße gegen die Reform zu organisieren.
Die Kundgebung in München am 2. Dezember war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Sammlung der Kräfte für eine breite Verteidigungsfront. Die Schranke allerdings bestand darin, dass die nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten nicht mobilisiert wurden, dass das Thema von Outsourcing an der Uni nicht behandelt wurde und dass keinerlei genaue Planung des Programms und der Mittel des Kampfes gab. Doch wenn wir die Reform zurückschlagen wollen, müssen wir den Kampf verallgemeinern, diese Themen aufnehmen und darüber diskutieren, wie wir tatsächlich gewinnen können.
Ein Komitee von Studierenden und Beschäftigten ist unser Vorhaben. Wir schlagen vor, dass solche Komitees an jeder Universität organisiert werden, um über die Reform und den Kampf zu diskutieren. Wir werden unsere eigenen Kräfte dafür einsetzen, ein solches Komitee als kohärentes Beispiel aufzustellen, mit welchem Programm und Kräften der Kampf bis zum Ende geführt werden sollte. Und wir rufen alle anderen Kräfte an den Universitäten, die ebenfalls gegen die Reform kämpfen wollen, dazu auf, sich ebenfalls in Komitees zusammenzuschließen.
Wir orientieren uns dabei an basisdemokratischer Selbstorganisierung der Studierenden und Beschäftigten, die die Kampfmittel entwickeln, um die allmächtige Position der Hochschulräte und der Konzerne in Frage zu stellen. Mittels Online-Versammlungen können sich Studierende und Beschäftigte vernetzen und darüber diskutieren, wie wir ausgehend von einem Verteidigungskampf in eine Position der Offensive kommen, um die Hochschulen unter Kontrolle der Beschäftigten und Studierenden zu bringen. In diesen Versammlungen können wir gemeinsam entscheiden, welche Forderungen notwendig sind, um nicht nur die Reform zu bekämpfen, sondern sich gegen das gesamte neoliberale Bildungssystem, auf dem es aufbaut, und darüber hinaus gegen die Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise und der Angriffe der Regierung und der Bosse zu richten. Denn wir sind nicht nur von der Hochschulreform betroffen, sondern auch von den Folgen der Pandemie, der Prekarisierung und der sozialen Krise. Wir können Aktionen planen und einen Kampfplan aufstellen, der Studierende und Beschäftigte mit all den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen – inklusive der Perspektive von Streiks gegen die Reform – zusammenbringt.
Um über diese und weitere Fragen zu diskutieren laden wir dich zur Online-Veranstaltung von KgK-Campus ein.