Investoreneinstieg verhindert: Ist der Deutsche Fußball gerettet?
Der Investoren-Deal, gegen den die Fankurven wochenlang protestiert hatten, ist geplatzt. Doch dieser Erfolg stellt nur den Status quo wieder her, in dem sich Investoren schon längst breit gemacht haben.
Tennisbälle prasseln aufs Feld, aus der Fankurve erklingen Chöre, Banner werden ausgerollt – aus Protest gegen den Investoreneinstieg in die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL). Auch wenn es in den Stadien weit über die Ultra-Gruppen hinaus breite Solidarität mit den Protesten gab, wurde in den letzten Wochen fleißig aus der Politik und der bürgerlichen Presse dagegen geschossen. „Man solle sich doch mit der DLF und Investoren an einen Tisch setzen”, doch der Protest hat sich nicht hinter verschlossenen Türen halten lassen. Ganz im Gegenteil wurde er in voller Öffentlichkeit ausgetragen und hat schlussendlich auch dem Nörgeln der Fraktion: „Das führt doch zu nichts, das ist doch eh schon beschlossene Sache” den Saft abgedreht. Alle Investoren haben durch den Protest nun ihre Angebote zurückgezogen. Ein erfolgreicher Protest also.
Die Proteste richten sich gegen die weitere Kommerzialisierung des deutschen Fußballs, doch uns muss klar sein, dass diese schon längst stattgefunden hat. Der geplatzte Deal sollte einen großflächigen Einstieg von Investoren in die Ligastruktur ermöglichen, also dort, wo die Regeln bestimmt, Spieltage geplant und der Weg der Spitze des deutschen Fußballs bestimmt wird. Doch auch ohne den Einstieg hat die DFL in den letzten Jahren immer wieder Entscheidungen im Interesse von Investoren und von Fernsehdeals getroffen, wie die immer weite Zerstückelung der Spieltage, die auch noch auf mehrere Fernsehanbieter verteilt wurden.
Auch bei den Vereinen haben die Investoren schon längst mehr als einen Fuß in der Tür. Knapp die Hälfte der Vereine in der Bundesliga hat über 90 Prozent ihrer Anteile an Investoren abgegeben, trotz der 50+1 Regelung, die auch in den Protesten immer wieder positiv hervorgehoben wurde.
Was ist 50+1?
50+1 ist eine Regelung der DFL, welche Vereine verpflichtet, nicht mehr als 49 Prozent der Stimmrechte an Investoren abzugeben und somit eine Stimmenmehrheit für die Vereine selbst zu gewährleisten. Es gibt aber einige Ausnahmen von dieser Regelung, zum Beispiel der Verein Bayer Leverkusen, der quasi komplett dem Chemie- und Pharmakonzern Bayer untersteht. Aber es braucht gar keine Ausnahmen, um die Idee dieser Regelung komplett auf den Kopf zu stellen.
Denn 50+1 regelt nur das Stimmrecht, aber nicht wie viele Aktien Vereine verkaufen können. Es kann also schon fleißig eingekauft werden bei den Clubs. So haben sieben der achtzehn Bundesligaclubs mehr als 90 Prozent ihrer Anteile an Investoren verkauft. Darunter auch Traditionsvereine wie Borussia Dortmund und der FC Augsburg. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um sich klar zu machen, dass wenn Investoren über 90 Prozent der Anteile besitzen, sie natürlich einen riesigen Einfluss auf den Verein und vor allem auf den Vorstand haben.
Doch selbst bei den Vereinen, die ihre Anteile nicht verkauft haben, agiert man selbstverständlich nicht außerhalb der Gesetze der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist äußerst wichtig, dass deutsche Ultras und Fußballfans die Stellung halten und jede weitere Einflussnahme durch äußere Investoren verhindern. Fakt ist aber auch: Fußballvereine können sich im Kapitalismus dem Anpassungsdruck und der Profitlogik nicht entziehen. Auf dem Papier behalten die Fans die Stimmenmehrheit, in der Realität sitzen oft trotzdem Sponsor:innen, Unternehmer:innen und Gläubiger:innen am längeren Hebel.
Der deutsche Fußball als Fels in der Brandung?
Wir sind also wieder da, wo wir vorher auch waren und das Vorher war bereits ein rasanter Ritt zu einem Fußball mit noch mehr Kommerzialisierung. Proteste wie dieser halten mühsam am non-kommerziellen Fan-Ideal fest, im Gegensatz zur Premier League in England, wo quasi jeder Verein komplett von Investoren kontrolliert wird.
Das Lechzen des Kapitals, auch den deutschen Fußball in dieses fremdgesteuerte Sportgespenst zu verwandeln, wird verständlich, sobald man die Transfersummen zwischen der Bundesliga und der durch Investition hochgespritzten Premier League vergleicht.Knapp 2.93 Milliarden Euro gaben die Premier League Clubs für Transfers diese Saison aus, die Bundesliga Clubs dagegen nur 845 Millionen Euro.
Doch der deutsche Fußball ist mit dem geplatzten Investoren-Deal nicht gerettet. Der Kampf gegen Kommerzialisierung im Kapitalismus ist ein Kampf gegen Windmühlen, ein Kampf, in dem wir Schritt für Schritt an Boden verlieren werden. Hart verdiente Erfolge wie dieser sollten uns nicht zu Illusionen verleiten, dass wir doch irgendwie den Fußball im Schritttempo wieder zu einem Fußball für Fans und nicht für die VIP-Tribüne verwandeln können. Auch mit 50+1 im Rücken steigen immer mehr Investoren in unsere Clubs ein, wie zuletzt die Porsche AG beim VfB Stuttgart und ein regionales Bündnis von Investoren bei Werder Bremen. Trotz großer Proteste und Traditionsbekenntnisse werden die Spieltage immer weiter für Fernsehwerbung zerstückelt. Auch mit den Faninitiativen der DLF, auch mit der Politik der Vereinsvorstände für den Dialog mit den Fans wird uns beim nächsten Spieltag wieder die Polizei schikanieren.
Der Kampf gegen die Kommerzialisierung kann nur gewonnen werden, wenn der Kapitalismus als Kraft, die sie stetig vorantreibt, zerstört wird. In einem System, das nicht primär der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern den Profitinteressen von Investoren und Großkonzernen dient, wird jeder Lebensbereich so weit wie möglich in den Dienst des Kapitals gestellt. Fangruppen müssen von ihrer apolitischen Linie abkommen. Man kann nicht leugnen, dass der Kampf gegen Kommerzialisierung ein politischer ist, der auch Fragen für die Welt außerhalb des Fußballs aufwirft. Der Kapitalismus beschränkt sich nicht auf den Fußball, also sollten wir es auch nicht tun.