Interview: Telepizza entlässt Arbeiter
Die spanische Fastfood-Kette Telepizza entließ einen Angestellten wegen der Teilnahme am Generalstreik. Ein Interview mit Asier U, Student an der Universität von Saragossa, der zwei Jahre lang bei Telepizza arbeitete, und Mitglied der Gruppe Clase contra Clase.
Warum wurdest du bei Telepizza entlassen?
Ich arbeitete seit über zwei Jahren in einem Telepizza-Laden in Saragossa. Im offiziellen Entlassungsbrief hieß es, dass ich „wenig produktiv“ war, doch die Filialleiterin machte klar, dass sie es nicht zulassen würde, dass irgendein Angestellter schlecht über den Tarifvertrag redet, und erst recht nicht, dass einer das mit anderen KollegInnen macht.
In den Wochen vor dem Generalstreik am 29.September hatte ich vorgeschlagen, eine Versammlung zu organisieren, um über die Arbeitsmarktreform der Zapatero-Regierung und über die Notwendigkeit von Betriebsräten bei Telepizza zu diskutieren. In meinem Laden lag die Streikbeteiligung bei über 50 Prozent. In anderen Filialen war sie aufgrund des Drucks der Geschäftsführung viel niedriger.
Sie haben mich einen Monat später entlassen, in der Hoffnung, damit den Organisierungsprozess unter ihren Beschäftigten zu beenden. Doch sie haben sich geirrt.
Was für ein Unternehmen ist Telepizza?
Es handelt sich um einen multinationalen Konzern mit 600 Läden in Spanien und 400 in anderen Ländern wie Portugal, Polen, Chile und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie machten letztes Jahr 500 Millionen Euro Gewinn und wollen damit 1000 neue Filialen in China aufmachen.
Bei Telepizza sind 70 Prozent der Belegschaft unter 25 Jahre alt. Neueingestellte können nur 24 Stunden im Monat arbeiten und bekommen dafür 125 Euro. Es gibt keine Nacht-, Wochenend- oder Feiertagszuschläge. Für uns galt früher der Tarifvertrag für die Gastronomie, aber vor 15 Jahren haben die Gewerkschaften UGT und CCOO einen separaten Tarifvertrag für Lieferservices mit viel schlechteren Bedingungen ausgehandelt. Aufgrund der hohen Fluktuation der Belegschaft werden die Betriebsrätinnen bei Telepizza meist von FilialleiterInnen oder gar PersonalleiterInnen gestellt und unterschreiben jede Kürzung, die das Unternehmen ihnen vorlegt.
Was ist nach deiner Entlassung passiert?
Gleich am Tag nach meiner Entlassung haben wir einen Streikposten vor dem Laden organisiert. Eine Woche später gab es Streikposten vor fast allen Telepizza-Läden in Saragossa sowie vor einer Filiale in Barcelona, und das mit der Teilnahme von vielen verschiedenen Gewerkschaften und linken Organisationen. In der Woche darauf haben wir eine „Telefonwelle“ organisiert und in vier Läden ist die Telefonvermittlung zusammengebrochen.
Studierende und Dozierende von der Universität von Saragossa unterstützen die Kampagne, dazu auch ArbeiterInnen von anderen Betrieben wie der hiesigen Opel-Fabrik. Fast jedeR Telepizza-ArbeiterIn in Saragossa, und zwar nicht nur in meinem Laden, hat auf irgendeine Art und Weise Solidarität ausgedrückt – auch wenn ich natürlich keine Details dazu geben kann.
Und was forderst du von Telepizza?
Wir sind für die Wiedereinstellung. Ich wurde entlassen, weil ich die prekären Bedingungen kritisierte und einen Kampf dagegen organisieren wollte. Wenn diese Entlassung durchgeht, bedeutet das einen schweren Schlag gegen zukünftige Versuche, einen Betriebsrat zu gründen und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Ich bin nicht bereit, eine Abfindung und damit auch die Entlassung zu akzeptieren – meine Entlassung darf auf kein Fall dazu dienen, meine KollegInnen zu zähmen, damit sie schlimmere Arbeitsbedingungen hinnehmen.
Hat die Auseinandersetzung eine Bedeutung über Telepizza hinaus?
Im spanischen Staat haben mehr als 30 Prozent der ArbeiterInnen befristete Verträge – und das bei über vier Millionen Arbeitslosen. Das ist Ergebnis der Politik der Gewerkschaftsführungen seit den 70er Jahren, die eine unendliche Zersplitterung der Belegschaften durch die Ausweitung von unsicheren Arbeitsverhältnissen ermöglicht haben. Das hat die Kampfkraft der ArbeiterInnenklasse massiv geschwächt, besonders bei schwachen Sektoren wie unserem. Doch der 29. September hat gezeigt, dass breite Schichten kämpfen wollen – obwohl die Gewerkschaftsführungen die Aktionen auf diesen einen Tag beschränkt haben.
Ich hoffe, dass dieser Kampf ein entgegengesetztes Beispiel zeigt: Junge, prekär Beschäftige können sich organisieren und kämpfen. Wir können die Rechte, die in den letzten Jahren verloren gegangen sind, zurückerobern, wenn wir dies mit älteren und besser organisierten Belegschaften gemeinsam tun.
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Kampagne Telepizza explota (Spanisch)