Iran: „Eine führende Rolle der Arbeiter:innen ist notwendig, damit die Revolte zur Revolution werden kann.“
Am 4. Dezember folgten mehrere hundert Menschen in München dem Aufruf der Vernetzung in Solidarität mit den Aufständen im Iran und Rojhîlat (Ostkurdistan). Wir haben uns an den Protesten mit einer Rede zur Bedeutung der Arbeiter:innenklasse und ihrer Streiks beteiligt, die wir hier dokumentieren.
Vor nun über elf Wochen brach die historische Revolte im Iran und Rojhilat aus. Ausgelöst durch den Mord an der Kurdin Jîna Mahsa Amini, protestierten im ganzen Land Menschen gegen das reaktionäre Mullah-Regime, das Frauen und queere Menschen, sowie die kurdischen und belutschischen Völker unterdrückt. Befeuert wurden die politischen Proteste durch die verheerende wirtschaftliche Situation, unter der die Mehrheit der Bevölkerung seit Jahren leidet. In vielen Sektoren der Wirtschaft streikten Arbeiter:innen: Lehrer:innen und Studierende, Arbeiter:innen in Stahlwerken und nicht zuletzt in der Öl- und Gasindustrie. Ihren Schwerpunkt haben die Massenproteste und Streiks in den Teilen Kurdistans und Belutschistans, die auf iranischem Staatsgebiet liegen – und dort ist die brutale Repression des Regimes besonders hart. Insgesamt hat der iranische Staat bisher Hunderte ermordet, Zehntausende weitere wurden verhaftet.
Frauen und queere Menschen, sowie unterdrückte Völker stehen an vorderster Front der Proteste – und sie sind es auch, die am stärksten von der Repression betroffen sind. Die Streiks, die das Regime bereits stark unter Druck gesetzt haben, sind hier ein einendes Element. Erst gestern wurde zu neuen Streiks aufgerufen. Seit der Zeit der Revolution von 1979 gibt es im Iran eine Tradition der Shoras, räte-ähnlichen Organen der Selbstorganisierung in Betrieben, Universitäten und Stadtvierteln. In den Streiks der vergangenen Jahre, z.B. in der Zuckerfabrik Haft-Tappeh, sind erneut solche Shoras entstanden. Die Ausweitung der Streiks und eine führende Rolle der Arbeiter:innenklasse, die die Forderungen aller Unterdrückten im Land aufnimmt, ist nötig, damit die Revolte zur Revolution werden kann. Damit das reaktionäre Regime endlich weggefegt wird!
Kurd:innen, Belutsch:innen, Araber:innen, Perser:innen, Aseris, Luren und Turkmen:innen können so Hand in Hand gegen dieses Regime kämpfen. Die multiethnischen Arbeiter:innen haben die Macht, dieses System zu überwinden, die Unterdrückung von ethnischen Minderheiten, Frauen und queeren Menschen zu beenden und das Recht auf nationale Selbstbestimmung jedes unterdrückten Volkes durchzusetzen.
Die westlichen imperialistischen Staaten, die nun ihre jahrzehntelangen Sanktionen gegen den Iran in angeblicher „Solidarität“ mit den Protesten verschärfen, verschlimmern nur weiter die krisenhafte wirtschaftliche Lage für die Bevölkerung. Die Armut hat unter der Bevölkerung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, die Inflation ist in den letzten neun Monaten von 35 auf 59 Prozent gestiegen, jeder dritte Mensch hat nicht genug zu essen. Besonders junge Menschen sind von hoher Arbeitslosigkeit betroffen. Die jahrelangen Sanktionen des Westens sind selbst zu einem Großteil verantwortlich für die wirtschaftliche Lage und die Lebensbedingungen der Menschen dort. Es ist Heuchelei pur, dass genau diese Staaten sich nun Solidarität oder sogar den kurdischen Slogan „Jîn Jîyan Azadî“ auf die Fahne schreiben, während beispielsweise Deutschland massenhaft Waffen an den Türkischen Staat exportiert, der damit Kurdistan bombardiert.
Nein zu westlichen Interventionen, Beendigung aller Sanktionen, weil sie die Bevölkerung treffen und das Land in die Abhängigkeit der imperialistischen Staaten führen! Die Massen im Iran kämpfen für die Unabhängigkeit, die nicht durch Einmischung des Westens realisiert werden kann. Die Lehren aus Syrien, Libyen, Irak, Afghanistan sind nicht in Vergessenheit geraten.
Die Bundesländer haben einen vorübergehenden Abschiebestopp in den Iran beschlossen, doch es soll Ausnahmen geben. Wir sagen: Keine einzige Abschiebung mehr und zwar auf Dauer! Der Abschiebestopp muss generalisiert werden und alle Asylanträge müssen anerkannt werden.
Auch hierzulande müssen wir mit den Mitteln der Arbeiter:innenklasse für diese antiimperialistischen Forderungen eintreten: Unsere Kämpfe als arbeitende Menschen sind untrennbar miteinander verbunden, und der Tod von Jina Mahsa Amini kann zum Funken werden, der ein Feuer auf der ganzen Welt entzündet.