Istanbul: Festnahmen und Polizeigewalt während der Filmvorführung von „Pride“
Obwohl in der Türkei Aktivitäten zum Pride-Monat verboten sind, organisierten Aktivist:innen eine Filmvorführung. Die Polizei griff die Zuschauer:innen an.
Im Rahmen des Pride-Monats wollten Aktivist:innen am Mittwochabend den Film „Pride“ in den Räumlichkeiten von BEKSAV (Kino-Kollektiv der Stiftung für Wissenschaft, Ästhetik, Kultur und Kunstforschung) im Istanbuler Stadtteil Kadıköy zeigen. Das Kollektiv erklärte, dass sie die Vorführung trotz des Verbots durchführen würden. Dennoch blockierte die Polizei das Gebäude, verprügelte Menschen, die sich den Film ansehen wollten, und nahm sowohl Besucher:innen als auch die Verantwortlichen von BEKSAV fest. Zuvor hatte das Bezirksgouverneursamt von Kadıköy die vom BEKSAV-Kino-Kollektiv organisierte Vorführung des Films „Pride“ verboten.
In der Verbotsentscheidung bezeichnete das Büro des Bezirksgouverneurs die Veranstaltung als „gegen die öffentliche Moral verstoßend, würde Empörung in der Gesellschaft hervorrufen, würde nationale, gewissensbezogene und menschliche Werte berühren und könnte den sozialen Frieden bedrohen“.
Die Behörden untersagten alle Veranstaltungen im Bezirk für einen Tag, um „die unteilbare Integrität des Staates, der Nation, des Landes, der verfassungsmäßigen Ordnung und der Rechte und Freiheiten anderer“ zu schützen.
Auch das Feministische Universitätskollektiv gab am 6. Juni bekannt, dass das Istanbuler Bezirksgouverneursamt Şişli die Vorführung des Dokumentarfilms „Diren Ayol“ zum Thema LGBTI+ verboten hat. Das Kollektiv organisierte die Veranstaltung als Teil der Feierlichkeiten zum Pride-Monat. Das Büro des Bezirksgouverneurs verwendete denselben Text für das Verbot.
Trotz des Verbots organisierte das Kollektiv die Vorführung und erklärte: „Ihr habt sogar Angst davor, dass Frauen und LGBTI+ zusammenkommen, um einen Film zu sehen. Gewöhnt euch daran; wir sind hier, wir sind zusammen!“
Die Regierung hat vor den Wahlen eine stark homophobe und LGBTQ-feindliche Politik betrieben. Noch vor einigen Jahren war es in Istanbul erlaubt, den Pride-Monat öffentlich zu feiern. Inzwischen sind jedoch sämtliche Aktivitäten strikt verboten. Viele Aktivist:innen setzen sich dem staatlichen Verbot entgegen. Die LGBTQ Aktivist:innen kritisieren die Linken und die Opposition vor der Wahl sich sehr passiv verhalten haben, um das Wahlbündnis gegen die Regierung nicht zu gefährden, während die Angriffe im Alltag sich fortsetzen, wie auch Aktivist:in Oğulcan Yediveren in einem Interview ausdrückte. Wir schrieben vor der Wahl: “Trotz der Wirtschaftskrise und den katastrophalen Folgen des Erdbebens, ist der Rückhalt der AKP in ihrer Basis stark. Das liegt vor allem daran, dass die bürgerlichen Kräfte in einer passiven Haltung auf die Abwahl der Regierung warten. Kılıçdaroğlu ruft regelmäßig dazu auf, die Straßen nur bei Wahlkundgebungen zu füllen. Er will Straßendemonstrationen vermeiden, um die Kontrolle über die Opposition nicht zu verlieren.” Es ist im Interesse aller Arbeiter:innen, Unterdrückten, Frauen und Jugendlichen und LGBTQ-Menschen Pride Month gemeinsam zu feiern und die staatliche Repression zurückzudrängen.
„Pride“, unter der Regie von Matthew Warchus, erzählt die Geschichte eines gemeinsamen Kampfes, nachdem schwule Aktivist:innen beschlossen hatten, den Streik der National Union of Mineworkers im Jahr 1984 in England zu unterstützen, während die konservative Premierministerin Margaret Thatcher an der Macht war. Wir schreiben über den Film: “Kein anderer Film hat es je geschafft, in einem solchen Genre die Einheit der Kämpfe so lebendig darzustellen. Er zeigt, wie die Selbstorganisation von Unterdrückten mit der der Arbeiter:innen verbunden sein kann und auch welche politischen Kämpfe dafür geführt werden müssen: Gegen den Pessimismus und gegen die Bürokratien in der Arbeiter:innen- und der LGBTQI+-Bewegung.”