Ist Billigfleisch Schuld an den schlechten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie?

25.05.2020, Lesezeit 4 Min.
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Mit den Covid-19 Neuinfektionen in der Schlachtbetrieben ist die Debatte um Billigfleisch neu entbrannt. Doch wer ist Schuld an den elenden Bedingungen in der Fleischindustrie? Sind es die Verbraucher*innen oder die Gier der Kapitalist*innen?

Bild: „Stadionwurst“ by Elias Schwerdtfeger is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Immer wieder rauscht das Thema „Billigfleisch“ durch die Medienlandschaft. Deutschland wird dabei als Billigfleisch-Nation gebrandmarkt. Aktualität gewinnt das Thema durch die Corona-Krise. In den letzten Wochen wurden zahlreiche Neuinfektionen unter Beschäftigten der Fleischindustrie registriert. Die beengte Unterbringung der aus Rumänien stammenden Arbeiter*innen hat dabei als ein Brandherd erwiesen, in dem sich Covid-19 ungebremst ausbreiten kann.

Ein Verantwortlicher ist schnell gefunden: Die Verbraucher*innen, die mit ihrer Nachfrage nach Billigfleisch den Preis immer weiter drücken, und zwar auf Kosten von Mensch und Natur. Ein Kilo Fleisch für 4 Euro. Irgendjemand muss ja die Zeche dafür zahlen. Laut dieser Logik sind ist die Deutschen mit ihrem Fleischkonsum also für die Ausbeutung rumänischer Arbeiter*innen in der Fleischindustrie verantwortlich.

Doch während der Liberalismus die niedrigen Fleischpreise für die Situation verantwortlich macht, erwirtschaftet die Fleischindustrie Milliardengewinne. Wie kann es sein, dass bei einem Kilopreis von 4 Euro für Fleisch noch Milliarden Euro Gewinne gemacht werden? Da sollte also wohl noch etwas drin sein für Mensch und Umwelt? Statt den Profit der Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten und der Umwelt anzuprangern, wird also versucht, die Schuld auf die Konsument*innen abzuwälzen. Und während die Fleischindustrie weiter gewaltige Gewinne erwirtschaftet sollen die Fleischpreise steigen. Dabei sind das Problem nicht die niedrigen Preise, sondern die enormen Gewinne der Fleischindustrie.

Die ganze Konsumkritik, das Narrativ des „verantwortungsbewussten Konsums“ ist der Versuch die Verantwortung der Kapitalist*innen zu verdecken. Statt die Profite der Kapitalist*innen anzugreifen sollen die Lebenshaltungskosten steigen – ohne eine tatsächlich Änderung der Bedingungen erzwingen zu können. Und hierbei geht es um weit mehr als die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Es betrifft auch die Umwelt und die Ausbeutung von halbkolonialen und abhängigen Ländern. Das Narrativ ist mit der Idee verknüpft, „unser“ Wohlstand würde auf der Ausbeutung „anderer“ fußen. Und ja, es ist kein Zufall, dass die prekärsten Fleischarbeiter*innen eben keine Deutschen sind.

Letztendlich geht es aber gar nicht um „unseren“ Wohlstand. Was für ein Wohlstand ist überhaupt Billigfleisch? Dass man sich vielleicht leisten muss, weil man selbst so arm ist? Nein, es geht um die Profite der Kapitalist*innen. Diese gründen sich auf der Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse. Die Sichtweise, es gäbe einen gemeinsamen Wohlstand, der nur noch gerecht verteilt werden müsse, ist falsch. Sie reiht sich ein in die Vorstellungen von Sozialpartnerschaft und Burgfrieden. Es ist schon alles gut so, wie es ist. Wir müssen uns nur einig werden, nur gerechter verteilen. Begründet ist diese Sichtweise auf die Gewerkschaftsbürokratie, die mit den Bossen Kompromisse aushandelt. Und nutzen tut sie nur den Bossen.

Dabei gründet sich der Wohlstand der Kapitalist*innenklasse auf der Ausbeutung der Arbeiter*innen – im Ausland, aber auch in Deutschland selbst. Ohne die HartzIV-Reform und die Ausweitung irregulärer Beschäftigungen, wie eben den Werkverträgen in der Fleischindustrie wäre der ungebrochene Aufstieg der deutschen Bourgeoisie in den letzten 15 Jahren nicht möglich gewesen. Reformen, die wiederum wurden von der deutschen Sozialdemokratie ausgehandelt wurden. Die Idee dahinter war – richtig – einen „gemeinsamen Wohlstand“ zu schaffen, der dann wieder gerechter verteilt werden könne. Die Verantwortung nun auf die Konsument*innen abzuwälzen ist nur ein weiterer Versuch die klassenkollaboratorische Rolle der Gewerkschaftsbürokratie weiterzuführen und zu verschleiern.

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