Iran-Regime will Frauen ohne Kopftuch in Kliniken einweisen
Eine iranische Studentin protestierte öffentlich in Unterwäsche und wurde daraufhin verhaftet. Nun will die Regierung systematisch Frauen in Kliniken zwingen, wenn sie das Kopftuch ablehnen.
Nach den Protesten gegen die Ermordung von Jina Mahsa Amini Ende September 2022 und den damit verbundenen Protesten gegen Zwangsverschleierung, ist der Wille nach Freiheit im Iran stets ungebrochen. Seit mehr als zwei Jahren finden immer noch Protestaktionen von mehrheitlich Frauen in verschiedenen Formen statt. Vor einigen Wochen protestierte die 30-jährige Studentin Ahou Daryaei gegen diskriminierende Kleidervorschriften, indem sie sich nur in Unterwäsche auf ihrem Uni-Campus bewegte. Daraufhin wurde sie von der Sittenpolizei verhaftet und nach Aussagen der Universitätsleitung in eine psychiatrische Klinik gebracht. Bis heute ist unklar, was weiter mit ihr geschehen ist und wie es ihr geht.
Seit dem Beginn der Protestbewegung ignorieren immer mehr Frauen die angeordnete Kleiderordnung und verzichten auch in der Öffentlichkeit auf das Kopftuch und lassen sich auch von den Kontrollen durch die Sittenpolizei nicht davon abhalten. Das Regime hat zuletzt zwar Verstöße weniger aggressiv verfolgt, um keine neuen Massenproteste zu provozieren, sucht aber gleichzeitig nach neuen Wegen zur Durchsetzung der Kleiderordnung.
Als Antwort auf die wiederkehrenden Widerstandskämpfe initiierte die „Behörde für die Einhaltung der islamischen Tugenden in der Gesellschaft“ die Einrichtung einer „Klinik“ zur Durchsetzung der strikten Kleidervorschriften. Diese Klinik solle Frauen, die sich nicht an die strikte Kleiderordnung halten, „psychologisch betreuen, heilen und zurück zu islamischen Tugenden führen“. Vorher wurden Verstöße gegen die Kleiderordnung angezeigt und anschließend verurteilt.
Welche Folgen die „psychologische Betreuung und Heilung“ hätte und welche Methoden zur Anwendung kommen würden, darüber lässt sich nur mutmaßen. Die Reaktionen nach den Massenprotesten Ende 2022 gegen die Demonstrierenden lassen die Methoden aber erahnen. Damals wurden mehrere Hundert Menschen getötet, darunter auch viele Minderjährige, mehr als 15.000 wurden festgenommen und viele erlitten Misshandlungen und Folter. Auch systematische Vergewaltigungen von Frauen, Kindern und Jugendlichen waren Realität in den Gefängnissen. Hunderte wurden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt und es gab nach offiziellen Angaben 143 Hinrichtungen. Gerade geschlechtsspezifische Gewalt, die sich gegen Frauen richtet, war und ist Normalität.
Die Regierungskrise des Iran
Die Reaktionen der iranischen Regierung unter Präsident Massud Peseschkian waren distanziert und betonten, nichts mit der Angelegenheit zu tun zu haben. Das ist eine dreiste Lüge, schließlich steht die Sittenpolizei unter direkter Kontrolle der iranischen Regierung. Diese versucht jedoch, neue größere Proteste zu vermeiden. Denn die Regierung steckt in einer politischen Krise.
Die wirtschaftliche Situation im Iran hat sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert und ist eine der Hauptursachen für anhaltende Unruhen in der Bevölkerung. Die internationalen Sanktionen, insbesondere die Wiedereinführung der US-Sanktionen nach dem Austritt aus dem Atomabkommen 2018, haben die Wirtschaft stark belastet. Viele Menschen sind aus der Mittelschicht in die Armut gerutscht, die Mehrheit der Bevölkerung lebt am Existenzminimum oder gar darunter. Die Inflation bleibt hoch, was die Kaufkraft der Bevölkerung weiter schwächt. Zusätzlich sind Korruption und Missmanagement weit verbreitet, was das Vertrauen in die Regierung weiter untergräbt.
Diese wirtschaftlichen Probleme führen zu landesweiten Protesten. Im Oktober 2024 kam es beispielsweise in mehreren Städten wie Kermanshah, Isfahan und Bushehr zu Demonstrationen von Arbeiter:innen, Rentner:innen und Lehrer:innen. Die Protestierenden forderten unter anderem höhere Löhne, bessere Renten, die Freilassung politischer Gefangener und ein Ende der Korruption. Besonders Arbeiter:innen aus dem Energiesektor, ein entscheidender Bereich für die iranische Wirtschaft, streiken regelmäßig für bessere Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Versprechungen der Regierung.
Neben den wirtschaftlichen Faktoren spielen politische und soziale Spannungen eine wichtige Rolle. Die Protestbewegung, die durch den Tod von Mahsa Amini im Jahr 2022 ausgelöst wurde, hat sich zu einem Ausdruck des Widerstands gegen die repressiven Gesetze des Regimes entwickelt. Insbesondere Frauen und Jugendliche beteiligen sich aktiv, was die Breite und Tiefe des Unmuts gegenüber der Regierung verdeutlicht.
Streiks und Proteste sagen dem Staat den Kampf an
Das Regime sieht sich vor immense Herausforderungen gestellt. Die Proteste signalisieren eine zunehmende Ablehnung der staatlichen Führung und fordern drastische Repression, um sich an der Macht halten zu können. Was es jetzt braucht, ist eine Zuspitzung des Klassenkampfs im Iran, um sowohl die wirtschaftliche und soziale Krise zu bewältigen, als auch um die antifeministische Politik des Regimes zu bekämpfen.
Die Streiks in den Öl- und Gasindustrien müssen sich mit den feministischen Protesten auf der Straße verbinden, um einen gemeinsamen Kampf gegen die Regierung zu führen.