Ist DIE LINKE für oder gegen die Polizeigewalt am 1. Mai?

05.05.2021, Lesezeit 6 Min.
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Bild: Simon Zamora Martín

Nach der Repression am 1. Mai stellen sich einzelne Abgeordnete der Partei DIE LINKE wie Andreas Wagner hinter den brutalen Einsatz der Polizei. Andererseits sind viele Aktive an der Basis wie in Berlin-Neukölln gegen die Polizeigewalt. Wie geht das? Für eine Verurteilung der Polizeigewalt und der RRG-Regierung! Ohne Wenn und Aber.

Seit der brutalen Repression am 1. Mai und Provokationen der Berliner Polizei läuft eine koordinierte bürgerliche Kampagne gegen die linken und migrantischen Aktivist:innen. Im Gegensatz zu ihren Koalitionspartnern im Berliner Senat äußerte sich die Führung der Berliner Linkspartei bisher zurückhaltend zu der Polizeigewalt und der brutalen Beendigung der 1. Mai Demonstration. Auch linke Teile der Partei wie der Bezirksverband Neukölln in Berlin haben bisher keine offiziellen Aussagen als Bezirksverband über die Polizeigewalt gemacht.

Für die Parteiführung ist klar: Ihnen sind die Regierungsbeteiligung und die Posten im Senat wichtiger als eine Verurteilung der Repression. Weder die Abschiebung von jährlich 2.000 migrantischen Arbeiter:innen, Zwangsräumungen, noch rassistische Polizeirazzien in migrantischen Vierteln oder brutale Polizeirepression auf Demonstrationen sind Anlässe für die Linkspartei, ihre Regierungskoalition überhaupt in Frage zu stellen.

Teile der Partei gehen jedoch von Zurückhaltung zu offener Hetze über. Andreas Wagner, Abgeordneter der Linkspartei in Bundestag, bezeichnete einen Tag nach der massiven Polizeigewalt am 1. Mai die Demonstrierenden als “kriminell” und stelle sich hinter den brutalen Einsatz der Polizei. Diese Haltung kennen wir auch von G20-Protesten, als DIE LINKE die Gewalt seitens der Protestierenden verurteilte, ja sogar in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern selbst einen Antrag für die Verurteilung der Proteste einbrachte.

Warum bricht DIE LINKE nicht mit der Polizei?

Nur vereinzelt wurde Kritik am Vorgehen der Polizei geäußert, so von Niklas Schrader, Mitglied des Fraktionsvorstands der Berliner LINKEN und aktiv im Bezirk Neukölln. Schrader bleibt jedoch dabei stehen, das Verhalten als „kontraproduktiv“ zu bezeichnen, was dem brutalen Auflösen der Demonstration und den Hunderten Festnahmen nicht ansatzweise gerecht wird.

Doch nicht nur das: Weder Schrader noch seine Partei als Ganzes ziehen Konsequenzen aus den wiederholten Gewaltexzessen der Berliner Polizei, für die sie als Teil des Senates die Verantwortung tragen.

Nicht umsonst baut DIE LINKE in der Berliner Regierung die Polizei mit auf und stellt es als einen Erfolg der Regierung dar. Für Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Abgeordnetenfraktion, ist es ein Erfolg der RRG-Regierung, den Repressionsapparat und die Polizei weiter ausgebaut zu haben, alleine 869 neue Polizist:innen 2020/21. DIE LINKE hat sich zwar gegen flächendeckende Videoüberwachung gestellt, aber dafür gibt es neue Polizist:innen, die uns am 1.Mai verprügeln können. Danke RRG und Linkspartei!

Die politische Verantwortung für die Repression am 1.Mai liegt beim Rot-Rot-Grünen Senat, damit auch bei der Linkspartei. Wenn die Regierung mit der Repression nicht einverstanden wäre, müsste sie den Polizeipräsidenten abberufen, eine Untersuchungskommission einberufen und der Innensenator Andreas Geisel müsste zurücktreten. All das ist nicht der Fall. Es ist auch nicht der Fall, dass die Linkspartei etwas gegen den Polizeieinsatz macht. Warum fordert sie nicht die Offenlegung aller Einsatzpläne? Warum fordert sie nicht die Freilassung aller Aktivist:innen und die Einstellung aller Verfahren? Warum fordert sie nicht den Rücktritt des Innensenators oder tritt nicht selbst endlich aus dieser Regierung aus, die mit Gewalt gegen Arbeiter:innen und Migrant:innen vorgeht?

Kann man DIE LINKE noch retten? Wir fordern Konsequenzen!

Es ist jedoch nicht so, dass alle Mitglieder der Linkspartei mit dieser Politik einverstanden wären. Hunderte Aktivist:innen in der Basis kämpfen tagtäglich gegen die rassistische Polizeigewalt und stellen sich gegen einen weiteren Ausbau der Repressivkräfte.

Die migrantische Plattform Linkskanax und Mitglieder der Linkspartei Neukölln brachten auf dem vergangenen Landesparteitag der LINKEN im April einen Antrag ein. Der Antrag stammt formal ursprünglich von Belma Bekos, Ferat Kocak und Moritz Wittler aus der Bezirksorganisation Neukölln-Süd. Er sah vor, dass einzelne Formulierungen aus dem Wahlprogramm gestrichen werden sollen, nach denen ein weiterer Ausbau der Polizei offen im Wahlkampf gefordert worden wäre. Die Antragsteller:innen stellten richtigerweise fest:

Für die Antragssteller:innen ist es unhaltbar, […] über den Text [das Berliner Wahlprogramm] hinweg immer wieder die nüchterne Forderung nach mehr Personal bei der Polizei eingebaut ist. Die Polizei, der bewaffnete staatliche Apparat, wird dabei aufgeführt als einer unter vielen Akteuren der öffentlichen Daseinsvorsorge. […] Allein in der gegenwärtigen Legislaturperiode hat die Polizei martialische Hausräumungen mit gigantischem personellem Einsatz umgesetzt.

Anschließend argumentieren sie jedoch:

Statt noch weiterzugehen und im Wahlprogramm für die Verhinderung der Aufstockung bei der Polizei einzutreten, schlagen wir als Kompromisslösung vor, die Forderung nach mehr Polizei aus dem Wahlprogramm herauszunehmen.

Der Antrag ist laut unseren Informationen durchgegangen. Am Ende ging er der politischen Konfrontation aus dem Weg, indem er letztendlich einzelne Wörter aus dem Wahlprogramm gestrichen hat. Ein Erfolg? Nicht so richtig: Dieser Antrag wird es nicht verhindern, dass die Linkspartei nach dem Wahlkampf die Polizei als Teil der Rot-Rot-Grünen Regierung weiter ausbaut.

Der Druck von SPD und Grünen ist und wird so groß sein, die Polizei auszubauen, dass DIE LINKE dies am Ende des Tages mitträgt. Solange sie sich an der Regierung beteiligt, kann sie auch auf den Straßen nicht konsequent dagegen kämpfen, weil sie sonst gegen sich selbst mobilisieren würde. Nur außerhalb der Regierung und in Kämpfen auf der Straße kann sie sich gegen den Ausbau der Polizei stellen und nicht mehr die Verantwortung für Abschiebungen und Polizeigewalt mittragen.

Daher schlagen wir allen Genoss:innen innerhalb der LINKEN vor, die gegen die Polizeigewalt, Abschiebungen und Razzien sind, uns gegen eine Regierungsbeteiligung zu stellen. Wir denken, dass die Kandidat:innen aus DIE LINKE Neukölln, die gegen einen Ausbau der Polizei und Abschiebungen sind, sich im Wahlkampf eindeutig gegen Rot-Rot-Grün positionieren sollten. Falls sie gewählt werden, sollten sie sich gegen die Bildung einer solchen Regierung stellen, und falls die Regierung gebildet wird, aus der Regierungsfraktion austreten.

Der staatliche Rassismus und die Polizei kann nicht aus der Regierung heraus bekämpft werden, im Gegenteil braucht es eine Massenbewegung auf der Straße, die sich gegen den Staat und Regierungsparteien stellt. Die Arbeiter:innenklasse und Migrant:innen brauchen keine Regierungsbeteiligungen, sondern Strukturen der Selbstorganisierung und Klassenkampf. Sie brauchen keine reformistische Regierungsparteien, sondern eine revolutionäre Partei.

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