Irland: Historischer Sieg der Frauenbewegung

26.05.2018, Lesezeit 5 Min.
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In Irland haben Hochrechnungen zufolge im Referendum 68 Prozent für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts gestimmt. Unter 18- bis 24-jährigen Frauen waren es sogar 90 Prozent. Damit fallen Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche nicht mehr unter Strafe.

Eines der härtesten Abtreibungsrechte Europas ist gefallen. Seit der Einführung des achten Verfassungszusatzes 1983 gibt es in Irland keine Möglichkeit mehr, legal oder geduldet Abtreibungen durchzuführen. Das Gesetz sah vor, dass Frauen, die abtreiben, bis zu 14 Jahre ins Gefängnis kommen können. Nicht einmal bei Schwangerschaften in Folge von Vergewaltigung wurden Ausnahmen gemacht. Selbst wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, sind Abtreibungen erst seit 2013 erlaubt. 2012 starb Savita Halappanavar in einem irischen Krankenhaus in Irland, weil ihr die Abtreibung verweigert wurde. Ihr Tod löste damals große Massenproteste in ganz Irland aus, die als Startschuss für die Bewegung zur Aufhebung des Abtreibungsverbots gelten sollten.

Frauen erkämpfen Referendum

Gegen diese mittelalterlich anmutende Gesetzgebung sind seit Jahren immer wieder Tausende Frauen auf die Straße gegangen, unterstützt von den Gewerkschaften. Junge Frauen gründeten unter anderem die Bündnisse Abortion Rights Campaign (Arc) und Reproductive Rights, Against Oppression, Sexism & Austerity (Rosa), die über Jahre für die Kampagne Unterschriften gesammelt und mobilisiert haben. Zum Internationalen Frauenkampftag am 8. März 2017 demonstrierten rund 20.000 Menschen in Dublin. Schüler*innen, Studierende und Arbeiter*innen folgten einem Streikaufruf unter dem Motto „Strike4Repeal“ und legten an diesem Tag die Innenstadt lahm. Auch in anderen Städten Irlands demonstrierten Tausende für die Aufhebung des Abtreibungsverbots. 2018 demonstrierten ebenfalls Tausende Frauen für ihr Recht auf Abtreibung.

Nun konnten sie in einem Referendum über die Zukunft des Abtreibungsrechts entscheiden. Zur Abstimmung stand, ob der achte Verfassungszusatz gestrichen wird. Die Regierung hat bereits Entwürfe für neue Gesetze vorgelegt, die unter anderem beinhalten, dass Abtreibungen bis zur zwölften Woche straffrei bleiben können. Unter bestimmten Umständen kann die Frist auf 24 Wochen verlängert werden.

Dass Abtreibungen unter Bedingungen bald straffrei sein werden, ist ein großer Sieg für die Frauenbewegung. Die Regierung der konservativ-sozialdemokratischen Koalition der Fine Gael und Labour-Party unterstützt zwar die Aufweichung des totalen Abtreibungsverbotes. Aber zu einer Legalisierung will sie sich trotzdem nicht hinreißen lassen. Die einzige Partei, die die vollständige Entscheidungsfreiheit für Frauen fordert ist das Wahlbündnis Solidarity/People before Profite, in dem sowohl die Socialist Party (Schwesterorganisation der SAV) sowie die Socialist Workers Party (Schwesterorganisation von Marx21) arbeiten.

Die Jugend und die Kirche

Es war vor allem die Jugend, die die Ja-Kampagne getragen hat. Unter den 18- bis 24-jährigen hatten etwa 84 Prozent mit Ja gestimmt. Unter Frauen in dieser Altersgruppe lag der Anteil sogar bei 90 Prozent. In den Umfragen zuvor hatten sich etwa 56 Prozent aller Befragten für die Liberalisierung ausgesprochen. Das Ergebnis übertrifft damit deutlich die Erwartungen des Ja-Lagers. Dabei ist es besonders diese junge Generation, die besonders hart unter den Auswirkungen der Krise und der Spardiktate der EU gelitten hat. Wer es sich leisten konnte, hat das Land verlassen. Für die Jugend vor Ort bedeuteten die Spardiktate eine Ausweitung von Erwerbslosigkeit, Wohnungsnot und Prekarisierung. Das besonders in dieser Generation der Einfluss der Kirche immer stärker schwindet, ist letztlich auch ein Ergebnis der brutalen Kürzungspolitik, die von der Regierung, die eng mit der Kirche verbunden ist, durchgesetzt wurde.

Die Nein-Kampagne wurde vor allem von der katholischen Kirche getragen. Ihr Scheitern zeigt den Einfluss-Verlust, den sie in den letzten Jahren in Irland hinnehmen musste. Mit Nein hatten vor allem ältere Personen gestimmt, unter den über 65-Jahren sogar die Mehrheit.

Die Wahlbeteiligung war mit 70 Prozent ungewöhnlich hoch. Und das, obwohl die Stimmen nur vor Ort abgegeben werden konnten. Eine Briefwahl war nicht möglich. Tausende Wähler*innen, die extra aus dem Ausland angereist waren, um an der Abstimmung teilzunehmen, wurden am Flughafen von Abtreibungs-Befürworter*innen mit den Worten begrüßt: „Danke für diese Reise, damit andere Frauen sie nicht unternehmen müssen.“

Denn aufgrund der Illegalisierung der Abtreibung müssen jedes Jahr tausende Frauen nach Großbritannien fahren, um den Eingriff dort vorzunehmen. Nach Angaben der britischen Regierung haben seit dem vollständigen Abtreibungsverbot in Irland 1983 circa 170.000 Irinnen in Großbritannien einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.

Durch die Stigmatisierung von Abtreibungen geschehen diese Reisen oft, ohne das persönliche Umfeld in Kenntnis zu setzen. Die Frauen sind mit daher mit der finanziellen und persönlichen Belastung häufig allein gelassen. 2.000 von ihnen bestellen jedes Jahr im Internet Abtreibungspillen und riskieren damit Gefängnisstrafen, wenn sie entdeckt werden. Zudem fehlt ihnen dabei die ärztliche Begleitung.

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