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Intifada heißt Abschütteln – Oder: Warum Palästinasolidarität zum G20?

03.07.2017, Lesezeit 8 Min.
Gastbeitrag

Wir spiegeln hier die Erklärung des Internationalistischen Blocks zu G20 angesichts der Vorwürfe des Antisemitismus.

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Im Vorfeld der G20-Demonstrationen mobilisieren sogenannte „Antideutsche“ gegen den Internationalistischen Block. Dieser sei antisemitisch, da sich insbesondere die Gruppen BDS Berlin und F.O.R. Palestine beteiligen würden. Des weiteren organisiert der Block am 6. Juli um 12 Uhr in seinem Barrio im Volkspark Altona eine Veranstaltung unter dem Titel „Gegen Kapital und Krieg – Intifada bis zum Sieg“. Wir antworten hiermit auf die… Denunziationen.

Wir weisen die Unterstellung des Anti-Semitismus grundlegend zurück. Diese Denunziation arbeitet mit den gleichen Methoden und Argumentationsstrukturen, wie die deutsche Bundesregierung, das Außenministerium und deren Hofberichterstatter der Springer-Presse. Wir fordern in diesem Rahmen auch die TAZ auf, die in einer Kolumne von gestern unter dem Titel „Die Protokolle der Weisen von Hamburg“ einen Hetzartikel veröffentlichte, ihre eigenen journalistischen Standards zu überprüfen und entweder den Artikel zu entfernen oder eine Gegendarstellung zuzulassen.

Ungeachtet dessen möchten wir die Gelegenheit nutzen, um uns inhaltlich deutlich als Internationalistischer Block zu positionieren. Vorweg möchten wir eines zum Ausdruck bringen. Der Angriff durch vermeintliche Linke auf Netzwerke wie BDS, dessen zentrale Forderung nichts anderes als die Einhaltung „internationalen Rechts“ durch den israelischen Staates ist, ist eine bodenlose Schande. Dies besonders in Anbetracht der Verbotsforderungen durch CDU-Politiker in Hamburg und Attacken durch die SPD in Berlin gegen ebendiesen. Umso mehr zu einem Zeitpunkt, an dem die deutsche Regierung einen weiteren Miliarden-Deal zur Lieferung modernster U-Boote an das Kabinett Netanjahu abgeschlossen hat, die auch nukleare Sprengköpfe tragen zu können. Die Bundesregierung möchte ein Drittel der Kosten für die rechtsnationalistische Regierung Israels übernehmen. Gleichzeitig erlebt der Gaza aktuell die stärksten Bombardements seit dem Krieg 2014.

Die so genannten „Antideutschen“ fühlen sich nun von unserem klaren Auftreten in bedingungsloser Solidarität mit Freiheitskämpfen unterdrückter Bevölkerungen wie in Palästina oder Kurdistan bedroht. Dieser Freiheitskampf drückte sich u.a. in zwei „Intifada“ aus. Während diese Kräfte „Intifada“ mit der „Auslöschung der Juden*Jüdinnen“ gleichsetzen, bedeutet dieses arabischen Wort auf Deutsch tatsächlich „Abschütteln“. Es ist ein Aufruf zu einem Aufstand, der die Ketten, das Joch der Unterdrückung und Besatzung zerstören soll. Es ist ein revolutionärer Begriff eines Freiheitskampfes, mit dem wir solidarisch sind und den wir unterstützen.

Denn die Palästinenser*innen werden von einem Staatsapparat unterdrückt, dem daran gelegen ist, sich ihre Ressourcen und Territorien einzuverleiben. Ethnische Säuberung wird dabei für das zionistische Projekt aufgrund seiner Basisidee einer von ihm als jüdisch definierten Mehrheitsgesellschaft nicht bloß zur Praktik, sondern zur Langzeitstrategie. Selbst Gremien der UN kamen unlängst in ihren Communiques zu dem Schluss, dass sich der israelische Staat dabei Mechanismen der Apartheid bediene. Das ist nicht unüblich für einen Siedlerkolonialismus. Ein Faktor, der beim zionistischen Siedlerkolonialismus allerdings von der Norm abweicht, ist der ihm inhärente Doppelcharakter. Dieser entwickelte sich zusehends mit der Ausbeutung palästinensischer Arbeitskraft. Diese Einbindung von palästinensischen Arbeiter*innen beispielsweise in den Siedlungsbau geschah entgegen anfänglich auferlegter Doktrinen wie „Kibush Havoda“ (Besatzung der Arbeit) oder „Totzeret Haaretz“ (Produkt des Landes), die den ethnisch basierten Waren- und Arbeitsboykotts gegen Palästinenser*innen vorsahen. Die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung ist durchaus komplex. Denn auch wenn die zionistische Wirtschaft mittlerweile massiv von der Ausbeutung palästinensischer Arbeiter*innen profitiert, erlebt der exkludierende Ansatz momentan mit der rechten, ultranationalistischen Regierungskoalition eine Renaissance. Beispiele für rassistische Diskriminierung, Unterdrückung und Angriffe auf Palästinenser*innen gibt es zuhauf, so dass diese hier nicht weiter aufgelistet werden müssen.

Die Situation hat sich zunehmend mit der Amtsübernahme der Trump-Regierung sowie der regionalen Zuspitzung um Qatar vertieft. Das saudische Regime versucht eine Annäherung an Netanjahus Regierung, um einen Verbündeten in der Auseinandersetzung mit Qatar und dem Iran zu gewinnen. Die Konsequenz ist, dass sich der israelische Staat, ermutigt durch diese Entwicklungen, mit gesteigerter Brutalität vorgeht, während israelische Konzerne profitieren.

Allein diese kurze Darstellung sollte genügen, um aufzuzeigen, warum der palästinensische Widerstand ein legitimer Bestandteil des Protestes gegen die G20 ist. Sie sollte auch deutlich machen, warum wir eine klare Position zu seinen Gunsten beziehen. Diese Positionierung ist nicht daran geknüpft, welche Mittel der Widerstand nutzt, welche Akteure in ihm vertreten, sondern an das übergeordnete Unterdrückungsverhältnis des israelischen Staates gegenüber der palästinensischen Bevölkerung. Wir solidarisieren uns demnach „bedingungslos“. Das bedeutet keineswegs, dass wir keine Kritik an Mitteln oder Akteuren wie der Hamas oder der Palästinensischen Administration äußern. Diese Kritik ist jedoch als Bestandteil einer Bewegung für die Rechte der PalästinenserInnen zu verstehen, nicht als Kritik, die darauf abzielt die Aktionen der IDF oder des israelischen Staates zu legitimieren, wie es die Antideutschen und Zionisten tun.

Letztlich treten wir für eine Einstaatenlösung ein. Sie ist unserer Ansicht nach die einzige Möglichkeit, ein gleichberechtigtes Leben für alle Bewohner*innen des Landes und alle aus ihm Vertriebenen zu sichern. Von pro-zionistischen Gruppierungen wird diese Tatsache oft als Beweis für unseren angeblichen „Antisemitismus“ instrumentalisiert. Im 1. Mai Bündnis 2016 warf eine Person aus dem Umfeld der Ökolinx uns vor, wir würden „Alle Juden*Judinnen ins Meer treiben wollen“. Als wir eine Erklärung für den Vorwurf verlangten, zeigte die Person auf ein Blatt Papier und meinte: „Ihr wollt ja den Staat Israel abschaffen“. Ja. Wir wollen als Antikapitalist*innen einen bürgerlichen Staat, dessen konkretes Fundament die Vertreibung und die Apartheid sind, gesichert durch massive militärische Arsenale, abschaffen. Wer nicht in der Lage ist, zu begreifen, dass die Abschaffung eines rassistischen Kolonialstaates genauso wenig ein Angriff auf Juden*Jüdinnen ist, wie die Abschaffung des Patriarchats ein Angriff auf alle Männer, wird wahrscheinlich auch nicht verstehen, was ein Leben in Gleichberechtigung an sich bedeutet. Wer die Abschaffung einer bürgerlichen Ethnokratie mit ethnischer Säuberung und Genozid gleichsetzt, kann vieles sein, aber sicherlich nicht links. Unser Kampf für die Einstaatenlösung entstammt unserer historisch-materialistischen Analyse, unserem revolutionären Internationalismus. Dies kann in zahlreichen Veröffentlichungen der Bündnisgruppen nachgeprüft werden.

In diesem Sinne weisen wir auch die „verkürzte Kapitalismuskritik“ zurück. Dieser Vorwurf zeigt nur, dass diese Strömungen sich gar nicht die Mühe machen, die Publikationen zu lesen, die sie anschuldigen. Unsere Kapitalismuskritik – im Gegensatz übrigens zu der der Sozialdemokratie, dem Sozialliberalismus oder dem Linksreformismus aus deren Tradition viele unserer Kritiker*innen stammen oder sich dort organisieren – ist alles andere als verkürzt. Dieser Vorwurf zeigt jedoch eine gefährliche Schlagseite, die selbst Antisemitismus Tür und Tor öffnet. Auch wir haben unsere Kritik an unzulänglichen Kapitalismuskritiken. Jedoch zu behaupten, dass eine unmittelbare Kritik an Kapitalist*innen und Vertreter*innen des Staatsapparats, also real handelnden Akteuren, an sich antisemitisch sei, beinhaltet selbst die Vorstellung Kapitalist*innen und Juden*Jüdinnen wären identisch nutzbar. Diese krude und antisemitische Gleichsetzung lehnen wir ebenso ab wie die Gleichsetzung von Juden*Jüdinnen mit dem Zionismus und dem zionistischen Staat.

Diese entspringen einer abstrakten Vorstellung von Juden*Jüdinnen und dem Judentum, in der je nach Polemik und Nutzen ein Bild von Juden*Jüdinnen fremddefiniert wird. Sogenannte „Anti-Deutsche“ konstruieren „den Juden“ als zionistisch, kapitalistisch, militaristisch und bedienen sich damit antisemitischer Stereotype. Dies geht Hand in Hand mit der in Deutschland vorherrschenden rassistischen Grundannahmen gegenüber Palästinenser*innen, (vermeintlichen) Muslim*innen und allen anderen Menschen, die in ehrlicher Solidarität mit dem palästinensischen Freiheitskampf stehen.

Doch reicht die Denunziation als Mittel nicht mehr aus, greift dieses Spektrum auch zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Überzeugung. So vor zwei Wochen in Frankfurt als es zu einem Angriff auf einen Stand zur Palästina-Solidarität kam. Auch in den vergangenen Tagen gab es gewaltsame Androhungen im Internet, sowohl gegen Gruppen des Blocks, das Barrio selbst und den Block auf den Aktionen. Diese Kampagne ist letztlich gegen die G20 Proteste als ganzes gerichtet. Sie zielen weniger darauf ab, den internationalistischen Block einzuschüchtern, sondern unentschlossene, uninformierte Menschen zu verunsichern. Sie wollen den Protest gegen G20 ganz gezielt spalten. Wir fordern hiermit auch deutlich alle Organisationen des Gesamtbündnis „Grenzenlose Solidarität statt G20“ dazu auf, sich von derartigen Angriffen und Denunziationen gegen die internationalistische Linke zu distanzieren. Wir erwarten von der Linken in Deutschland keine einheitliche Position, aber wir fordern, dass die palästinensische Linke als gleichberechtigter und willkommener Teil der G20 Proteste wahrgenommen wird. In diesem Sinne laden wir noch einmal herzlich zu unserer Diskussion am Donnerstag ein.

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