Jahrestagung von IWF und Weltbank: Arme Länder bleiben im Würgegriff
Der IWF und die Weltbank inszenieren sich als Retter in globalen Krisenzeiten – doch ihre Politik treibt verarmte Länder in eine endlose Schuldenfalle und stärkt die Macht des transnationalen Finanzsektors.
Am Samstag gingen in Washington, D.C., die Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu Ende. Jedes Jahr kommen hier Technokrat:innen der multilateralen Institutionen, Regierungsvertreter:innen und NGOs zusammen, um über die internationale Finanzarchitektur zu sprechen – teils öffentlich, teils hinter verschlossenen Türen.
Obwohl bei diesen Tagungen das Wort ‘Reform’ in aller Munde ist, wurde vor allem viel geredet.
Das ist fatal, denn die Status-Quo-Struktur der internationalen Finanzflüsse wirkt sich verheerend auf Länder des sogenannten Globalen Südens aus. Auch auf dieser Jahrestagung können wir das Scheitern des politischen Projekts von IWF und Weltbank in Echtzeit beobachten – auf Kosten armer Länder und zugunsten finanzstarker Regierungen.
In Zeiten mehrerer akuter Krisen globalen Umfangs, die den ärmeren Ländern besonders viele menschliche und monetäre Kosten aufzwingen, werden die abhängigen Länder finanziell ausgeblutet. So fließt seit 2023 wieder mehr Finanzkapital aus der Gruppe der sogenannten „Entwicklungsländer“ in die wirtschaftsmächtigen Länder, was unter anderem auf ein sinkendes Investitions- und Kreditvolumen sowie zurückgehende finanzielle „Entwicklungshilfe“ der reichen Länder zurückzuführen ist. Nicht nur in Deutschland wird derzeit das Budget des Entwicklungsministeriums im Zeichen der Austerität und Rüstung zusammengestrichen. Besonders einschneidend ist jedoch die Rolle des internationalen Schuldenregimes.
Die schwerste Schuldenkrise aller Zeiten: Der IWF ist Teil des Problems
In den post-Pandemie-Jahren des beharrlich stagnierenden Weltwirtschaftswachstums sind die globalen Staatsschulden so hoch wie noch nie zuvor. Viele arme Länder zahlen mehr für die Rückzahlung ihrer Schulden an private und staatliche Gläubiger, als sie für Klimaanpassung, Soziales, Gesundheit und Bildung zusammengenommen ausgeben können. Auch durch die Zinswende der Zentralbanken in USA und EU verteuert sich die Rückzahlung der meist in Dollar notierten, ohnehin schon hoch verzinsten Schulden.
Hier spielt der IWF als Koordinator des internationalen Währungs- und Schuldensystems eine zentrale Rolle. Doch trotz der Schwere der Krise weigert sich der IWF, ernsthaft den Widerstand gegen einen globalen Schuldenerlass aufzugeben. Dabei ist jeder Dollar, der für die Rückzahlung der horrenden Staatsschulden an private und staatliche Gläubiger aus den reichen Ländern aufgewandt wird, ein Dollar, der nicht in die eigene Volkswirtschaft fließen kann – und so arme Länder in der wirtschaftlichen Peripherie gefangen hält.
So betonen die Institutionen auch auf der Jahrestagung 2024 die angebliche Notwendigkeit fiskalischer Konsolidierung und der Eindämmung der Ausgabenpolitik zur vermeintlichen Inflationsbekämpfung. Der IWF kämpft auch weiterhin für die vollständige Rückzahlung der Auslandsschulden, insbesondere auch an private Gläubiger, die für viele Länder die größte Gläubigergruppe darstellen, neben multilateralen Gebern (wie der Weltbank) oder reicher Staaten. So wird beispielsweise Sri Lankas Volkswirtschaft transnationalen Finanzunternehmen wie BlackRock zum Fraß vorgeworfen, zur Rückzahlung sogar der nationale Pensionsfond geplündert. Der IWF, der dies administriert, zeigt sich darin als Instrument des internationalen Finanzkapitals. Schulden fungieren dabei als ein Mittel der Machtausübung über die verarmten Länder.
Zwar hatte der IWF Mitte Oktober eine begrenzte Senkung der sogenannten Strafzinsen zugelassen. Das sind Zinsaufschläge des IWF, die verschuldeten Ländern im Rückzahlungsverzug auferlegt werden und somit eine Schuldenkrise noch weiter verschlimmern, dabei aber die Einnahmen des IWF stärken. Doch die Senkung dieser ohnehin abstrusen Zinspolitik ist nur ein Tropfen auf heißem Stein – die Strafzinsen sind per se ein Unding und gehören zügig abgeschafft.
Auf der Jahrestagung präsentiert sich der IWF als Problemlöser, der Wirtschaftswachstum mit gescheiten Entwicklungsrezepturen fördert. In der Vergangenheit stieß die Institution oft auf starken Widerstand der Bevölkerungen, die Opfer ihrer Politik wurden: Im Gegenzug für Finanzspritzen in US-Dollar-Währung zwang er Schuldnerstaaten oft zu strikten Austeritätsprogrammen, Sozialabbau und Privatisierungen. Argentinien und Griechenland sind nur zwei bekannte Beispiele, wo in Folge die Massenarbeitslosigkeit, Verarmung, und Raubtierkapitalismus die Volkswirtschaften und Organisationen der arbeitenden Bevölkerung zerstörten. Heute behaupten IWF und Weltbank, diese Zeiten seien vorbei. Doch nicht nur akademische und zivilgesellschaftliche Untersuchungen belegen das Gegenteil: Auch die andauernden Massenerhebungen jüngst in Kenia oder Sri Lanka zeigen den andauernden Bedarf an klassenkämpferischem Widerstand.
Reform der Weltbank: Ein Rammbock des Finanzkapitals
Auch bei der Weltbank sieht es nicht besser aus. Die größte multilaterale Entwicklungsbank fördert zwar essenzielle Projekte in den ärmsten Ländern, doch reicht ihre konzessionäre – also weitgehend unverzinste – Finanzierung bei Weitem nicht aus, sondern trägt oft selbst zur Erhöhung der Schuldenlast bei. Zwar durchläuft die Bank derzeit einen „Reformprozess“, um sie an das Krisenzeitalter anzupassen und der maßgeblich vom deutschen Entwicklungsministerium und Svenja Schulze (SPD) vorangetrieben wurde. Doch dieser setzt bloß auf kosmetische und geringfügige Anpassungen, die den Einfluss reicher Staaten nicht antasten.
Denn genau wie der IWF wird das Management der Weltbank von den USA, der EU und reichen Staaten dominiert. Die finanzstarken Länder verfügen über bedeutend mehr Stimmrechte als die abhängigen Länder und die Chefs von IWF und Weltbank werden stets zwischen USA und EU ausgemacht – das sogenannte Gentleman’s Agreement. Diese Umstände zu adressieren, ist nicht im Interesse der Länderanteilseigner der Weltbank und deswegen wurde auf der Jahrestagung kein nennenswertes Wort dazu verloren. Man kann einen Panzer nicht zu einem Krankenwagen umschrauben.
Auch die Weltbank hat in der Vergangenheit und noch immer Projekte der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge befördert, unterstützt fossile Energiegewinnung und zwingt armen Ländern neoliberale entwicklungspolitische Rezepte auf, die ihre Bevölkerung entmündigen und in Abhängigkeit vom internationalen Markt halten. Doch besonders bedrohlich war das auf der Jahrestagung vorherrschende Narrativ der Privatsektorförderung, die im Zuge der „Reform“ eine neue Dynamik erfahren soll.
Die Weltbank ist einer der Hauptakteure einer jahrzehntealten Kampagne, die transnationale Unternehmen, allen voran Investmentgesellschaften wie BlackRock oder StandardBank, stärker in die Entwicklungsfinanzierung einbinden soll. Dabei umgarnen Weltbank-Management und Regierungen die Investor:innen mit Finanzanreizen und Risikoabsicherungen, um sie zu renditeorientierten Investitionen in neue Märkte zu bewegen. Allerdings sind die erhofften Billionenbeträge seit Jahrzehnten ausgeblieben und auch in Zukunft wird das Finanzkapital kein plötzliches Interesse an der Finanzierung unprofitabler Märkte aufweisen. Gleichzeitig aber werden die politischen Privilegien der Portfoliomanager immer weiter in der Weltbank institutionalisiert, Förderprogramme ausgebaut und die direkte Entscheidungsmacht in die Unternehmensbüros verlagert.
Besonders symptomatisch dafür ist die Etablierung des Private Sector Investment Labs, ein Beratungsgremium, das mit CEOs von Investmentgesellschaften, Banken oder Vermögensfonds besetzt ist, und von Weltbankchef Banga, seinerseits ehemaliger CEO von Mastercard, einberufen wurde. Mehrere der „Reformvorhaben“ gehen wohl auf Vorschläge des „Labors“ zurück. So bleibt die Weltbank eine Agentin der Machterweiterung der Finanzmärkte und die Jahrestagung ein Forum, wo Investor:innen, Politiker:innen und Technokrat:innen die Volkswirtschaften der Wirtschaftsperipherie unter sich aufteilen können.
80 Jahre IWF und Weltbank: Bastionen des Status Quo
80 Jahre nach ihrer Gründung zeigen IWF und Weltbank erneut, dass sie als Produkte der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges vor allem der Interessensicherung finanzstarker Länder des marktwirtschaftlichen Zentrums verpflichtet sind – und nicht der Lösung der Probleme wirtschaftsperipherer Länder. Es ist ein Irrweg, auf Reformen und Lösungsansätze dieser Bollwerke US-amerikanischer Hegemonie zu setzen; nicht einmal in Zeiten akuter Notstände sind sie in der Lage, die eigentlich offensichtlichen Lösungen – wie einen Schuldenerlass – zu produzieren. Es sind vor allem die verwundbarsten Länder, die die Kollateralschäden der Krise des politischen Projekts von IWF und Weltbank ausbaden. Michael Galant von Progressive International findet dazu treffende Worte: „When even the low-hanging fruit is out of reach, perhaps all that is left is to strike at the root. [Wenn sogar die tief hängende Frucht unerreichbar bleibt, so bleibt wohl nur noch, die Wurzel zu hacken].“