Israel weitet Offensive im Gaza-Streifen mit Bodenangriffen aus

28.10.2023, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Rafah im südlichen Gaza-Streifen nach israelischen Luftangriffen / Anas-Mohammed @ Shutterstock.com

Nach immer stärkeren Bombardements, die bereits 7.300 Palästinenser:innen das Leben gekostet haben, hat die israelische Armee mit Bodenoperationen mit Panzern und Infanterie begonnen. In den nächsten Tagen ist ein weitaus größeres Massaker zu erwarten. Die Mobilisierungen zur Solidarität mit Palästina nehmen zu. Die UNO fordert einen Waffenstillstand.

Donnerstag Nacht wurden die ersten Bilder von Bodenangriffen auf den verwüsteten Gazastreifen veröffentlicht, nachdem 20 Tage lang ununterbrochene Bombardierungen stattgefunden hatten, bei denen mehr als 7.300 Palästinenser:innen getötet wurden, darunter mehr als 1.500 Kinder unter 10 Jahren. Dutzende von Panzern durchbrachen die Mauer, die den gesamten Gazastreifen umgibt, und begleiteten den Luftangriff.

Am Freitag bombardierte die israelische Armee die Telekommunikationsinfrastruktur, so dass der Gazastreifen völlig vom Rest der Welt abgeschnitten ist und es schwierig ist, die Entwicklung der Lage vor Ort zu verfolgen.

Gleichzeitig kündigte der Sprecher der israelischen Streitkräfte, Daniel Hagari, offiziell den Beginn der Bodenoperation an: „Als Fortsetzung der Offensivaktivitäten, die wir in den letzten Tagen durchgeführt haben, werden die Bodentruppen ihre Aktivitäten heute Nachmittag ausweiten“.

Stunden später erklärten die al-Qasam-Brigaden (der bewaffnete Flügel der Hamas), dass angesichts eines „Bodenangriffs“ der israelischen Truppen im Norden des Streifens „schwere Kämpfe“ stattfänden. „Wir sind mit einem Bodenangriff in Beit Hanoun und Bureij (nördliche Enklave) konfrontiert, und es finden schwere Kämpfe in dem Gebiet statt“, hieß es in einer Erklärung.

Bilder von Zusammenstößen und neuen Kriegsverbrechen Israels, das zum Beispiel erneut weiße Phosphorbomben abwarf, die nach der Genfer Konvention verboten sind, begannen bald in den sozialen Netzwerken zu kursieren.

Die zionistische Regierung drohte außerdem erneut mit der Bombardierung eines Krankenhauses und behauptete, dass sich die „Hamas-Führung“ darunter befinde.

Der Beginn der Bodenoffensive wurde vom jordanischen Außenminister Ayman Safadi bestätigt. „Israel hat gerade einen Bodenkrieg gegen Gaza begonnen“, warnte er. „Das Ergebnis wird eine humanitäre Katastrophe epischen Ausmaßes für die nächsten Jahre sein“.

Israel gegen UN: Aufruf zum Waffenstillstand „verachtenswert“

Angesichts einer Reihe von Kriegsverbrechen, darunter die Bombardierung der belagerten palästinensischen Enklave, um die Lieferung humanitärer Hilfsgüter zu verhindern, die systematische Unterbrechung der Wasser- und Stromversorgung, die Bombardierung von Gebieten im Süden, nachdem die Evakuierung der Bevölkerung in eben diese Gebiete angeordnet worden war, und angesichts der Ausweitung der israelischen Offensive, die das anhaltende Massaker zu maximieren droht, hat die UNO schließlich eine von den arabischen Ländern vorgelegte Resolution zugunsten eines Waffenstillstands angenommen.

Mit 120 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen und 45 Enthaltungen forderte die Generalversammlung eine „Einstellung der Feindseligkeiten“, „einen sofortigen, nachhaltigen und dauerhaften Waffenstillstand“ und den Zugang zu humanitärer Hilfe.

Die Resolution ist nicht bindend, da dieses Gremium nicht die eigentliche Führung der Organisation darstellt. Die eigentliche Macht liegt beim Sicherheitsrat, der sich aus fünf großen Weltmächten zusammensetzt (den Vereinigten Staaten, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Russland und China sowie zehn weiteren Ländern, die nach dem Rotationsprinzip ausgewählt werden und im Allgemeinen eine dekorative Rolle spielen) und der de facto nur im Konsens funktioniert, da die fünf ein Vetorecht haben. So ist dort trotz der jahrzehntelangen Besatzung und der systematischen Politik der ethnischen Säuberung gegen die Palästinenser:innen nie eine Resolution gegen Israel verabschiedet worden, und die UNO als solche fungiert in vielen Fällen als Legitimationsorgan für imperialistische Interessen, insbesondere die der USA.

Die zionistische Regierung ist jedoch empört und bezeichnete die Resolution der Generalversammlung als „verachtenswert“. „Wir lehnen den verachtenswerten Aufruf der UN zu einem Waffenstillstand rundheraus ab. Israel hat die Absicht zu handeln, um die Hamas zu eliminieren, so wie die Welt gegen die Nazis und ISIS gehandelt hat“, sagte der israelische Außenminister Eli Cohen in einer Nachricht im sozialen Netzwerk X (Twitter).

Kurz darauf wetterte der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan, der am Dienstag den Rücktritt von Generalsekretär António Guterres wegen dessen angeblicher pro-palästinensischer Voreingenommenheit gefordert hatte, gegen die UN, eine Institution, „die nicht mehr den Hauch einer Legitimität oder Relevanz hat“. Für Erdan hat „die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft gezeigt, dass sie lieber die terroristischen Nazis der Hamas verteidigt als den Staat Israel, der sich an die Gesetze zur Verteidigung von Zivilisten hält“.

Die israelische Offensive beschränkt sich nicht auf das anhaltende Massaker im Gazastreifen. Sie umfasst auch das seit 1967 von Israel illegal besetzte palästinensische Gebiet, das Westjordanland, wo israelische reguläre Streitkräfte und Siedler:innen seit dem 7. Oktober bereits mehr als 100 Menschen getötet haben. Bei einem Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin am Freitag wurden 3 Menschen getötet und 8 verwundet. Eine weitere Front des israelischen Angriffs ist der Südlibanon, wo die israelische Armee Stellungen der Hisbollah-Miliz bombardiert und nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) die Vertreibung von fast 29.000 Menschen in diesem Land verursacht hat.

Die Mobilisierungen zur Verteidigung Palästinas nehmen zu

Unterdessen hat die Intensivierung der Offensive im Gazastreifen mit dem Beginn der Bodenangriffe bereits mehrere neue Proteste in verschiedenen Ländern der Welt ausgelöst. Die wichtigsten fanden in Städten des Westjordanlandes wie Nablus, Hebron, Ramallah, Tullkarem und anderen statt.

Auch in Jordanien gab es eine große Mobilisierung.

Außerhalb der arabischen Welt fanden Proteste in New York und Paris statt, wo Demonstranten einen sofortigen Waffenstillstand forderten:

Es ist von entscheidender Bedeutung, die internationale Mobilisierung zu verstärken, um die mörderische Maschinerie des Staates Israel zu stoppen, der im Gazastreifen ein noch größeres Massaker durchführen will.

Dieser Artikel erschien zuerst auf unserer argentinischen Schwesterseite La Izquierda Diario. Unsere Redaktion hat ihn für ausländische Leser:innen angepasst.

Ergänzung der Redaktion

Nach dem Kollaps von Internet und Telefon in Gaza sind die Folgen für Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen katastrophal. Die Arbeit des medizinischen Personals ist stark eingeschränkt, denn die Bevölkerung kann sie nicht mehr erreichen, um Verletzte der Bombardements zu versorgen. Ärzte und Sanitäter müssen selbst den Einschlägen der israelischen Luftangriffe folgen, um mögliche Überlebende zu finden.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, bekräftigte die bedingungslose Unterstützung Israels: „Wir ziehen keine Roten Linien für Israel”.

Für eine mögliche Evakuierung deutscher Zivilist:innen sind über 1000 Bundeswehrsoldat:innen auf Zypern eingetroffen.
Um die Reaktionsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen, befinden sich dort verschiedene Spezialkommandos wie Kampfschwimmer:innen der Marine in Bereitschaft.

Auf Twitter trenden Millionen Posts mit dem Hashtag #starlinkforgaza um Elon Musk wie zum Start des Ukrainekriegs aufzufordern, durch das Starlink-Satellitennetzwerk, Gazas Kommunikation wiederherzustellen und vor allem medizinische Versorgung, aber auch Berichterstattung zu ermöglichen.
Gleichzeitig zeigen sich erschreckende Bilder der Zerstörung am Morgen nach dem brutalen Angriff in der Nacht.

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