Ja, die BVG hasst dich – aber noch mehr hasst sie ihre Belegschaft
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben ein ziemlich lustiges Werbevideo im Internet veröffentlicht: "Is' mir egal" heißt der Track von Kazim Akboga. Das Nahverkehrsunternehmen fährt gerade eine teure Werbekampagne unter dem Motto: "Weil wir dich lieben". Doch die meisten Berliner*innen erleben alles andere als Liebe vom Unternehmen.
„Is‘ mir egal“ ist ein ganz passendes Motto für das Management der BVG. So gibt es zum 1. Januar 2016 eine neue Fahrpreiserhöhung – mit nun über 80 Euro wird die Monatskarte doppelt so viel kosten wie vor 20 Jahren. „Egal“ sagt die BVG dazu.
Wer sich solche Preise nicht leisten kann, soll entweder ganz auf Transport verzichten oder sich mit – manchmal gewaltbereiten und rassistischen –Kontrolleur*innen auseinandersetzen. Nicht selten werden Menschen nach Anzeigen seitens der BVG eingesperrt. Ein Drittel der Menschen in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee sitzen dort wegen „Beförderungserschleichung“. Dafür zahlen die Steuerzahler*innen Berlins jedes Jahr über vier Millionen Euro. „Egal“ sagt die BVG dazu.
Besonders zynisch wirkt es, wenn Kazim Akboga in der Uniform eines Kontrolleurs „Is‘ mir egal“ singt. Geflüchtete, die Opfer von rassistischen Kontrollen werden, erleben das Unternehmen nicht als entspannt.
Aber dem BVG-Management ist vor allem egal, wie es ihrer Belegschaft geht. Die Geschäftsführung will um jeden Preis eine „schwarze“ Null. Die rund 11.000 Beschäftigten müssen das ausbaden, wenn die Technik nicht funktioniert oder die Fahrgäste wütend sind.
Die kritischen Gewerkschafter*innen von der Basisgruppe ver.di aktiv beschreiben die Situation in ihrer aktuellen Zeitung so:
„Die Fahrgäste sind zufrieden. Der Senat ist zufrieden. Der Vorstand ist zufrieden. Alles läuft nach Plan.“
Doch:
„Je tiefer man in der Hierarchie bei der BVG heruntergeht, desto schlechter wird die Stimmung. Die an der Basis, die für die guten Zahlen zuständig sind, müssen dafür einen hohen Preis zahlen! (…) Im Busbereich, im U-Bahnbereich, bei der Straßenbahn und in der Technik fehlt Personal. Die Leistung muss mit Überstunden abgedeckt werden. Viele KollegIinen und Kollegen arbeiten bis zum Umfallen.“
Das Management hat andere „Sorgen“. BVG-Chefin Sigrid Nikutta verdient 390.000 Euro pro Jahr – in einem Monat verdient sie deutlich mehr als ein*e Busfahrer*in in einem gesamten Jahr. Selbstverständlich lässt sich eine so wichtigen Managerin im firmeneigenen Dienstwagen transportieren, nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Fahrscheinkontrollen sabotieren
Wie können Berliner*innen mit ihrem Frust umgehen? Eine beliebte Strategie ist das ins Absurde gesteigerte Hinauszögern von Fahrscheinkontrollen, wie es etwa von von der Zeitschrift Exberliner oder der Gruppe Cosmonautilus (die zum rechten, pro-imperialistischen Flügel der Linksjugend-Solid gehört) propagiert wird. Das ist sicherlich ein kleines Zeichen der Solidarität für Menschen ohne Tickets.
Doch wirkliche Veränderung können vor allem die Beschäftigten erreichen, die jeden Tag – unter haarsträubenden Bedingungen – den Betrieb am Laufen halten. Deswegen sind sie es, die ein grundsätzlich anderes Transportsystem durchsetzen könnten. Man könnte das Fahren kostenlos machen und einfach auf Tickets, Automaten und Kontrolleur*innen verzichten. Dafür müsste man den Betrieb durch die Besteuerung der Reichen finanzieren.
Die BVG sollte unter Kontrolle der Arbeiter*innen und der Kund*innen stehen, nicht der kapitalistischen Manager*innen. Dazu braucht es eine Gewerkschaft, die für die Rechte ihrer Mitglieder kämpft, statt auf Deals mit der Geschäftsführung zu orientieren.
Dass Gewerkschaftsarbeit auch anders funktionieren kann als aktuell bei der BVG, zeigen U-Bahner*innen in der Stadt Buenos Aires. Bei Arbeitskämpfen haben sie einfach die Drehkreuze geöffnet, damit alle Menschen kostenlos fahren können. So konnten sie nicht nur eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzen, sondern dabei auch die Sympathie der arbeitenden Bevölkerung sichern.
Also ja, das Video ist ganz cool. Aber viel lieber hätten wir ein wirklich öffentliches Verkehrssystem für Berlin, das demokratisch kontrolliert wird und im Interesse der Lohnabhängigen funktioniert.